Kopftuchverbot ist Ausgrenzung

Nein zu jeder Form von Frauendiskriminierung!


 

Im ersten Teil unserer Artikel-Serie zur sogenannten „Integrationsdebatte“ betrachtet Sascha Stanicic, SAV-Bundessprecher und Autor des in diesem Monat erscheinenden Buchs „Anti-Sarrazin“, die Debatte um das Kopftuch.

Nachdem in verschiedenen Bundesländern ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen eingeführt wurde, wird nun verstärkt ein solches Verbot auch für Schülerinnen gefordert. Das wird dann als Maßnahme gegen Frauendiskriminierung präsentiert. Tatsächlich steckt jedoch hinter dieser Forderung antimuslimischer Rassismus und sie führt zu keiner Verbesserung der Lebenssituation von Migrantinnen.

Haltung von Verbotsbefürwortern

Für Thilo Sarrazin drückt das Tragen des Kopftuchs niemals nur Religiosität aus, sondern er sieht es als „Zeichen dafür, dass der Islam eine gesellschaftspolitische Dimension jenseits der Religion hat“ und als Bekenntnis zu „einer traditionellen Interpretation des Islam“. Pauschal setzt er es auch mit einer Anerkennung der Unterordnung der Frau unter den Mann gleich. Alice Schwarzer geht weiter und vergleicht das Kopftuch mit dem Judenstern und rückt jede Kopftuch tragende Frau in die fundamentalistische Ecke.

Die Argumente der Verbotsbefürworter zeichnen sich durch Pauschalisierungen aus. Die Logik ist: Entweder werden Frauen zum Tragen des Kopftuchs gezwungen oder sie sind fundamentalistische Muslima. Damit ist die Forderung nach einem Kopftuchverbot Teil der Diskriminierung und Ausgrenzung der muslimischen Bevölkerung. Sarrazin sagt in seinem Buch unverblümt, er wolle nicht, dass die Frauen in Deutschland ein Kopftuch tragen. Hier wird deutlich, dass diejenigen bürgerlichen Politiker, die von Integration sprechen, in Wirklichkeit Anpassung an eine deutsch-christliche Kultur und Assimilierung meinen.

Tragen des Kopftuchs hat verschiedene Motive

Die Motivation, das Kopftuch anzulegen, ist aber vielfältig. Während es zweifellos Frauen gibt, die durch Väter oder Ehemänner dazu gezwungen werden, ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl von ihnen diese Entscheidung freiwillig getroffen hat – wobei Freiwilligkeit nicht absolut zu verstehen ist, da sie im Rahmen von gesellschaftlichen Normen, Traditionen und mehr oder weniger direkt geäußerten Erwartungshaltungen im sozialen Umfeld stattfindet. Aber die Entscheidung von deutschen oder christlichen Frauen, sich die Beine zu rasieren oder Diäten durchzuführen, um im Bikini eine „gute Figur“ zu machen, basieren auf einer ähnlich relativen Freiwilligkeit.

Für viele Muslima ist das Kopftuch nicht nur ein Zeichen ihrer Religiosität, sondern ein Symbol kultureller Identität, nicht selten auch für eine Abgrenzung von einer Gesellschaft, die sie als rassistisch und sexistisch wahrnehmen. Es ist für viele ein Mittel, Selbstbewusstsein als Migrantinnen zum Ausdruck zu bringen. Das Bild der Kopftuch tragenden Frau als unterdrückte und unselbstständige Muslima könnte falscher nicht sein. Gerade unter den gebildeteren Muslima ist das Kopftuch weiter verbreitet. 71 Prozent der muslimischen Kopftuchträgerinnen ist es wichtig, in ihrem Leben etwas zu erreichen. Das gilt nur für 35 Prozent der nichtmuslimischen deutschen Frauen.

Natürlich ist das Kopftuch auch ein Symbol für eine männerdominierte Religionsgemeinschaft und die Ablehnung des Kopftuchs durch viele Frauen aus muslimischen Ländern ist gerechtfertigt. Aber gegen das Kopftuch zu sein, bedeutet nicht automatisch, für ein Verbot einzutreten, so wie gegen das Kopftuchverbot zu sein auch nicht bedeutet, das Kopftuch in dieser Symbolik zu unterstützen. Niemand fordert das Verbot der Lederhose, weil sie als Symbol für reaktionäre Deutschtümelei oder bayrischen Separatismus interpretiert werden kann.

Position von SozialistInnen

Die SAV ist gegen das Kopftuchverbot, egal wo. Wir sind für das Recht eines jeden Menschen, selber zu bestimmen, was er oder sie für eine Kleidung trägt. Das bedeutet auch, dass wir aktiv gegen den Zwang, das Kopftuch zu tragen, eintreten und Frauen dabei helfen, sich gegen entsprechende Zwänge zu organisieren und zu wehren.

Wenn immer mehr junge Muslima das Kopftuch anlegen, ist das vor allem Ausdruck davon, dass es keine starke linke Bewegung gibt, die ihnen einen Lebensrahmen jenseits der alltäglichen Diskriminierung und eine Perspektive im Kampf gegen Rassismus, Armut und Frauenunterdrückung bietet. Das gilt auch generell für die Zunahme von Religiosität und die wachsende Unterstützung für den rechten politischen Islam. Eine solche Linke aufzubauen ist das beste Mittel, um tatsächliche Gleichheit zwischen den Geschlechtern zu erreichen und den rechten politischen Islam zurück zu drängen.

Hilfe für diskriminierte Frauen muss anders aussehen. Ein Kopftuchverbot würde diejenigen Frauen, die zum Tragen desselben gezwungen werden, ohnehin nur weiter von der Gesellschaft isolieren. Die Frauen, die es freiwillig tragen, wären durch ein Verbot nur von ihrer Freiheit befreit, also unterdrückt und diskriminiert. Frauen, die tatsächlich häuslicher Gewalt, Zwang und Unterdrückung ausgesetzt sind, brauchen vor allem gut bezahlte Arbeitsplätze, um wirtschaftlich selbstständig zu sein und ausreichende Angebote an Beratungsstellen und Frauenhäusern, in denen die Betreuung auch in türkischer und arabischer Sprache stattfindet.