“Das ist erst der Anfang!”

Bericht von Warnstreik im Öffentlichen Dienst in Aachen


 

Im Rahmen der Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst der Beschäftigten bei Bund und Kommunen wurde heute in NRW gestreikt. Auch in Aachen erzielte der Warnstreik eine gute Resonanz: Auch wenn noch keine offiziellen Zahlen zur Teilnahme an der zentralen Kundgebung bekannt sind, war der Willy-Brandt-Platz gut gefüllt. Aus allen relevanten Betrieben des Öffentlichen Dienstes waren Delegationen anwesend. Der öffentliche Nahverkehr kam praktisch zum Erliegen, nur wenige Kitas hatten geöffnet, und ein Krankenhaus konnte nur Notfälle behandeln.

von Christian Walter, Aachen

Gewerkschaften hatten für 10 Uhr zur zentralen Kundgebung zum Willy-Brandt-Platz gerufen. Doch schon eine halbe Stunde früher, als ich eintraf, war der Platz voller Menschen mit Streikwesten, Fahnen, Trillerpeifen etc. Nicht Wenige hatten Transparente mitgebracht.

Kämpferische Reden…

Ein Redner betonte, dass die Arbeitgeber – Bund und Kommunen – sich in der Dreistigkeit geradezu überträfen, das Anliegen der Streikenden zu diskreditieren. Und tatsächlich: Während über Nacht Milliarden für Banken und Konzerne bereitgestellt werden oder ein Wulff hunderttausende Euros jährlich geschenkt bekommen soll – wofür? – echauffieren sie sich über berechtigte Forderungen nach 6,5% Lohnerhöhung, mindestens aber 200 Euro. Eine weitere Gewerkschafts-Forderung ist, dass Auszubildende 100 Euro höhere Vergütung erhalten sollen. Tatsächlich würden diese Lohnerhöhungen, sollten sie erfüllt werden, kaum den Reallohnverlust durch Inflation der letzten Jahre wett machen. Das Motto “Wir sind es wert!” war dann auch eines der geflügelten Worte, eine Parole, auf die sich viele RednerInnen bezogen.

…und kämpferische Stimmung!

Ein besonderes Highlight war der Einzug der Müllabfuhr – etwa 50 ArbeiterInnen, die mit ihren riesigen Maschinen auffuhren. Sie wurden zurecht mit Applaus und Freude begrüßt. In den Stadtwerken gibt es mittlerweile einen gewerkschaftlichen Organisationsgrad von etwa 80%.

Positiv erwähnt werden muss aber auch, dass eine Kollegin von Schlecker von der Bühne reden konnte. Das Signal ist deutlich: Ob Öffentlicher Dienst oder Einzelhandel – wir sitzen im selben Boot, wir haben die gleichen Probleme. Gleichzeitig zeigte sich aber auch die breite Verzweiflung der Schlecker-KollegInnen, wo es laut der Rednerin darum ginge, den Kahlschlag zu begrenzen.

Beiträge der Betriebe

Nach einigen Reden von Gewerkschafts-FunktionärInnen sowie einem Mitglied der Verhandlungskommission kamen VertreterInnen aus den Betrieben zu Wort. Ein Kollege des Theaters berichtete, dass er zu Fuß kommen musste, weil kein Bus fuhr. Das Aachener Theater war in den letzten Jahren bevorzugtes Kürzungsobjekt bei kommunalen Kürzungsorgien.

Ein Kollege der ASEAG, des öffentlichen Nahverkehrs-Unternehmens, stellte den völlig richtigen Vergleich her zwischen der Behauptung, es sei kein Geld für höhere Löhne da und dem Fakt, dass Prestigeobjekte auch in Aachen keine Seltenheit sind. Nur wenige hundert Meter vom Kundgebungsort entfernt soll die Kaiserplatz-Galerie entstehen, eine Mega-Projekt, für das bereits 2007 begonnen wurde, Wohn- und Geschäftshäuser abzureissen. Seitdem ziert eine riesige Brache den Kaiserplatz.

