Gescheiterter „Strukturwandel“

Studie belegt wachsende Armut im Ruhrgebiet


 

Kurz vor Weihnachten hat der Paritätische Wohlfahrtsverband seinen „Armutsatlas“ vorgestellt. Seine Ergebnisse sind mehr als ernüchternd.

von Torsten Sting, Rostock

Die Studie belegt, dass es in Deutschland, trotz deutlichen Wirtschaftswachstums in den letzten beiden Jahren nicht zum Abbau der Armut gekommen ist. Laut Definition der Forscher, sind 14 Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht. Offizielle Erwerbslose sind zwar weniger geworden. Zahlreicher wurden aber Beschäftigte, die von ihrer Hände Arbeit nicht leben können und gezwungen sind mit Hart IV „aufzustocken“.

Ruhrgebiet

Im Ruhrgebiet, gibt es eine besonders zugespitzte Entwicklung. Das einst größte Industriegebiet Europas, wird immer mehr zum Armenhaus der Republik. Seit 2005 stieg die „relative Armut“ in Dortmund von 18,6 auf 23 Prozent. Ähnlich sieht es in Duisburg, Gelsenkirchen und anderen Städten aus. Der Vorsitzende des Verbandes, Schneider, warnt vor sozialen Unruhen. „Sollte dieser Kessel anfangen zu kochen, dürfte es schwer werden, ihn wieder herunter zu kühlen.“ (FTD, 22.12.11)

Politik gescheitert

Die Zahlen sind ein Schlag ins Gesicht der offiziellen Politik, die bei jeder Zechen und Fabrikschließung, die in den letzten Jahrzehnten an der Ruhr stattfand, den „Strukturwandel“ heraufbeschworen und einen „sozialverträglichen Arbeitsplatzabbau“ befürwortet hat. Dies gilt speziell für die SPD und Spitzenfunktionäre der Gewerkschaften. Statt der Montanindustrie, sollten neue Produktionsstätten und insbesondere Dienstleistungsbetriebe angesiedelt werden. Selbst Städte wie Bochum, denen es zwischenzeitlich gelang mit Automobilbau und Handyproduktion ein zusätzliches Standbein aufzubauen, mussten feststellen, das neue Industrien in Zeiten der strukturellen Krise des Kapitalismus, allenfalls für eine Zwischenzeit Luft verschaffen. Trotz millionenschwerer Förderung hat Nokia das Weite gesucht und Tausende KollegInnen verloren ihren Job.

Ausblick

Diese Entwicklung ist keine, die mit den Besonderheiten des Ruhrgebiets erklärt werden kann. Große Industriegebiete in Frankreich, England oder Belgien teilen ein ähnliches Schicksal. Es ist auch eine Warnung an Regionen die derzeit noch in relativem Wohlstand leben und wo die Krise Europas sehr weit weg scheint. Aber gerade Baden-Württemberg mit seiner hohen Industriedichte und dem besonders hohen Gewicht des Automobilbaus kann in diesem Jahrzehnt eine ähnliche Entwicklung bevorstehen. IWF Chefin Lagarde warnt vor einer schweren weltweiten Rezession. Diese hätte früher oder später drastische Folgen für die extrem exportabhängige deutsche Industrie. Hinzu kommt, dass die Konzerne zunehmend dort die Produktion ausweiten, wo sie Wachstum erwarten. Dazu wird Europa auf absehbare Zeit nicht zählen.

Aufgrund dessen, ist es sehr wahrscheinlich, dass in den nächsten Jahren, Hunderttausende Arbeitsplätze in Deutschland auf dem Spiel stehen werden. Auch dann wird es wieder die Propaganda des Strukturwandels geben. Die Entwicklung des Ruhrgebiets mahnt zur Schlussfolgerung, dass jede Fabrik und jeder Arbeitsplatz verteidigt werden muss.