Ein Jahr nach der Atomkatastrophe

Keine Entwarnung in Fukushima


 

Es ist bald ein Jahr her, dass durch ein Erdbeben am 11. März 2011 in Fukushima die größte Reaktorkatastrophe seit Tschernobyl 1986 ausgelöst wurde. Darauf folgte eine massive Bewegung gegen Kernenergie, die die deutsche Bundesregierung zu einer Kehrtwende in ihrer Energiepolitik zwang.

von David, Kassel und Krischan, Berlin

Scheinbare Ruhe

Man könnte annehmen, dass die Lage ruhig und unter Kontrolle sei, doch seit letztem März hat sich wenig verändert. Es gibt zwar keine „größeren“ Zwischenfälle, doch die kleinen sind erschreckend genug. Immer wieder versagen Kühlungssystem und weiter gelangt radioaktiv verseuchtes Wasser in die Umwelt. Die japanische Atommafia muss aber keine große Angst haben: Als Mitte Januar ein Wasserbehälter leckte, reagierte die Atomaufsichtsbehörde NISA nicht etwa, indem sie mehr Dichtungen und Sicherheitsvorkehren vorschrieb – die Betreiberfirma TEPCO soll lediglich mehr Patrouillengänge durchzuführen, um in Zukunft Lecks zu verhindern. Solche Pseudomaßnahmen müssen den Opfern und den Angehörigen der tausenden Toten wie Hohn vorkommen.

Sie vergiften unser Leben

Auch die Folgen der Katastrophe sind erschreckend: Aktuelle Daten zur Strahlenbelastung (Ende 2011 vom japanischen Umweltministerium) aus einem Fluss vor Tokio, der immerhin 300 km von Fukushima entfernt ist, kommen auf eine Radioaktivität von 7100 Bequerel/kg Erde, hervorgerufen durch Cäsium. Das bedeutet, dass in einem Kilo Flusserde 7100 radioaktive Zerfälle stattfinden – pro Sekunde. Bei einer Untersuchung der Regionalregierung von Tochigi wurden Reisfelder gemessen. Der traurige Rekord liegt hier bei 350,000 Bq/kg, obwohl die Regierung angeordnet hatte, Lebensmittel mit Werten über 100,000 Bq/kg zu vernichten. Eine Mutter aus einem Vorort von Tokio hat die Fingernägel ihrer Tochter in ein Labor eingeschickt – darin konnten 15 giftige Schwermetalle nachgewiesen werden, die bei radioaktiven Zerfällen anfallen, darunter Quecksilber, Blei, Cadmium und Nickel.

Trotz des enormen Leids der Bevölkerung macht die Atommafia weiter „Business as usual“. Es gibt keine sicheren Kernkraftwerke und auf die Energiekonzerne können wir uns nicht verlassen. Die Anti-AKW-Bewegung in Deutschland hat schon einmal die schmerzliche Erfahrung gemacht, was passiert, wenn ein Atomausstieg im Einvernehmen mit den Atomkonzerne beschlossen wird. Auch der jetzige Atomausstieg ist keineswegs gesichert: Bis 2022 wird politisch so viel passieren, dass die Regierungen in der Zukunft wieder umschwenken könnten.

Bewegung

Damit das nicht passiert, braucht es weiter den Druck der Bewegung. Japanische AktivistInnen zeigten sich oft begeistert, wie massiv die Anti-AKW-Bewegung in Deutschland nach Fukushima auf die Straße gegangen ist. Die beeindruckenden Massendemonstrationen wurden in den letzten Jahren durch noch beeindruckendere Castor-Blockaden getoppt. Für die nächste Phase sind keine Castortransporte im Wendland angekündigt, es wird allerdings Demonstrationen von .ausgestrahlt am Jahrestag der Reaktorkatastrophe geben. Desweiteren plant die Initiative x-tausendmal quer zu Pfingsten wie im letzten Jahr die Blockade der Revisionsarbeiten im AKW Brokdorf. Auch die Kampagne Gorleben 365, getragen von x-tausendmal quer und Kurve Wustrow, läuft weiter und soll den Schwarzbau in Gorleben weiter in der Öffentlichkeit wachhalten. Für Aufregung im Ruhrgebiet sorgte letztes Jahr die Ankündigung, 152 Castoren vom ehemaligen Versuchsreaktor Jülich in ein Zwischenlager in Ahaus zu transportieren, mitten durch dichtbesiedeltes Gebiet, hier beginnt sich bereits der Widerstand zu formieren.

A better future

Die Anti-AKW-Bewegung wird erst an dem Tag wirklich erfolgreich gewesen sein, wenn auf der ganzen Welt sämtliche Kernkraftwerke stillstehen und alle nuklearen Waffen vernichtet worden sind. Sämtliche AKWs müssen sofort abgeschaltet werden. Darüber hinaus ist es nötig, die Energiekonzerne zu verstaatlichen und unter die Kontrolle und Verwaltung von Beschäftigten und NutzerInnen zu stellen, um sinnvoll und umweltfreundlich zu produzieren. Denn jede Möglichkeit, Schritte rückwärts ins atomare Zeitalter zu machen, werden die Konzerne nutzen, es geht schließlich um eine Menge Geld. Uns dagegen geht es um unsere Gesundheit, unsere Unversehrtheit und unser Leben – und das ist wichtiger als ihr Profit.