Ein Arbeiter bei der Müllabfuhr sagte nicht viel, aber dafür das Richtige: “Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann euch versprechen: Das ist erst der erste Aufruf. Ich kann euch aber versprechen: Wir können noch mehr! Und das werden wir auch zeigen!”

Vom Medizinischen Zentrum Würselen waren 150 KollegInnen bei der Kundgebung. Das Krankenhaus konnte damit kaum mehr als Notfälle behandeln.

Insgesamt waren die Reden der VertreterInnen aus den Betrieben die wohl Kämpferischsten – kurz und knapp kam in jeder Rede rüber, dass es eine große Wut und eine entsprechend große Kampfbereitschaft gibt. Das Studentenwerk wollte beispielsweise nur mit einer kleinen Delegation anreisen. Als Reaktion auf die Arroganz der Arbeitgeber, ohne eigenes Angebot die Forderung der Gewerkschaften zurückzuweisen, entschieden sich die KollegInnen aber anders – die Folge: Die Belegschaft der Hauptmensa trat geschlossen in den Streik. Ein Vertreter der KollegInnen dort begann, weil er meinte, kein guter Redner zu sein, zu singen: “Alle Räder stehen still, wenn unser starker Arm es will!”

Und ein Personalrat der Bundeswehr sagte, die Azubis der Bundeswehr stünden “Gewehr bei Fuß, um unsere Forderungen zu erreichen. Wir sind stärker als die Ehrensoldsempfänger da oben!”

Viele Streikende konnten, weil kaum Busse fuhren, gar nicht zur Kundgebung gelangen. Vor allem aus Düren waren ganze Betriebe, wo KollegInnen streikten, nicht vertreten. Aber auch ein anderes Phänomen wirkte sich bei manchen ArbeiterInnen demobilisierend aus: Massiver Druck und angedrohte Repression. So berichtete eine Kollegin von den Heilpädagogischen Anstalten Düren, dass Teamleiter dort die KollegInnen so massiv unter Druck gesetzt hätten, dass manche deswegen nicht, wie geplant, gestreikt hätten.

Alle Forderungen voll durchsetzen!

Ein Redner betonte: “Wir sind heute hier angetreten, um für 6,5% zu streiten. Und wir sollten uns nicht, wie in den letzten Jahren, mit 2 oder 2,5% zufrieden geben!”. Recht hat er! Eine deutliche Lohnerhöhung ist längst überfällig. Genug des Geredes, es sei kein Geld da – man muss nur einmal eine Zeitung aufschlagen, dann sieht man, wofür Geld da ist: Für Banken-Rettungen, Steuergeschenke an Konzerne, Umverteilungen von Steuergeldern an deutsche Konzerne in Form von “Hilfszahlungen an Griechenland”, Aufrüstung, und und und… Und es nicht nicht nur genug Geld da – es ist auch genug Kampfkraft da! Und wenn die da Oben die Forderungen nicht erfüllen wollen, muss ihnen halt gezeigt werden, wer die Macht hat – und das sind bestimmt nicht die, die keinen Schimmer davon haben, wie man Bus fährt, Kinder betreut, Kranke pflegt oder sich zu fein sind, Müll wegzuräumen. Und es gibt es Solidarität – so haben sich KollegInnen bei Regio IT frei genommen, um den Streik zu unterstützen.

Ein paar RednerInnen forderten, angesichts explodierender Renten- und Gesundheitskassen seien die Forderungen umsetzbar. Diese Forderung beinhaltet eine Gefahr – denn die KollegInnen selber sind es doch, die diese Kassen gefüllt haben! Stattdessen sollte die Forderung aufgeworfen werden, wenn die Frage kommt, woher das Geld kommt: Nehmt"s von den Reichen! Sie haben uns schon immer ausgepresst, und werden es solange weiter tun, wie wir sie lassen.