Gestatten: Von und zu Plagiat

Der Verteidigungsminister steht wegen einer abgekupferten Doktorarbeit unter Druck.


 

Er ist der Strahlemann der Berliner Republik. Der Farbtupfer in einer grauen Politlandschaft und Liebling der Springer-Presse. Die Rede ist von Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg.

von Torsten Sting, Rostock

Wurzeln

Der Mann entstammt einem stolzen, fränkischen Adelsgeschlecht und ist, egal ob im Bundestag oder an der Front am Hindukusch, immer top gestylt. Politik hat Tradition Im Hause Guttenberg, sein Großvater war Staatssekretär zwischen 1967 und 1969. Die holde Gattin – ebenfalls einem edlen Hause entsprungen – steht ihm in nichts nach. Stephanie Gräfin von Bismarck-Schönhausen ist die Urenkelin Otto von Bismarcks, dem „Eisernen Kanzler“ und entschiedenen Gegner der Arbeiterbewegung. Das traute Heim wird durch zwei Nachkommen und eine Burg abgerundet. Für den Boulevard ein Traum. Wie die Geburtsumstände es wollten, wurde „KT“ wie Parteifreunde ihn liebevoll kosen, mit dem goldenen Löffel im Mund geboren. Laut SPIEGEL (11/2009) wird das Familienvermögen des feschen Freiherrn auf ca. 600 Millionen Euro geschätzt. Sie gehören damit zu den 300 reichsten Familien bzw. Personen Deutschlands. Als Mitglied der CSU vertritt er ihren konservativen Kurs und die damit verbundenen Angriffe auf den Lebensstandard der Bevölkerungsmehrheit. Als Verteidigungsminister steht er wie kein anderer für den Krieg in Afghanistan.

Popularität

Warum in aller Welt, steht nun dieser Klasse(n)politiker des Geldadels unangefochten an der Spitze der Beliebtheitsskala? Viele sehen in ihm eine willkommene Abwechslung zu den austauschbaren Figuren der etablierten Parteien. Guttenberg ist rhetorisch begabt und mit einem Talent für Selbstinszenierung ausgestattet. Er konnte bisher den Eindruck erwecken, dass er ein „anderer“ Politiker sei: Jünger und glaubwürdiger. „KT“ war das erste Regierungsmitglied, welches den Krieg am Afghanistan auch beim Namen nannte. Das brachte ihm Pluspunkte. Undenkbar wären die Höhen seiner Popularität aber ohne die massive Unterstützung durch die meisten Medien, insbesondere die „Bild“. Springers Kampfblatt lässt keine Gelegenheit aus um den Franken über den grünen Klee zu loben. Wie sich aber noch zeigen wird, ist dies eine sehr oberflächliche Unterstützung durch die Masse der Menschen. Im Gegensatz zu prägenden und populären, politischen Figuren der Nachkriegszeit wie Brandt oder Strauß, basiert sie nicht auf einem stabilen Fundament. Im Gegenteil: Seine Politik steht im Widerspruch zu den Interessen seiner (bisherigen) Unterstützer.

Alles Plagiat, oder was?

Nachdem der Minister schon im Januar aufgrund verschiedener Affären unter massiven Druck geriet, kam er nun von gänzlich unerwarteter Stelle in die Bredouille. Findige Leser hatten seine Doktorarbeit unter die Lupe genommen und kamen zu einem erstaunlichen Ergebnis. Auffällig viele Textpassagen waren anderen Artikeln oder wissenschaftlichen Arbeiten „entliehen“, ohne dass dies kenntlich gemacht wurde. Die FAZ –bisher Teil des „KT“ Fanclubs“- stellte in ihrer Ausgabe vom 22. Februar schockiert fest: „Auf siebzig Prozent aller Seiten der Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg finden sich Plagiate“. Die Beweislast ist erdrückend, wie dies verschiedenen websites (z.B. http://de.guttenplag.wikia.com) entnommen werden kann.

Bedeutung

Viele arbeitende und erwerbslose Menschen in Deutschland fragen sich dieser Tage: „Meine Güte, haben wir denn keine anderen Probleme?!“ Die Frage ist –gerade angesichts historischer Umstürze im arabischen Raum und drängender sozialer Probleme hierzulande – mehr als berechtigt und mit „Ja“ zu beantworten. Dennoch: In diesem Land ist es normal geworden, dass ArbeiterInnen wegen vermeindlichem Diebstahl eines Pfandbons oder dem Verzehren einer Maultasche, trotz jahrzehntelanger Betriebszugehörigkeit gefeuert werden und sich ihr Recht erkämpfen müssen. Zudem: Jede Schülerin und jeder Student bekommt massiven Ärger – bis hin zum Ausschluss aus der Uni – wenn sie oder er beim Abschreiben erwischt wird. Warum soll ein privilegierter Typ wie Guttenberg ungeschoren davon kommen? Er hat nicht nur abgekupfert sondern auch höchst wahrscheinlich einen Großteil seiner Arbeit nicht selber geschrieben. Als Mitglied des Bundestages hat er sich der Zuarbeit von etlichen Mitarbeitern des „hohen Hauses“ bedient. Was bitte schön ist das, wenn nicht Betrug?!

Mit seiner Entscheidung, auf den Doktortitel gänzlich zu verzichten, ist der Verteidigungsminister seinen Kritikern entgegengekommen und versucht nun seine Haut zu retten. Trotzdem ist der Adelige angeschlagen. Es sollte die Aufgabe der Partei Die LINKE sein, die Situation zu nutzen um klarzustellen, welchen Klasseninteressen Guttenberg verpflichtet ist und seine Politik noch massiver zu bekämpfen.