Für ein demokratisches, sozialistisches Europa

Statt Kürzungspaketen: Schuldenstreichung und Verstaatlichung der Banken und Konzerne unter demokratischer Kontrolle


 

Düster sieht die Zukunft der Euro-Zone aus. Jeden Tag überschlagen sich die Meldungen zur Schuldenkrise in Europa. Trotz allen Versuchen, die Situation in den Griff zu bekommen – zahllosen Gipfeltreffen, Wirtschaftsanalysen und Rettungspaketen, EFSF und ESM, Garantien über hunderte Milliarden Euro und die Ernennung von nicht gewählten, „technokratischen“ Regierungen in Griechenland und Italien – spitzt sich die Situation weiter zu.

von Sebastian Förster, Dortmund

„Die Ratingagenturen sind unzufrieden mit den Gipfel-Beschlüssen“, so die immer gleiche Meldung der Nachrichtenticker. Wieder ein Treffen der Regierungschefs der Europäischen Union (EU), das „nicht zur erhofften Beruhigung der Märkte geführt“ hat (stern.de vom 12. Dezember 2011). Es gibt nur wenige europäische Länder und Finanzinstitutionen, die noch nicht von einer Abstufung der Bonität durch Ratingagenturen bedroht sind. Die Finanzwelt gibt keine Ruhe und verlangt ständig höhere Garantien für ihre Anlagen.

Die Regierungen der führenden imperialistischen Länder der Euro-Zone, Deutschland und Frankreich, stehen in Konkurrenz miteinander und zeigen sich unfähig, die Euro-Krise zu lösen. Keine der etablierten bürgerlichen Parteien hat eine Alternative zu bieten.

Weitere Abstürze sind programmiert

Ganz gleich, wie viele öffentliche Gelder die „Troika“ aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) noch bereitstellen wird – ein Ausweg scheint nicht in Sicht. Eine Staatspleite Griechenlands und der Austritt des Landes aus der Euro-Zone werden immer wahrscheinlicher.

Offensichtlich ist auch, dass die gesamte Euro-Zone an sich auf Dauer nicht aufrecht zu erhalten ist. Der Widerspruch zwischen der Notwendigkeit einer abgestimmten Finanz- und Wirtschaftspolitik von Mitgliedsländern einer Gemeinschaftswährung auf der einen und der Konkurrenz unter diesen einzelnen Staaten und den hinter ihnen stehenden Banken und Konzernen auf der anderen Seite ist zu groß, als dass der Euro auf lange Sicht überleben könnte.

Ein Scheitern der Gemeinschaftswährung schon in naher Zukunft ist nicht auszuschließen. Der New Yorker Ökonom Nouriel Roubini bezifferte die Wahrscheinlichkeit eines baldigen Zusammenbruchs kürzlich auf 45 Prozent. Die Folge wären dramatische ökonomische Verwerfungen weltweit, Pleiten von Großbanken, Staatsbankrotte und jahrelange Währungsturbulenzen.

Widerstand gegen Austeritätsmaßnahmen

Hierzulande wird der Eindruck erweckt, es ginge EU, EZB und IWF darum, „die Griechen“ zu retten. Das stimmt so nicht. Vorrangig wurden die Milliardenpakete geschnürt, um die Anlagen der Finanzwelt abzusichern.

Durch die staatliche Rettung der Banken, die sich verzockt haben, sind gewaltige Schuldenberge gewachsen. Im Inter-esse der „Märkte“ sollen diese auf dem Rücken der Mehrheit der Bevölkerung abgeladen werden. Zur Kasse gebeten werden nicht die Verursacher, die in der Vergangenheit die großen Gewinne und Boni eingefahren haben. Sondern die, die sowieso nichts haben. In vielen Ländern sind Jugendliche, Erwerbslose, Rentner-Innen und Beschäftigte mit beispiellosen Kürzungsprogrammen konfrontiert.

Dagegen hat sich erbitterter Widerstand entfacht. In Südeuropa toben Jugendrevolten und Arbeitskämpfe. In Griechenland werden Ministerien besetzt und mehrtägige Generalstreiks organisiert.

Das Komitee für eine Arbeiterinternationale (CWI), dem die SAV als deutsche Sektion angehört, kämpft in vielen Ländern an vorderster Front gegen diese Angriffe und macht Vorschläge, wie die Demonstrationen, Streiks und Besetzungen ausgeweitet und zum Erfolg gebracht werden können.

Aber reicht das aus? Kann die Krise im Rahmen des Kapitalismus überhaupt überwunden werden?

Menschen statt Profite

Die Vorschläge derjenigen Linken, die alleine auf Maßnahmen innerhalb dieses Systems setzen, sind äußerst begrenzt. Weder eine Finanztransaktionssteuer noch gemeinsame Staatsanleihen noch die Rückkehr zur griechischen Drachme werden aus der Misere helfen.

Die Weltwirtschaft ist in einer systemischen Krise gefangen: Hintergrund ist die heutige Schwierigkeit des Kapitals, profitable Anlagemöglichkeiten zu finden, um sich zu vermehren. Durch neoliberale Angriffe und eine grenzenlose Ausweitung des Finanzsektors wurde versucht, das Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten. Jetzt schlägt diese Dynamik ins Gegenteil um: Wegen der Weltwirtschaftskrise wurden 2007/08 laut einer Studie der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) weltweit Vermögen im Wert von 50 Billionen Dollar vernichtet.

