Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern: Im Nordosten nichts Neues?

Verlierer werden regieren


 

Der Sieger lächelt in die Kameras, die schreibende Zunft titelt „SPD obenauf“. Die Sozialdemokraten feiern sich und ihren neuen Star, Erwin Sellering.

von Torsten Sting, Rostock

Auf den ersten Blick, ist in der Tat die SPD die Gewinnerin der Landtagswahlen vom vergangenen Sonntag in Mecklenburg-Vorpommern (MV). Sie legte von 30,2% auf 35,7% der Stimmen zu. Sie kann jetzt entweder die Große Koalition mit einer geschwächten CDU (- 5,7%) fortsetzen oder die Offerten der LINKEN (+1,6%) annehmen. Unzweifelhafte Gewinner sind die Grünen die erstmals in den Landtag einziehen. Eindeutige Verlierer sind die Liberalen. Nur 2,7% erhielt die kleine Partei des Großen Geldes. Die faschistische NPD konnte – trotz Verlusten – wieder in den Landtag einziehen.

Wahlbeteiligung

Es ist bezeichnend für die bürgerlichen Politiker und Medien, dass sie fast ausschließlich auf die Sitzverteilung der Mandate und die Regierungsbildung schauen. Parlamentswahlen und die Beteiligung an diesen sagt jedoch einiges über den Zustand der Gesellschaft aus. Der Rückgang der Wahlbeteiligung von 59,1 auf nur noch 51,4% entspricht einer Anklage der Verhältnisse in MV. Legt man die Realstimmen zugrunde, gibt es – mit Ausnahme der Grünen – nur Verlierer! Diesen Trend gibt es bundesweit, er ging jedoch in MV weiter als anderswo und das aus guten Gründen. Die Arbeitslosigkeit ist hoch und etwa jeder zweite Beschäftigte malocht im Niedriglohnsektor. Hinzu kommt die allgemeine Frustration über die Bundespolitik.

Klatsche für Merkel

Die Wahl wurde offenkundig auch dafür genutzt, um mit der Regierung in Berlin abzurechnen. CDU und FDP erlitten dramatische Stimmenverluste, die SPD profitiert von deren Schwäche. Für die Grünen hat eine Normalisierung eingesetzt, da MV das einzige Bundesland ist, in dem die Partei bisher noch nicht vertreten war.

Faschisten

Ein Warnsignal an die politische Linke und Arbeiterbewegung ist der Wiedereinzug der Nazis. Immerhin verlor die NPD knapp ein Drittel ihrer Wähler. Offensichtlich ist jedoch, dass es ihr gelungen ist, gerade in den ländlichen Gebieten mit sehr hoher Arbeits – und Perspektivlosigkeit in Vorpommern eine stabile Basis aufzubauen. Eine Lehre ist zudem, dass es den bürgerlichen Moralappellen und Initiativen nicht gelang die Nazis draußen zuhalten. Zu unglaubwürdig sind jene Politiker, welche die Verantwortung für Sozialabbau, Niedriglöhne und Stimmungsmache gegen Muslime tragen. Das die NPD nicht weiter zurück gedrängt werden konnte, hängt zudem mit der angepassten Politik der LINKEN zusammen.

Regierungskurs…

Der Spitzenkandidat der Partei, Helmut Holter, war Arbeitsminister der „rot-roten“ Regierung von 1998 bis 2006. Ein blasser Mann des Apparats wie aus dem Bilderbuch. Sein Lieblingswort ist „pragmatisch“. Damit will er deutlich machen, dass, im klassischen Sinne, sozialdemokratische Politik bei ihm und seinen Getreuen gut aufgehoben ist. Angesichts der globalen Krise des Kapitalismus, der Sinnkrise seiner Protagonisten und der genannten Missstände in MV, ist ein Rückgang der realen Stimmen für eine sich sozialistisch nennende Partei ein mittleres Desaster. Die Führung der LINKEN in MV wusch sich rasch die Hände in Unschuld und verwies auf den „Gegenwind“ der Bundespartei. Das Ergebnis der LINKEN hat sicher mehrere Ursachen. Bundesweit wird die Partei als zerstritten wahrgenommen, wo es weniger um die Sache als um Personalgeschacher und typische Parteiintrigen geht. Die Debatte um die Mauer und den Brief an Castro wurde nicht dazu genutzt um sich vom Stalinismus abzugrenzen. Zudem fehlen radikale Antworten auf die heutige Krise des Kapitalismus. Ganz zu schweigen von der Vision einer sozialistischen Demokratie als konkreter Alternative zum Bankrott der Marktwirtschaft. Der Führungsriege der LINKEN in MV geht die derzeitige „Linie“ der Bundespartei aber schon viel zu sehr nach links. Sie strebt eine Wiederauflage des Bündnisses mit der SPD an. In der Logik dieser Politik wird sie wie damals bereit sein, Verschlechterungen für die Masse der Bevölkerung zuzustimmen mit dem Argument, dass es mit der CDU ja schlimmer komme. Dies ist sicher ein Faktor dafür, dass die LINKE in einer Umfrage der ARD weniger Glaubwürdigkeit als SPD und Grüne aufweist.

…aufhalten

Die Aufgabe des linken Flügels in der LINKEN in MV und bundesweit sollte es sein, diesem Kurs Paroli zu bieten. Eine Regierungsbeteiligung der LINKEN wird – gerade vor dem Hintergrund einer zu erwartenden neuerlichen Rezession – die Partei in Konfrontation mit den Beschäftigten und sozialen Bewegungen bringen. Dies gilt es durch entsprechende Initiativen an der Basis zu verhindern und stattdessen für eine kämpferischen, außerparlamentarischen Kurs einzutreten.

Torsten Sting ist Mitglied der SAV und der Partei DIE LINKE in Rostock.