Klaus Ernst in Athen

Für einen europäischen Generalstreik gegen Lohn- und Rentenkürzungen und Kürzungen bei der sozialen Sicherheit


 

In der vergangenen Woche besuchte Klaus Ernst von der deutschen Partei DIE LINKE Athen. Er sprach am 16. November 2011 auf einer Veranstaltung des Linksbündnisses SYRIZA („Bündnis der Radikalen Linken“, deren wichtigster Bestandteil die Schwesterpartei der LINKEn, der „Synaspismos“ ist). Am folgenden Tag, am 17. November feierte das griechische Volk, insbesondere die Jugend, die Arbeitnehmer und die Linke den 38. Jahrestag des Studentenaufstandes des Athener Politechnikums 1973, der das Totenglöckchen für die Militärdiktatur läutete, die im Folgejahr 1974 auch aufgrund eines außenpolitischen Abenteuers auf Zypern stürzte. Erst seitdem herrscht in Griechenland ein bürgerlich-parlamentarisches Regierungssystem. An diesem Jahrestag legte wie auch viele Bürger Alexis Tsipras, der Vorsitzende von SYRIZA, Blumen am Mahnmal für den Aufstand im Vorhof des Politechnikums nieder. Dabei wurde er von Klaus Ernst begleitet.

von Hubert Schönthaler, Köln

In einem Interview mit der Athener Tageszeitung „Eleftherotypia“ vom 18.11.2011 sprach er zur politischen Lage in Europa und zu den Vorschlägen der LINKEn zu ihrer Lösung. (Die Zitate sind aus dem Neugriechischen rückübersetzt.)

Ernst wies darauf hin, dass die europäische Krise mit den Lohn-, Renten- und Sozialkürzungen in Deutschland im Jahr 2000, also unter der SPD-Grüne-Regierung, begann. Deutschland habe damit eine „tödliche Dumpingkonkurrenz mit seinen Nachbarn“ begonnen. Und jetzt greife Angela Merkel zur selben Politik wie Brüning in den 30er Jahren in Deutschland. Allerdings betreibe Merkel diese Politik nun auf europäischer Ebene. Dazu sagte Ernst wortwörtlich: „In Wirklichkeit ist Merkel die gefährlichste Frau in Europa, denn sie zerstört durch antidemokratische und antisoziale Sparprogramme den europäischen Sozialstaat. Wenn sie damit Erfolg hat, wird dies zumindest das Ende der Demokratie in Europa bedeuten.“ Und weiter: „Wir können die Banken retten oder das Volk und die Demokratie.“

Die Alternativvorschläge von Ernst bleiben allerdings im Rahmen des kapitalistischen Wirtschafts- und Finanzsystems: Einschränkung der Finanzierung zwischen den Staaten und den Finanzmärkten, Auszahlung der Kredite der Europäischen Zentralbank an die Länder der Eurozone zu niedrigen Zinssätzen, eine starke Regulierung der Finanzmärkte, Koordinierung hinsichtlich der Löhne und der Sozialversicherung in Europa. Für Deutschland bedeute dies höhere Löhne, höhere Renten, mehr Sozialversicherung und als Konsequenz daraus mehr Importe aus den anderen europäischen Ländern. Seine Forderung: „Die Banken müssen unter öffentliche Kontrolle gestellt werden“ klingt radikaler, doch in wessen Eigentum die Banken sein sollen, bleibt im Unklaren.

Zu Griechenland spezieller stellt Ernst fest, das Land brauche einen Schuldenschnitt, doch der jetzt vereinbarte sei sehr klein und komme zu spät. Ein auch von Einigen innerhalb der griechischen Linken vorgeschlagener Austritt aus der Eurozone sei „ein falscher Weg.“ Die Einschätzung der Europäischen Linkspartei, die neue Regierung der „nationalen Einheit“ der bürgerlichen Parlamentsparteien unter Lukas Papademos – die linken Parteien lehnen diese „nationale Einheit“ ab und gehören der Regierung nicht an – sei „illegal“, sei folgendermaßen zu verstehen: „Diese Regierung überlässt das griechische Volk ohne irgendeine Möglichkeit des Widerstandes unter der Diktatur der Finanzmärkte“. Deshalb unterstütze er die griechischen Freunde, wenn sie sagen: „Wir haben das Recht, Widerstand zu leisten gegen eine Politik, die die Demokratie verlässt.“

Das griechische Volk wie auch andere europäische Völker, die Arbeitnehmer, die Jugend und die Rentner, doch auch kleine Selbständige leisten in der Tat schon seit dem Beginn der Staatsschuldenkrise und der von den europäischen und internationalen politischen und Finanzinstitutionen der „Troika“ aufgezwungenen Sparpolitik heftigen Widerstand gegen ihre Verarmung und die Verwandlung in ein Land der Dritten Welt. Der letzte 48stündige Generalstreik in Griechenland am 19./20. Oktober war bereits der 13te Generalstreik seit Anfang 2010. Klaus Ernst kündigte an, im Bundestag diese Woche dazu zu sagen: „Wenn das griechische Volk, das portugiesische Volk gegen die Sparpolitik stehen und zum Streik greifen, werden sie auch für uns streiken.“ Dieses Wort im Ohr der deutschen Arbeitnehmer!

Weiter betonte Klaus Ernst: „Es gibt eine europäische Lösung oder keine Lösung.“ Dies bedeute, dass die europäischen Gewerkschaften „gemeinsam gegen die antidemokratischen und antisozialen Sparprogramme kämpfen müssen.“ Und er werde nach seiner Rückkehr nach Deutschland den deutschen Gewerkschaften einen „europäischen Generalstreik gegen die Lohn- und Rentenkürzungen und gegen die Kürzungen bei der sozialen Sicherheit“ vorschlagen. Gut gebrüllt, Löwe, kann man da nur sagen, doch lasst uns nun auch Taten sehen.