Die kapitalistische Ökonomie funktioniert nicht nach den Interessen der Menschen, sondern ordnet alles der Profitmaximierung unter. Trotzdem meinen die Herrschenden, dass ihr System das beste sei, um die Bedürfnisse der Menschheit zu erfüllen. Die Realität beweist das Gegenteil.

Obwohl die Landwirtschaft mehr als doppelt so viel Menschen, wie heute auf dem Planeten leben, ernähren könnte, sterben jeden Tag 100.000 Menschen an Hunger („World Food Report“ der UN von 2008). In der EU wird Getreide verbrannt und Milch ins Meer gekippt, wenn damit kein Profit gemacht werden kann.

Anstatt dass der Reichtum gesamtgesellschaftlich genutzt wird, findet aufgrund der ungeplanten Wirtschaft eine gewaltige Verschwendung der Ressourcen statt. In der EU sind insgesamt offiziell 23,5 Millionen Menschen arbeitslos, Tendenz steigend (laut „Eurostat“, der Website mit offiziellen EU-Statistiken, von Oktober 2011). In diesem System werden Arbeitsplätze vernichtet, wenn Produktionszweige keinen Gewinn mehr abwerfen und es keine „Nachfrage“ mehr gibt.

Tatsächlich besteht aber immer ein Bedarf an Produktion – die Frage ist nur, was, in welchem Bereich und für wen. Im Kapitalismus wird blind produziert, das heißt, nicht entsprechend der Bedürfnisse der Menschen.

Schon Albert Einstein bemerkte in diesem Zusammenhang, dass „es nur einen Weg gibt, dieses Übel loszuwerden, nämlich den, ein sozialistisches Wirtschaftssystem zu etablieren“. Durch die Überwindung der Profitwirtschaft könnten die drängenden Probleme der Menschheit angegangen werden.

In einer Welt, in der nicht wie in der DDR von einer abgehobenen bürokratischen Clique, sondern von unten, von der Masse der Bevölkerung, darüber entschieden wird, was wie produziert wird, könnte das bisher ungenutzte gesellschaftliche Potenzial freigesetzt werden. Wenn nicht mehr 50 verschiedene Waschmittelsorten, die sich kaum unterscheiden, hergestellt werden, wenn keine Ressourcen mehr für Werbung und Rüstung verschwendet werden, wenn alle Erwerbsfähigen Arbeit finden, könnte man daran gehen, die Bedürfnisse der Menschen wirklich zu erfüllen. Güter und Arbeitskraft könnten ohne Probleme von einem Feld der Wirtschaft zu einem anderen übertragen werden, eben dorthin, wo es gerade Sinn macht.

Zusätzlich könnte durch einen freien Austausch im technologischen Bereich die wirtschaftliche Entwicklung qualitativ gehoben und die Arbeitszeit deutlich gesenkt werden.

Keine Utopie – sondern Notwendigkeit!

Die AktivistInnen des „arabischen Frühlings“ haben gezeigt, dass das System grundlegend verändert werden muss – auch wenn in Ägypten und Tunesien auf der politischen Ebene die Revolution erst begonnen hat, es Rückschläge gibt und man von der Entmachtung der wirtschaftlich Herrschenden noch weit entfernt ist. Um in Europa die Macht der Banken und Konzerne zu brechen, bedarf es jedoch einer noch massiveren Bewegung von Jugendlichen und Beschäftigten.

Die aktuelle Euro-Krise ist nicht die Schuld der griechischen ArbeiterInnen. Anstelle von Sozialkahlschlag und Kürzungspolitik fordern wir deswegen eine sofortige Einstellung der Schuldenzahlungen an die Banken. Diese von der Schwestersektion der SAV in Griechenland, Xekinima, erhobene Forderung, findet dort inzwischen massenhaft Unterstützung. Zudem schlagen wir in Griechenland, Deutschland und europaweit vor, die Banken in öffentliches Eigentum zu überführen und unter demokratische Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung zu stellen.

Aus Angst vor einer Pleite des Staates haben viele griechische Millionäre ihr Geld schon auf ausländische Konten verschoben oder in Luxusimmobilien in London angelegt. Wenn die Banken des Landes verstaatlicht und Kapitalverkehrskontrollen eingeführt würden, könnte diese Kapitalflucht gestoppt, die Vermögen der Reichen konfisziert und die vorhandenen Finanzen im Interesse der Mehrheit der Gesellschaft genutzt werden.

Schlüsselbereiche der Wirtschaft müssten unter die demokratische Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung gestellt werden, um grundlegende Güter und Dienstleistungen zu sichern.

Eine solche gesellschaftliche Umwälzung würde beschränkt auf ein Land allerdings ihre Grenzen haben. Notwendig wäre eine Ausweitung auf internationaler Ebene, zum Beispiel um die Versorgung mit wichtigen Gütern wie Treibstoffen, Nahrungsmitteln und so weiter sicherzustellen. Möglicherweise könnte Griechenland – bei einer internationalen Arbeitsteilung und Planung – auf Basis der Förderung alternativer Energiequellen andere Länder Europas mit Strom versorgen, während Deutschland für die Nachbarn Busse und Straßenbahnen bereitstellen könnte (statt wie heute diese mit U-Booten und anderen Rüstungsgütern zu beliefern).

Dem Europa der Banken und Konzerne stellen wir die Idee eines Europas auf sozialistischer Grundlage entgegen, das auf einer demokratisch geplanten Wirtschaft beruht. Ein Europa des harmonischen und solidarischen Austauschs, in dem die materiellen Ressourcen für alle gerecht verwendet werden könnten.