Sozialismustage 2011: Über Klassenkämpfe, Kommune, Kommunismus

300 BesucherInnen bei Kongress der SAV


 

In 20 verschiedenen Veranstaltungen wurde über die Ostertage in Berlin wieder debattiert, wurden Erfahrungen ausgetauscht und vielen jungen Menschen eine Einführung in den Marxismus gegeben. Über 300 BesucherInnen kamen aus dem ganzen Bundesgebiet. Internationale Gäste waren aus Österreich, Griechenland, Irland, England, Italien gekommen.

Bei der Auftaktveranstaltung berichteten Marco Veruggio aus dem Vorstand der italienischen Linkspartei Rifondazione Comunista und der Abgeordnete der irischen Socialist Party und des Vereinigten Linksbündnisses, Joe Higgins, über Auswirkungen der kapitalistischen Krise und den Widerstand dagegen in ihren Ländern. Higgins erklärte, dass die Staatsschuldenkrise in Irland zur Zahlungsunfähigkeit führen wird und legte ein sozialistisches Programm für die Nichtzahlung der Schulden und die Verstaatlichung aller Banken unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung dar.

Claire Laker Mansfield, Sprecherin der Socialist Students in England, machte in einer kämpferischen Rede deutlich, dass sich seit den Studierendenprotesten vom Dezember 2010 und vor allem der Arbeiterdemonstration von über 700.000 am 26. März in Großbritannien alles geändert hat und die Arbeiterklasse wieder die Bühne des Klassenkampfes betreten hat. Von Klassenkampf berichtete auch Stefan Gummert von der ver.di-Betriebsgruppe am Berliner Universitätsklinikum Charité, dessen Beschäftigte für eine Lohnerhöhung von 300 Euro Anfang Mai in den Streik treten werden. Ebenfalls vom alltäglichen Kampf um Arbeiterrechte im Betrieb berichtete Matthias Bender von der Alternative-Betriebsgruppe bei Daimler in Berlin-Marienfelde. Unter tosendem Applaus erklärte er, dass die Gruppe trotz aktueller interner Schwierigkeiten aufgrund der Trennung von dem bisherigen Sprecher der Gruppe, weiter machen wird. Durch den Abend führten Leonie Blume und Simon Aulepp, letzterer ist frisch gewählter Stadtverordneter für DIE LINKE in Kassel und rief zu Spenden für die Arbeit des Komitees für eine Arbeiterinternationale in der arabischen Revolution auf. Den Schlusspunkt am Freitag Abend setzte die SAV-Bundessprecherin Lucy Redler mit einer sowohl feurigen, als auch humorvollen Rede, in der sie von Guttenberg bis zur LINKE-Führung alle Protagonisten der deutschen Politik aufs Korn nahm und zum Kampf für eine sozialistische Alternative zum kapitalistischen Krisenchaos aufrief.

Besonders auffällig war die große Anzahl junger TeilnehmerrInnen bei den Sozialismustagen, was sich auch in der großen Teilnahme bei den Veranstaltungen ausdrückte, die grundlegende Ideen des Marxismus vermittelten. So waren die Workshops zu Themen wie „Was ist eigentlich Kommunismus?“ und „Trotzki und der Trotzkismus“ gut besucht, aber auch die Debatten zur Euro-Krise, zu den Ideen des italienischen Kommunisten Gramsci oder zur Sarrazin-Debatte fanden viele TeilnehmerInnen. Einen praktischen Erfahrungsaustausch junger AktivistInnen gegen die Atomkraft gab es aber auch ebenso, wie eine Debatte zur Frage“Was nachen die Linken in der LINKEN“ bei der neben Lucy Redler das Landesvorstandsmitglied der LINKEN NRW Thies Gleiss und der Mitinitiator der Berliner Appells „Kein weiter so!“ Jens Carlberg sprachen.

Besonderen Zuspruch fand auch ein Vortrag des marxistischen Wirtschafts- und Umweltexperten Winfried Wolf zur Frage der Umsetzbarkeit einer atomfreien Energieversorgung.

