Debatte um Ostförderung: Gute alte neue Spaltungslinie

Ruhrgebietsoberbürgermeister wollen „Solidarpakt“ aufkündigen


 

Vor dem Hintergrund der anstehenden Landtagwahl in NRW sind die Oberbürgermeister des Ruhrgebiets mit einem Paukenschlag an die Öffentlichkeit gegangen. Sie wollen den sogenannten Solidarpakt aufkündigen.

von Torsten Sting, Rostock

Durch staatliche Transfers, sollte Ostdeutschland nach der Wende dem westlichen Standard angeglichen werden. Finanziert wird dies u.a. mit dem „Solidaritätszuschlag“ der Steuerzahler. Im übrigen zahlen diesen auch die Ostdeutschen, obwohl sich bis heute anders lautende Mythen im Umlauf befinden.

Mit dem Solidarpakt II bekommen die ostdeutschen Städte und Gemeinden von 2005 bis 2019 insgesamt 156 Milliarden Euro aus den Kassen von Bund, Ländern und Kommunen. Die Finanzlage der zahlenden Städte spielt keine Rolle: Sie müssen zur Not selber Schulden machen, um ihren Beitrag aufzubringen. (Handelsblatt, 21.3.)

Konkreter Anlass für den Vorstoß der Lokalpolitiker ist ein Gesetz der damaligen schwarz-gelben NRW-Landesregierung aus dem Jahre 2010. Dieses sieht die finanzielle Beteiligung der klammen Kommunen des Bundeslandes für den „Solidarpakt“ vor.

Blühender Osten?

Bis heute hat der Osten Deutschlands eine gegenüber dem Westen etwa doppelt so hohe Arbeitslosigkeit. Die Einkommen sind deutlich geringer, prekäre Arbeitsverhältnisse weit verbreitet. Einige Regionen wie Ostvorpommern sind komplett abgehängt, Abwanderung der Jugend ist die Folge. Zweifellos ist die Infrastruktur besser geworden und die Sanierung von Wohnraum bzw. die Neugestaltung der Innenstädte ist weit voran geschritten. Gerade letzteres irritiert viele Urlauber aus den alten Bundesländern, wenn sie zum Beispiel über die bunte Einkaufsmeile in Rostock schlendern. In der Tat ist gerade in den größeren Städten Ostdeutschlands, das sich dem Beobachter bietende Bild definitiv schöner als jenes im Ruhrpott. Aber was sind die Gründe?

Armut an der Ruhr

In den letzten Monaten haben einige Studien über die Entwicklung der Armut in Deutschland für Aufsehen gesorgt. Besonders jene, in denen darauf hingewiesen wird, dass im Ruhrgebiet, dem einstiegen Industriezentrum Deutschlands, die Armut höher ist, als in der Ex-DDR. Nirgends ist in NRW die Arbeitslosigkeit so hoch und folglich der Anteil der Menschen die Hartz IV beziehen müssen. Dies ist die Folge des Kahlschlags in Bergbau und Stahlindustrie (siehe auch Artikel hier ) von dem sich das Ruhrgebiet trotz aller Phrasen der Politiker und Bosse vom „Strukturwandel“ bis heute nicht erholt hat.

Ungerechtes Steuersystem

Die finanzielle Situation der Kommunen im „Pott“ ist ausgehend vom herrschenden Steuersystem miserabel. Neben Zuweisungen durch Bund und Land, sind die Kommunen (in Ost und West) von den Steuern der lokalen Unternehmer abhängig. Wirtschaftlich schlecht dastehende Städte und Gemeinden geraten in einen Teufelskreis. Die Kombination aus zu geringen Einnahmen und erhöhten Ausgaben im sozialen Bereich infolge hoher Erwerbslosigkeit, lassen die Verschuldung empor schnellen. Es ist daher richtig über den Status Quo zu klagen, die Frage ist nur welche Schlussfolgerungen daraus gezogen werden.

Gemeinsam gegen die Reichen

Das Gejammer der Oberbürgermeister aus dem Ruhrgebiet ist aber scheinheilig. Gehören sie doch mehrheitlich der SPD an, jener Partei, die maßgeblich die Verarmung mittels Agenda 2010 vorangetrieben hat. Zudem hat die Rot-Grüne Koalition unter Schröder die Politik der Kohl-Ära auf die Spitze getrieben, in dem sie den Kommunen noch mehr Lasten aufbürdete und deren finanzielles Fundament durch Steuerreformen weiter untergrub. Es ist also kein Ost-West Problem, auch wenn einige dies so darstellen, um von den eigentlichen Problemen abzulenken. Die Situation des Ruhrgebiets wie auch anderer armer Regionen in Deutschland wird sich nur ändern, wenn die Arbeitslosigkeit und Armut erfolgreich bekämpft wird. Nötig ist ein massives, bundesweites Investitionsprogramm, welches gerade den „strukturschwachen“ Regionen egal in welchem Landesteil, zugute kommt. Zudem muss ein Steuersystem her, das die Kommunen nicht mehr von der lokalen Gewerbesteuer abhängig macht. Der jetzige Solidarpakt muss weg, weil er von der Masse der Bevölkerung bezahlt wird. Stattdessen müssen die Reichen und Konzerne zur Kasse gebeten werden um die gesellschaftlich nötigen Aufgaben finanzieren zu können. Dies geht nur, wenn wir uns nicht in Ost und West spalten lassen und gemeinsam kämpfen.