Gegen die westliche Militärintervention in Libyen

Ein Sieg der Revolution ist mit Sarkozy und Obama nicht möglich – für den Aufbau einer unabhängigen Bewegung der ArbeiterInnen und der Jugend!


 

Eine Allianz imperialistischer Staaten fliegt seit zwei Tagen Bombenangriffe auf Libyen. Sie setzt damit die UNO-Resolution 1973 durch, die eine Flugverbotszone fordert und „alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung“ legitimiert.

Teil der libyschen Aufständischen in Bengasi haben diese Entscheidung der UNO begrüßt, in der Hoffnung dadurch ihren Zielen von Freiheit und demokratischen Rechten einen Schritt näher zu kommen und ein Niederschlagen des Aufstands durch Gaddafis Truppen zu verhindern.

Auch in der politischen Linken gibt es unterschiedliche Auffassungen zur Flugverbotszone. Während zum Beispiel der Deutsche Friedensrat die Luftangriffe auf Libyen als Kriegshandlung ablehnt, ist der mit dem sich als trotzkistisch verstehenden Vereinigten Sekretariat der Vierten Internationale ( zu dem in Deutschland die Organisationen isl und RSB gehören) verbundene libanesische Wissenschaftler und Autor Gilbert Achcar für die Flugverbotszone eingetreten.

Wie veröffentlichen hier eine Zusammenfassung eines Artikels von Robert Bechert (Mitglied des Internationalen Sekretariats des Komitees für eine Arbeiterinternationale) vom 18. März 2011, der erklärt, warum MarxistInnen die Flugverbotszone und die westliche Intervention ablehnen. Tatsächlich ist das westliche Eingreifen in Libyen ein Versuch der imperialistischen Staaten, die revolutionäre Welle in Arabien unter Kontrolle zu bekommen und dadurch gleichzeitig innenpolitisches Prestige zu gewinnen.

Nein zur Militärintervention des Westen!

Die Mehrheitsentscheidung des UNO-Sicherheitsrats eine Flugverbotszone gegen Libyen militärisch durchzusetzen, hat nicht das Ziel die libysche Revolution zu verteidigen, auch wenn die Entscheidung auf den Straßen von Bengasi und Tobruk mit Freude aufgenommen wurde. Revolutionäre in Libyen irren sich, wenn sie glauben, dass ihnen diese Entscheidung helfen wird. Hinter dieser Entscheidung der imperialistischen Mächte stehen ausschließlich ihre eigenen politischen und wirtschaftlichen Überlegungen. Es ist keine Rettungsleine, die die Revolution vor Gaddafi „retten“ könnte. Die wichtigen imperialistischen Mächte haben sich nun entschieden, die Revolution auszunutzen, um Gaddafi durch ein Regime zu ersetzen, auf das sie sich besser verlassen können. (…)

Das Vorrücken der Truppen Gaddafis nach Osten haben unter vielen Menschen in dieser Region, die Idee aufkommen lassen, dass eine Flugverbotszone diesen Vormarsch aufhalten könnte. Aber das ist nicht der Weg, auf dem die Revolution verteidigt und ausgedehnt werden kann. Leider basierte das ursprüngliche Vorrücken der Revolution in den Westen des Landes, wo zwei Drittel der Bevölkerung leben, nicht auf demokratischen Volkskomitees, die ein klares Programm hätten vertreten können, um die Unterstützung der Massen und der einfachen Soldaten für ihren revolutionären Krieg zu gewinnen. Das gab Gaddafi die Gelegenheit seine Kräfte wieder zu sammeln.

Die wachsende Unterstützung für eine Flugverbotszone war eine Abkehr von der Stimmung, die im Februar auf einem englischsprachigen Poster in Bengasi zum Ausdruck kam: „Nein zu einer ausländischen Intervention – die Libyer können es selber tun!“ Dies war eine Folge der wundervollen Beispiele aus Tunesien und Ägypten, wo die Massenaktionen den totalitären Regimes komplett den Boden entzogen hatten. Die libyschen Massen waren zuversichtlich, dass sie den Sieg davon tragen würden. Aber Gaddafi gelang es, in Tripoli die Kontrolle zurück zu erlangen. Diese zumindest relative Stabilisierung und seine Gegenoffensive änderte die Haltung bei vielen zu einer westlichen Intervention. Das wiederum gab der weitgehend westlich orientierten Führung des „ Nationalen Übergangsrats“ der Rebellen die Möglichkeit die Opposition der Jugend in dieser Frage zu überwinden und direkt nach westlicher Hilfe zu fragen.

