CFM-Streik: Wowereit stellt sich ahnungslos

Streikende CFM-KollegInnen konfrontieren Regierenden Bürgermeister – Bericht vom zweiten Streiktag bei der CFM


 

Auch der zweite Tag des Streiks der CFM-KollegInnen begann erfolgversprechend. Aus vielen Bereichen konnten neue Streikende begrüßt werden. Ein Höhepunkt des Tages war eine Veranstaltung am Campus Virchow, wo Klaus Wowereit von streikenden KollegInnen abgefangen und zur Rede gestellt.

von Holger Dröge und Krischan Friesecke, Berlin

Durch den Streik bei der Servicetochter der Berliner Charité werden Dienste wie Hol- und Bringedienste, die Technik und die Sterilisation bestreikt und damit der Betrieb des Krankenhauses gestört.

Eine Kollegin (Name der Redaktion bekannt) aus dem Krankentransport berichtet, dass es teilweise Schwierigkeiten gibt, dass sich Reinigungskräfte an dem Streik beteiligen. Viele von Ihnen haben befristete Veträge und werden massiv unter Druck gesetzt. Für sie ist der Kampf existenziell. Als Alleinerziehende mit zwei Kindern verdient sie bei der CFM gerade mal 17 Euro mehr als ihr laut Hartz-4-Regelsatz im Monat zusteht.Sie wünscht sich, dass die Geschäftsführung endlich aufwacht und einem Tarifvertrag zustimmt. „Wir brauchen keine Aufklärungszettel vom Arbeitgeber, die uns erklären, wie wir richtig zu streiken haben. Wir brauchen endlich einen Tarifvertrag!“

Gleichzeitig solidarisieren sich Beschäftigte aus der Pflege mit dem Streik. Eine Intensivstation am Campus Benjamin Franklin hat zum Beispiel diskutiert wie sie den Streik unterstützen kann und organisiert einen „aktiven Mittagstisch“. Der Vorsitzende der Ver.di-Betriebsgruppe an der Charité, Carsten Becker, sprach auf der Streikdemonstration am Nachmittag zu den Streikenden und versicherte ihnen die Unterstützung der Betriebsgruppe.

KollegInnen aus der Steri am Campus Benjamin Franklin berichten, dass die Stimmung unter den Streikenden gut ist und sie sich nicht unterkriegen lassen wollen. Aus ihrem Bereich beteiligen sich viele MitarbeiterInnen am Streik. Sie berichten, dass die „Gestellten“ (KollegInnen, die bei der CFM arbeiten, aber nach dem besseren Haustarifvertrag der Charité bezahlt werden) sich sehr solidarisch verhalten und sich am Solidaritätsstreik beteiligen.

Der Streik wird sehr aktiv betrieben. Heute fanden Versammlungen der verschiedenen streikenden Bereiche statt auf denen diskutiert wurde, wie der Streik fortgesetzt und ausgeweitet werden kann. Daraufhin wurde auch Gruppen gebildet, die sich vorgenommen haben, direkt diejenigen KollegInnen anzusprechen, die bisher noch nicht den Mut gefasst haben, am Streik teilzunehmen.

Erste Auswirkungen des Streiks machen sich bemerkbar. Zum Beispiel kommt es bei Transporten häufiger zu Zeitverzögerungen von einigen Stunden. Auch scheint der Plan der Geschäftsführung, Leiharbeiter einzusetzen, nicht reibungslos zu funktionieren. Es wurde von Leiharbeitern berichtet, die ohne Einweisung auf Stationen geschickt wurden und nicht wussten, was sie dort überhaupt tun sollten.

Eine Gruppe von Leiharbeitern entpuppte sich als Elektrotechniker, die ohne vom Streik zu wissen an die Charité geschickt wurden. Hier sollten sie aber nicht streikende Techniker ersetzen, sondern in der Reinigung arbeiten, wovon sie natürlich wenig begeistert waren.

