„Israel, die arabische Revolution und die LINKE“

Bericht von einer Veranstaltung der Göttinger SAV am 12. Juli 2011


 

Mit 16 Teilnehmern war das Streitgespräch der Göttinger SAV vom 12.7. über die sog. Antisemitismuskampagne und ihre politischen Hintergründe – insbesondere für die Ferienzeit – gut besucht. Da mit dem Landtagsabgeordneten Patrick Humke und einigen anderen Gästen erklärte Anhänger der israelischen Regierungspolitik anwesend waren, verlief die Debatte kontrovers, aber sachlich.

von Heino Berg, Göttingen

Nach dem Einleitungsvortrag von Heino Berg für die Göttinger SAV-Ortsgruppe stellte Patrick Humke klar, daß auch seiner Meinung nach die „LINKE“ „nicht strukturell antisemitisch“ sei, wollte aber seine Bemerkung in der überregionalen Presse, daß „antisemitische Stimmen in der Partei „immer lauter würden“, nicht dementieren. Als „Beweis“ dafür zitierte er – neben unbedeutenden Einzelmeinungen – die stellvertretende Parteivorsitzende C. Buchholz, welche die „Hamas als Bestandteil des legitimen palästinensischen Widerstands“ bezeichnet habe. Nachdem SAV-Mitglieder die Hamas und andere islamistische Bewegungen bereits in der Einleitung scharf kritisiert hatten, wandten sie ein, daß solche Feststellungen nicht das geringste mit Antisemitismus, also mit der Diskrimierung von Menschen jüdischen Glaubens zu tun habe. Die entsprechende Kampagne gegen die LINKE sei an den Haaren herbei gezogen. Ihre Unterstützung durch Teile der Parteiführung solle die Partei nur auf die Staatsräson der BRD verpflichten und sie für SPD und Grüne regierungsfähig machen.

Im Verlauf der Debatte zitierte der Landtagsabgeordnete den neuen, für das Parteiprogramm vorgesehenen Passus zur Anerkennung des „Existenzrechts Israels“. Darin heißt es u.a.: „Deutschland hat wegen der beispiellosen Verbrechen der Deutschen an den Jüdinnen und Juden während des deutschen Faschismus eine besondere Verantwortung.“ (Z. 227). Mitglieder der SAV kritisierten die damit verbundene Ideologie einer Kollektivschuld „der Deutschen“ für den Faschismus und den Holocaust. Hitler sei nicht von der Bevölkerung gewählt, sondern vom Kapital und den bürgerlichen Parteien an die Macht gebracht worden, der Arbeiterparteien verboten und brutal unterdrückt habe. Wer die Bevölkerung kollektiv für die Verbrechen von Diktatoren verantwortlich mache, entlaste die wirklichen Schuldigen. Die Verbrechen des Faschismus seien kein Grund, dass Linke in Deutschland nicht mehr auf Menschenrechtsverletzungen durch die israelische Regierung aufmerksam machen und sich an Solidaritätsaktionen – wie der Gaza-Flotte – beteiligen dürften.

Dieser aktuelle Versuch, die völkerrechtswidrige Blockade des Gaza-Streifens zu durchbrechen wurde sehr kontrovers diskutiert. Patrick Humke meinte, daß der Überfall des israelischen Militärs auf die letztjährige Flotte geradezu bewußt provoziert worden sei, um Märtyrer zu schaffen. Dies wurde durch die SAV und andere Teilnehmer als zynisch zurückgewiesen.

Im Schlusswort betonte der Berichterstatter die Bedeutung der Revolution im Nahen Osten, die mit dem Politischen Islam nichts zu tun habe. Sie richte sich auch gegen „islamistische“ Regimes wie das von Saudi-Arabien, das durch die Bundesregierung mit Panzer-Lieferungen gestützt werde. Diese seien – laut Innenminister De Maiziere – mit Israel abgesprochen, was die Rolle der israelischen Regierung als Brückenkopf des Imperialismus und der kapitalistischen Ordnung in dieser Region unterstreiche. Die SAV trete für eine sozialistische Zwei-Staaten-Lösung in Palästina ein, weil auf der Basis der kapitalistischen Ordnung weder ein lebensfähiger Palästinenser-Staat, noch ein friedliches Zusammenleben der Völker und Religionen dort möglich sei.

Trotz der scharfen Kontroversen wurde die Diskussion von allen Anwesenden als wichtig und nützlich betrachtet. Da Maulkörbe und Denkverbote innerhalb der Linken der schwierigen Lage nicht gerecht würden, seien Parteiausschlussverfahren gegen Kritiker der Israelischen Regierung – wie sie neuerdings gegen den Duisburger Hermann Dierkes propagiert werden – strikt abzulehnen.

Der Protest des Göttinger Kreissprecherrates sowie ein dazu – u.a. von SAV-Mitgliedern – vorgelegter Antrag gegen den ersten Beschluss des Bundestagsfraktion zur Antisemitismuskampagne sei zu begrüßen.

Umso bedauerlicher sei der Umstand, daß derselbe Kreissprecherrat für diese Diskussion – immerhin mit dem eigenen Landtagsabgeordneten – weder einen Raum im neuen „Roten Zentrum“ zur Verfügung stellen und noch die Mitglieder über den Termin informieren wollte.