Jedoch war es überhaupt nicht sicher, dass die relativ schwachen bewaffneten Kräfte Gaddafis einen Sturmangriff auf Bengasi hätten durchführen können. Bengasi ist Libyens zweitgrößte Stadt mit einer Million EinwohnerInnen in der Umgebung. Ein massenhafter Widerstand hätte Gaddafis Angriff widerstehen können. (…)

Was auch immer die unmittelbare Folge der Flugverbotszone sein wird: wenn man der UNO oder den imperialistischen Mächten vertraut, werden die ursprünglichen Hoffnungen und Ziele der Revolution untergraben. Das ist so, weil diese Mächte keine Freunde der libyschen Massen sind. Bis vor kurzem waren diese noch glücklich damit, mit dem Gaddafi Regime Geschäfte zu machen und haben eine "Partnerschaft" aufrecht erhalten, die vor allem Libyens Öl- und Gasindustrie betraf. (…)

Nachdem sie nun ihre früheren Diktator-Partner Mubarak und Ben Ali verloren haben, versuchen sie nun einen Nutzen aus dem Volksaufstand in Libyen zu ziehen – mit dem Ziel sowohl ihr „demokratisches“ Image wieder aufzupolieren, als auch ein verlässlicheres Regime zu installieren. Denn Nordafrika und der Nahe Osten sind mit den Ölvorkommen und aufgrund der strategiscchen Lage von enormer Bedeutung für die imperialistischen Mächte.

All das zeigt die absolute Heuchelei der wichtigsten imperialistischen Mächte, die über Jahrzehnte schamlos diktatorische Regimes im Nahen und Mittleren Osten unterstützt haben. Zum selben Zeitpunkt, als sie die Flugverbotszone beschlossen, taten sie absolut nichts gegen die brutale Unterdrückung der Bevölkerung in Bahrain durch unter anderem Truppen aus Saudi-Arabien. Zwölf Stunden nach der Verabschiedung der UN-Resolution erschoss ein weiterer Verbündeter des Westens, der Jemen, 39 Demonstranten in der Hauptstadt Sanaa. Die UNO konnte ihre Entscheidung nur treffen, weil die Arabische Liga die Flugverbotszone unterstützte, aber diese vorwiegend reaktionären Herrscher schweigen zu der Unterdrückung in Bahrain, Jemen und anderen arabischen Staaten.

Gaddafis Zick-Zacks

Obwohl es in den letzten Jahren eine Annäherung zwischen Gaddafi und den imperialistischen Mächte gab, war er immer ein unzuverlässiger Verbündeter. In den 42 Jahren seiner Herrschaft vollzog er viele Zick-Zacks. Nachdem er 1971 dem sudanesischen Diktator Numeiri bei der Niederschlagung der Linken half, rief es sechs Jahre später eine "Volksrevolution" aus und änderte den offiziellen Namen des Landes in von Libyscher Arabischer Republik in Große Sozialistische Libysch-Arabische Jamahiriyah (Staat der Massen). Doch das Land war keine wirkliche sozialistische Demokratie und bewegte sich auch nicht in diese Richtung. Gaddafi behielt die Kontrolle über das Land, was durch die zunehmend wichtige Rolle seiner Kinder im Regime zum Ausdruck kam.

Aber seit 1969 hat es, vor allem aufgrund des Ölverkaufs und der Tatsache, dass Libyen eine relative kleine Bevölkerung hat, Fortschritte im Lebensstandard für die meisten LibyerInnen gegeben, was zumindest teilweise erklärt, warum Gaddafi immer noch eine gewisse Basis in einem Teil der Bevölkerung hat. Während es einerseits vor allem in der jungen und gebildeten Bevölkerung wachsende Opposition gegen Gaddafi gibt, so gibt es auch Sorgen darüber, wer ihn ersetzen könnte und Angst vor allem, was nach ausländischer Herrschaft riecht. Die Verwendung der alten monarchistischen Flagge durch die Revolutionäre musste vor diesem Hintergrund diejenigen abstoßen, die kein Zurück in die Vergangenheit wollen. Gaddafi konnte das wiederum zur Rechtfertigung seiner Herrschaft ausnutzen. Die alte Flagge entfremdete auch Teile der Bevölkerung in West-Libyen, da der alte König aus dem Osten kam und keine historischen Wurzeln in der Gegend um Tripoli hatte.

Aber diese Faktoren reichen nicht als Erklärung, warum Gaddafi, zumindest zeitweise, in der Lage war, seine Position im Westen des Landes, wo zwei Drittel der Bevölkerung leben, zu stabilisieren, obwohl es auch hier Proteste und Aufstände gab.