Der Höhepunkt des Wochenendes war für viele die Veranstaltung zum 140. Jahrestag der Pariser Kommune, die Gänsehaut-Faktor hatte. Denn es gab nicht nur zwei interessante Vorträge von dem 95-jährigen Kommunisten und Widerstandskämpfer Theodor Bergmann und dem SAV-Bundessprecher Sascha Stanicic, sondern auch Lieder und Texte der Kommune, die unter die Haut gingen. Die Schauspielerin Katharina Wackernagel rezitierte Aufrufe und Dekrete der Kommune, Zeitzeugenberichte und Liedtexte der österreichischen Musikgruppe "Schmetterlinge" und schloss ihren Auftritt mit dem Vers: Tot oder lebendig / wir haben es bewiesen / tot oder lebendig / was nützt es euch zu schießen / das Volk kann selbst regieren / es braucht euch nicht dazu / das war das erste Mal / doch es wird nicht das letzte Mal sein / es wird so oft geschehen / bis wir uns befrei"n. Stehende Ovationen gab es für Blandine Bonjour und Bernd Köhler, die Lieder aus der und über die Kommune vortrugen. Pünktlich zum Jahrestag hatte die SAV ein neues Buch zum Thema veröffentlicht und bei den Sozialismustagen gab es auch eine Ausstellung zu sehen, die die Dresdener SAV erstellt hatte.

Theodor Bergmann rief in seiner Rede dazu auf den Kampf für Sozialismus fortzusetzen und einen langen Atem zu haben. Sascha Stanicic zog den Bogen von 1871 zu den arabischen Revolutionen in 2011 und sagte, die Kommunardinnen und Kommunarden von heute seien die ArbeiterInnen und Massen in Kairo und Tunis, die vor ähnlichen Fragen und Herausforderungen stehen, wie die Pariser Arbeiterschaft zur Zeit der Kommune. Seine Schlussfolgerung war, dass damals wie heute eine starke revolutionäre Organisation mit klarem sozialistischen Programm fehlt, die eine Revolution zum endgültigen Sieg führen kann.

Nach diesem politischen und kulturellen Abend ging es dann mit einem Konzert weiter, bei dem neben Blandine Bonjour und Bernd Köhler, die Münchener Singer/Songwriterin Tamara Banez, der Klassenkampf-Rapper Holger Burner und die Berliner Rockband Stainless Bones auftraten.

Den spannenden Abschluss eines interessanten Wochenendes bildete dann eine Diskussion zur arabischen Revolution, bei der neben dem SAV-Bundesleitungsmitglied Aron Amm, Nabil Rachid von der Palästinensischen Gemeinde in Berlin, Pedram Shayar von ATTAC und David Johnson von der Socialist Party in England und Wales sprachen. Shayar und Johnson haben Kairo in diesem Jahr besucht und konnten von ihren Erfahrungen berichten. In der Debatte wurde nicht zuletzt die Rolle der Arbeiterklasse diskutiert. Shayar rief dazu auf, die Rolle der betrieblichen Kämpfe nicht zu überschätzen, während Aron Amm und David Johnson darlegten, dass die Arbeiterklasse auch in Ägypten und Tunesien eine entscheidende Rolle gespielt hat und vor allem spielen muss, wenn die revolutionären Prozesse tatsächlich zu wirklicher Demokratie und sozialer Gerechtigkeit führen sollen. Nabil Rachid wies in seinen Beiträgen die westliche Intervention in Libyen zurück und erklärte, dass den Imperialisten keinerlei Vertrauen entgegen gebracht werden kann.

Die Sozialismustage waren einmal mehr ein Erfolg. Das wachsende Interesse an marxistischen Ideen drückte sich auch darin aus, dass viele BesucherInnen erklärten, mit der SAV die Diskussion fortsetzen zu wollen, zwei direkt in die SAV eintraten und für über 3.000 Euro Broschüren und Bücher verkauft wurden, 1.000 Euro mehr als im letzten Jahr.

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