Mehr, weniger oder gar keine Kürzungen?

Zur Haushaltsdebatte in NRW


 

Der Haushaltsentwurf von Rot-Grün umfasst Ausgaben von 56 Milliarden Euro; das Investitionsvolumen beträgt 3,8 Milliarden, die Nettoneuverschuldung soll bei 7,1 Milliarden Euro liegen. Bei der Sitzverteilung im Düsseldorfer Landtag – 90 Sitze für SPD und Grüne, 80 für CDU und FDP – geben die elf Sitze der LINKEN den Ausschlag.

von Angela Banckert, Referentin der Fraktion DIE LINKE im Landtag NRW

DIE LINKE von Nordrhein-Westfalen hält die bekannten „roten Haltelinien“ hoch: kein Personalabbau, kein Stellenabbau, keine Privatisierung. Der jetzt vorliegende Entwurf des Haushalts 2011 sieht zumindest keine Privatisierungen oder Personalabbau vor. Es sind allerdings durchaus Streichungen enthalten (so bei der Wohnungsbauförderung).

DIE LINKE hat Änderungs- beziehungsweise Ergänzungsanträge im Volumen von mehr als zwei Milliarden Euro erarbeitet, die mehr Mittel vor allem für die Bereiche Kommunales, Bildung, Sozialticket und Kinderbetreuung beinhalten.

Verfassungsgerichtsurteil

Die Haushaltsdebatte vollzieht sich vor dem Hintergrund des jüngsten Urteils des Landesverfassungsgerichts von NRW. Darin ist der Nachtragshaushalt 2010 für verfassungswidrig erklärt worden: Kreditaufnahmen zur Rücklagenbildung für die WestLB wurden ebenso kritisiert wie die Feststellung einer „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“, die eine Schuldenaufnahme oberhalb der Investitionsausgaben ermöglicht.

Mit dem Urteil werden nicht nur die Rechte des Parlaments eingeschränkt, vielmehr sollen außerdem neoliberale Haltelinien festgezurrt werden. Die Richter schwingen sich nicht nur zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Lage auf, sondern auch zur Oberaufsicht über politische Schwerpunktsetzungen des Landes. Sollte die Landesregierung diese juristische Fesselung widerstandslos hinnehmen, wird sie kaum umhin kommen, in den Entwurf zum Haushalt 2011 drastische Kürzungen einzubauen, in Höhe von bis zu 3,3 Milliarden Euro.

Können Linke einem Haushalt zustimmen?

Beim Nachtragshaushalt 2010 hatte sich DIE LINKE enthalten. Begründet wurde das damit, dass es – neben Rücklagen für die WestLB – überwiegend um Mehrausgaben ging, insbesondere für Kommunen, aber auch zur Einrichtung neuer Stellen wie im Lehrerbereich.

Bei einem Gesamthaushalt sieht die Sache anders aus. Der Haushalt einer bürgerlichen Regierung auf Landes- oder Bundesebene ist immer

* die in Zahlen gegossene Politik einer Regierung

* das Resultat politischer Entscheidungen der Vorjahre (er fußt also auf den vorherigen neoliberalen Maßnahmen)

* die finanztechnische Bestätigung bestehender Verwaltungsstrukturen samt solcher Betriebe wie des gerade in zahlreiche Affären verstrickten Bau- und Liegenschaftsbetriebs, von versteckten Subventionen für Private oder Mietzahlungen an outgesourcte Bereiche

* die haushalterische Bestätigung der Personalpolitik der letzten Jahre inklusive Stellenabbau, unbezahlte Praktikanten, Leiharbeit, Überstunden, schlechte Bezahlung

* die Finanzierung des Staatsapparates in der bestehenden Form, einschließlich Justiz, Polizei, Abschiebknäste, Verfassungsschutz.

Für all dies würde man die Mitverantwortung übernehmen. Die Unterstützung von einem Haushalt ist auch eine Vertrauenserklärung an die Regierung, die ihn vorlegt. Selbst aus bürgerlich-parlamentarischer Sicht besteht daher die oppositionelle Gepflogenheit, die Haushaltsdebatte zur Generaldebatte zu machen und den Haushalt abzulehnen. Umso mehr verbietet sich für eine antikapitalistische, sozialistische Opposition die politische Unterstützung eines solchen Haushalts. Denn sie würde sich in Mithaftung begeben für Ausgaben, Umstände und Strukturen, für die sie keine Verantwortung hat und die sie ablehnt.

Selbst wenn es das Verfassungsgerichtsurteil nicht geben würde, selbst wenn die Landesregierung die von der LINKEN beantragten Mehrausgaben von zwei Milliarden Euro einbauen würde, wird der Gesamthaushalt dadurch nicht zustimmungsfähig, weil diese Zusatzausgaben an den Gesamtstrukturen und -verhältnissen wenig ändern.

Wie weiter?

Das hindert keine Opposition daran, in den Ausschüssen und während der Haushaltsberatungen zäh um kleinere oder auch größere Verbesserungen zu ringen. Diese Aufgabe haben Linke auch dann, wenn sie den Gesamthaushalt ablehnen.

Da die Landesregierung sich aller Voraussicht nach dem Verfassungsgerichtsurteil zumindest teilweise beugen wird, wird es mit dem Nachtrag zum Haushalt 2010 Kürzungen geben, so dass für DIE LINKE auch eine Enthaltung unmöglich wird. Ein Scheitern des Haushalts würde vermutlich zu Neuwahlen führen.

Hier stellt sich die taktische Frage, ob DIE LINKE die Regierung zu diesem Zeitpunkt über die Haushaltsfrage stürzen sollte. Welche Folgen hätte dies für das gesellschaftliche Kräfteverhältnis? Wäre es für Beschäftige, Erwerbslose, Jugendliche nachvollziehbar? Wenn dadurch das Risiko besteht, dass wieder eine CDU-geführte Regierung oder Große Koalition ans Ruder kommt? Oder dass es keine linke Stimme mehr im Parlament gibt?

Diese Frage sollte DIE LINKE breit erörtern. Es ist eine Einschätzungsfrage. Sollte man zu dem Schluss kommen, dass dies taktisch ein Fehler wäre, dann muss man dies offen erklären: „Wir lehnen den Haushalt ab, aber wir lassen ihn passieren, weil wir den Sturz der Regierung unter den jetzigen Umständen für taktisch falsch halten.“ Das wäre eine Argumentation mit offenem Visier.

DIE LINKE hat auch immer einen Aufklärungsauftrag und sollte nicht zur Verkleisterung der Verhältnisse und der Hirne beitragen. Nötig ist es, zu vermitteln, dass in der Gesellschaft fundamentale Interessengegensätze existieren und die arbeitende Bevölkerung der Profitlogik und den daraus resultierenden kapitalistischen „Sachzwängen“ eine Absage erteilen muss.