Rolle der Arbeiterklasse

Anders als in Ägypten und Tunesien hat die Arbeiterklasse Libyens noch nicht begonnen, eine unabhängige Rolle in der Revolution zu spielen. Hinzu kommt, dass viele ArbeiterInnen in Libyen MigrantInnen sind, die das Land in den letzten Wochen fluchtartig verlassen haben.

Das fehlen eines nationalen politischen Bezugspunktes, wie dies in Tunesien die Gewerkschaft UGTT (trotz der Verbindungen ihrer Führung zum Ben Ali-Regime) war, hat die Lage in Libyen verkompliziert. Der enorme revolutionäre Enthusiasmus der Massen konnte bisher keinen organisierten Ausdruck finden. Der „Nationalrat“, der sich weitgehend selbst ernannt hat, ist ein Zusammenschluss von ehemaligen Kräften aus dem Gaddafi-Regime und eher pro-imperialistischen Elementen. (…)

Es ist einfach für Gaddafi, diese Leute als eine Bedrohung für den Lebensstandrad in Libyen und als Agenten fremder Mächte darzustellen. Gleichzeitig kann diese Propaganda nur eine begrenzte Wirkung haben, da die Arbeitslosigkeit gewachsen und der Lebensstandard gefallen ist.

Gaddafis Warnung vor einer imperialistischen Intervention hat ihm einige Unterstützung gebracht und das könnte bei einer Teilung des Landes weiter zunehmen. Wie lange er sich halten kann, ist eine andere Frage. Neben seiner anti-imperialistischen Rhetorik, hat Gaddafi einige Zugeständnisse gemacht. Jede Familie hat 450 US-Dollar erhalten. Einige Beschäftigte des öffentlichen Dienstes haben Lohnerhöhungen von 150 Prozent bekommen und einige Steuern auf Lebensmittel wurden abgeschafft. Aber solche Maßnahmen sind keine Antwort auf die Forderungen nach Freiheit und auch nicht auf den Frust der jungen Bevölkerung – das Durchschnittsalter liegt bei 24 Jahren – über Korruption und die erstickende Atmosphäre.

Auf der ganzen Welt sind Millionen begeistert von den Revolutionen in Nordafrika und dem Nahen Osten. Die Ereignisse haben Proteste gegen die Auswirkungen der fortschreitenden kapitalistischen Krise ausgelöst. Einige UnterstützerInnen der Revolutionen mögen die Flugverbotszone unterstützen, aber SozialistInnen argumentieren, dass diese vor allem den Interessen der imperialistischen Mächte dient – den Mächten , die nichts tun, um die Unterdrückung der Bevölkerung in den Golfstaaten zu verhindern.

Aber was kann getan werden, um der libyschen Revolution zu helfen? Erstens sollten die Gewerkschaften den Export von libyschem Öl und Gas blockieren. Zweitens sollten Bankangestellte die Konten des Gaddafi-Regimes einfrieren.

Die Flugverbotszone wird nicht automatisch zum Sturz von Gaddafi führen. Tatsächlich ist es möglich, dass der libysche Führer dadurch, wie Saddam Hussein, seine Position für eine Zeit, in den von ihm kontrollierten Gebieten, stärken kann. Wie Tunesien und Ägypten gezeigt haben, liegt der Schlüssel zum Sturz von Diktaturen in der Bewegung der arbeitenden Massen und der Jugend.

Ein revolutionäres Programm

Das Schicksal der Revolution wird in Libyen selber entschieden. Der Sieg der Revolution ist nur auf der Basis eines Programms möglich, das die regionalen und stammesbedingten Spaltungen überwinden kann und die Masse der Bevölkerung gegen Gaddafi und im Kampf für eine bessere Zukunft vereinen kann.

Ein solches Programm für die libysche Revolution, das den Massen tatsächlich Verbesserungen bringen würde, muss auf dem Kampf für wirkliche demokratische Rechte basieren, das Ende von Korruption und Privilegien fordern, die Sicherung und Weiterentwicklung der sozialen Errungenschaften seit der Entdeckung des Öls einfordern, Opposition gegen jede Form einer Re-Kolonialisierung aussprechen und sich für einen demokratisch kontrollierten Wirtschaftsplan auf der Basis von öffentlichem Eigentum an der Wirtschaft aussprechen, der die Ressourcen des Landes im Interesse der Masse der Bevölkerung nutzen kann.

Die Schaffung einer unabhängigen Bewegung des libyschen ArbeiterInnen, Armen und der Jugend, die eine solche wirklich revolutionäre Veränderung des Landes umsetzen kann, ist der einzige Weg, die imperialistischen Pläne zu vereiteln, die Diktatur zu beenden und das Leben der Menschen zu verändern.