Debatten nach Debakel

Diskussionen über die Zukunft der LINKEN nach den Wahlen in Berlin und MV


 

In Berlin verlor DIE LINKE nach ihrem Regierungseintritt bei den Wahlen 2006 weit mehr als die Hälfte ihrer Stimmen. Bei den Wahlen am 18. September büßte sie nun nochmals 14.000 Stimmen, vor allem im Osten der Stadt, ein.

von Michael Koschitzki, Berlin

Der Wohnungsmarkt war das größte Thema im Berliner Wahlkampf. DIE LINKE trat unter dem Motto „Berlin sozial“ an. Sie wollte die Regierungspolitik des SPD/LINKE-Senats fortsetzen und MieterInnen vor „Wild West“ schützen. Doch als Teil der Regierung wurde sie für diese Heuchelei der Berliner Parteiführung abgestraft. Mit über 100.000 privatisierten Wohnungen in der ersten Legislaturperiode, der ersatzlosen Abschaffung von Sozialwohnungen und vielem mehr ist die Partei für die gestiegenen Mieten mit verantwortlich. Selbst wenige Tage vor der Wahl wurden von den ausgebluteten öffentlichen Wohnungsgesellschaften 19.000 Mieterhöhungsbriefe verschickt.

Streit um Regierungsbeteiligung

Das Wahlergebnis reiht sich ein in die Serie schlechter Wahlergebnisse bun-desweit. Selbst in Mecklenburg-Vorpom-mern, wo sie wegen der gesunkenen Wahl-

beteiligung prozentual zulegte, hat sie am 4. September über 11.700 Stimmen verloren.

Welche Ursachen haben diese Ergebnisse? Die Berliner Parteiführung versucht, von der Rolle der Regierungsbeteiligung abzulenken und will die Verantwortung für das Wahlergebnis auf die Bundespartei abwälzen. Ihre Absicht ist es, die Personaldebatte über die Parteivorsitzenden Klaus Ernst und Gesine Lötzsch weiterzutreiben. Ihre wirkliche Absicht besteht darin, den Programmentwurf aufzuweichen, um mit weniger striken Formulierungen unter anderem zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr und in Bezug auf die Eigentumsfrage auf Bundesebene „regierungsfähig“ zu werden. Die Linken in der LINKEN müssen die Aufweichung des Programms zurückweisen, im Entwurf schon vorgenommene Verwässerungen ablehnen und das mit einer Diskussion über den Zustand der Partei verbinden.

Dazu ist eine klare Haltung der Linken gegen Regierungsbeteiligung mit pro-kapitalistischen Parteien notwendig. Zum Beispiel sieht die parteiinterne Strömung „Antikapitalistische Linke“ (AKL) in ihrer Wahlanalyse das Problem nur darin, dass es einen Unterschied im „Kurs“ der Partei auf Bundesebene und Landesebene gäbe. Sie sagen, der erfolgreiche Kurs der letzten Bundestagswahlen müsse „unabhängig ob in Regierung oder Opposition“ umgesetzt werden. Statt Illusionen in „bessere“ Regierungsbeteiligungen zu verbreiten, muss beim Bundesparteitag für ein Ende der Regierungsbeteiligungen mit pro-kapitalistischen Parteien wie der SPD gekämpft werden.

Piraten-WählerInnen – nix für uns?

DIE LINKE verlor in Berlin allein 12.000 Stimmen an die Piratenpartei. Aber es ist falsch, daraus einfache Schlüsse zu ziehen, wie Bodo Ramelow, der in Bezug auf DIE LINKE meint, „dass es nichts hilft, ein analoges Programm zu haben, aber digital keine Ahnung zu haben“. Die Piraten wurden aber nicht gewählt, weil sie die neue Web-2.0-Partei sind. Alle etablierten Parteien bis hin zur CDU haben getwittert.

Die Piratenpartei hat so stark zugelegt, weil sie sich von den etablierten Parteien abgehoben hat. Mit deutlich linken Forderungen konnte sie punkten. Statt jetzt Regierungspolitik zu twittern, ist es notwendig, sowohl der „Regierungslinken“ als auch dem Anpassungskurs der Führung von Bundestagsfraktion und Partei an SPD und Grüne und der Fixierung auf Wahlen ein Ende zu machen.

Die Gründe für die Krise der LINKEN sind vielschichtig. Aber eine Reduzierung der Abgeordnetenbezüge auf einen Facharbeiterlohn, die stärkere Orientierung der LINKEN auf außerparlamentarische Bewegungen und Kampagnen zu den wichtigsten sozialen und politischen Themen können ein Anfang sein, sich deutlich von den etablierten Parteien abzuheben und an Unterstützung zu gewinnen.

Antikapitalistische Opposition

Wir brauchen einen grundlegenden Richtungswechsel der Partei, um aus der Krise herauszukommen. Im beschlossenen Leitantrag der LINKEN in Nordrhein-Westfalen heißt es: „DIE LINKE NRW ist als klare antikapitalistische Opposition in den Landtag gewählt worden. Heute mehr denn je brauchen wir eine klare Stimme und konsequente Opposition gegen die unsoziale Kürzungspolitik der anderen Parteien. DIE LINKE NRW steht gegen die Unterordnung unter die von Banken und Konzernen diktierten Sachzwänge und gegen eine Gesamtpolitik, die für die Armen und politisch Machtlosen in der Gesellschaft nur Zynismus übrig hat!“ Auch wenn die Realität der Partei in NRW noch eine andere ist, zeigte der Parteitag vom 10./11. September im Wesentlichen in die richtige Richtung für das Land und die Bundespartei.

Angesichts der sich täglich verschärfenden Krise des Weltkapitalismus ist es zudem um so nötiger, für eine grundlegende Alternative – für eine sozialistische Demokratie – einzutreten. Nur so kann unmissverständlich klar gemacht werden, dass dauerhafte Lösungen für die arbeitende Bevölkerung im Rahmen dieser Wirtschaftsordnung illusorisch sind.

Michael Koschitzki ist Mitglied der SAV-Bundesleitung