Weiterhin versucht die Geschäftsführung KollegInnen einzuschüchtern. Teilweise wurden KollegInnen in der Freizeit angerufen und aufgefordert, am folgenden Tag zur Arbeit zu erscheinen. Zum zweiten Mal während des Streiks wurde am Campus Mitte verschiedenes Streikmaterial offenbar auf Anweisung aus der CFM-Geschäftsführung zerstört, obwohl diese im Gebäude gar nicht das Hausrecht hat. So wurden heute Streikplakate und Infoflugblätter von den Wänden gerissen und entsorgt, am Montag wurde sogar versucht kistenweise Streikmaterial zu stehlen. Ver.di hat Anzeige wegen dieses Vorgehens erstattet.

Hoher Besuch am Campus Virchow

Einen ersten Höhepunkt erlebte der Streik am Dienstag Mittag am Campus Virchow. Mit einem Bus fuhren fünfzig Streikende vom Bettenhochhaus Mitte in den Wedding. Auf einer dort stattfindenden Veranstaltung sollte auch der amtierende Bürgermeiser Klaus Wowereit (SPD) erscheinen. Nachdem Führungspersonal der Charité bereits lautstark empfangen wurde, kam um zwölf Uhr Klaus Wowereit und musste sich den Streikenden stellen. Während des Gespräches versuchte Wowereit von seiner Verantwortung für die Ausgründung der CFM im Jahr 2006 abzulenken und sich aus der Verantwortung zu stehlen. Trotz wiederholter Nachfrage verwies er, zum Teil in sehr arrogantem Tonfall auf die Geschäftsführung der CFM. Er verstieg sich sogar zu der Behauptung, das sich die CFM an das Vergabegesetz halte und dort keine Löhne unter 7,50 Euro gezahlt werden. Diese Behauptung kann für die KollegInnen der CFM nur wie blanker Hohn klingen. Die komplette Rede Wowereits findet sich hier. Verabschiedet wurde Wowereit unter lauten Pfiffen und Buhrufen.

Im Nachmittag sprach die Gesundheitssenatorin und stellvertretende Landesvorsitzende der Partei DIE LINKE, Katrin Lompscher, zu den Streikenden und beteiligte sich für circa 250 Meter an deren Demonstration. Sylvi Krisch, zuständige ver.di-Sekretärin konfrontierte sie mit den katastrophalen Arbeitsbedingungen bei der CFM, wo viele KollegInnen krank zur Arbeit gehen und nicht genug Einkommen zum Leben haben. Lompscher wusste darauf nichts anderes zu sagen, als ihrer Vorrednerin zuzustimmen. Sie drückte ihre Solidarität aus und betonte, DIE LINKE setze sich im Senat für einen höheren Mindestlohn und eine vollständige Wiedereingliederung der CFM in die Charité ein. Das hörten die KollegInnen gerne, viele fragten sich aber, weshalb sie so wenig von der Unterstützung mitbekommen. Lompscher verwies darauf, dass der Senat ja in der Auseinandersetzung keine Entscheidungsgewalt habe … und wusch ihre Hände in Unschuld. Auf Nachfragen von KollegInnen wiederholte sie nur diese Position. Als Sascha Stanicic vom Solidaritätskomitee für die CFM-Beschäftigten darauf hinwies, dass Senat und Geschäftsführungen sich die Verantwortung gegenseitig zuschieben, wenn die Geschäftsführungen von Charité und CFM darauf hinweist, dass der Senat die Vorgabe der „schwarzen Null“ für die Bilanzen der Charité mache und der Senat sich dann als nicht zuständig erklärt, fiel der Senatorin keine passende Antwort ein.

Die Streikenden sind entschlossen und zuversichtlich, brauchen aber weiterhin die Unterstützung anderer GewerkschafterInnen und aus der Bevölkerung. Am morgigen Mittwoch wird es ab 10 Uhr eine Demonstration vom Bettenhaus Mitte zum Roten Rathaus geben. Alle sind aufgefordert, daran teilzunehmen.

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