Im Juni 2009 war die Friedhofsruhe vorbei, die IranerInnen gingen trotz der Repression und ihrer Angst in Massen auf die Straße. Die militante Gegenwehr am Aschura-Fest Ende Dezember zeigt, dass die Diktatur am Anfang vom Ende steht. Der Prozess der iranischen Revolution hat am 13. Juni 2009 begonnen. Dass die Proteste am 11. Februar 2010, dem Jahrestag des Schah-Sturzes, schwächer waren und das Regime Zehntausende seiner Anhänger mobilisieren konnte, weist allerdings darauf hin, dass dieser Prozess kompliziert und in die Länge gezogen verlaufen kann.
Das System Khamenei-Ahmadinedschad ist angeschlagen, hängt aber nicht in der Luft wie das des Schah Ende 1978, dessen einzige Stütze die Folterschergen des SAVAK waren. Die soziale Basis des klerikalen Regimes ist noch nicht vollständig erodiert. Der Schah stürzte, als die starke iranische Arbeiterklasse in den Streik trat. An der aktuellen Bewegung haben sich Tausende ArbeiterInnen beteiligt, allerdings nicht in ihrer Funktion als ArbeiterInnen. Sie haben sich – nach Feierabend – an den vielfältigen Protesten beteiligt, wie auch die Studierenden, die Mittelschichten und die städtischen Armen, ohne die entscheidenden Kampfmethoden der Arbeiterklasse – Streiks und Betriebsbesetzungen– gegen das Regime einzusetzen. Insofern steht die Bewegung am Anfang, auch wenn sich das Tempo der Ereignisse schnell steigern kann.
Die iranischen Frauen spielen bei den Protesten eine noch auffälligere Rolle als 1978/79. Alle Berichte weisen darauf hin, dass die Frauen sich in die vordersten Reihen begeben, mutiger sind, den Schergen des Regimes entgegen treten. Bilder von jungen Frauen, vom Kopftuch befreit, das Gesicht vermummt, mit Steinen in der Hand, sind um die Welt gegangen. Die iranischen Frauen haben dreißig Jahre lang die Hauptlast der Unterdrückung getragen. Sie wurden diskriminiert und gedemütigt. Aber sie sind gut ausgebildet, stellen die Mehrheit der Studierenden, sie haben ein starkes Selbstbewusstsein, sie haben mit der Kampf zur Zerschlagung des frauenfeindlichen Systems begonnen.
Die Oppositionellen im Iran und im Exil stehen vor der Aufgabe, eine Bewegung aufzubauen, die in der Lage ist, über den Protest hinaus zum Widerstand überzugehen, um schließlich das Regime zu stürzen. Aufgrund der bitteren Erfahrung von 1978/79 stellt sich die Frage, wie verhindert werden kann, dass sich feindliche Kräfte des revolutionären Prozesses bemächtigen, wie verhindert werden kann, dass am Ende ein neues Regime steht, was wie seine Vorgänger gegen die Arbeiterklasse und die Armen gerichtet ist.
Die Frage des Programms der Oppositionsbewegung ist dabei von zentraler Bedeutung. Natürlich gibt es nicht „die“ Bewegung, an den Protesten nehmen ganz unterschiedliche Strömungen und Tendenzen teil, von den Regime-Reformern um Mussawi über Bürgerlich-Liberale und Schah-Anhänger bis hin zu den alten linken Gruppen und neu formierten sozialistischen Initiativen der Studierenden, dazu Gruppen von Frauen und ArbeiterInnen.
Mussawi hat den Nerv getroffen, als er im Wahlkampf die Ahmadinedschad-Clique herausforderte. Es half bei den ersten Mobilisierungen, dass ein Mann des Systems selbst zu einem Symbol des Protestes gegen die Wahlfälschung wurde, viele IranerInner hofften dadurch auf einen gewissen Schutz. Mussawi hat nicht einmal in Ansätzen eine Strategie für das weitere Vorgehen und kein Programm, um die Bewegung auszuweiten – und kann dies auch nicht haben. Mussawi und Rafsandschani wollen nicht den Sturz der klerikalen Diktatur, wie ihn viele Demonstranten fordern, sie wollen Korrekturen im Rahmen des Regimes. Mussawi fordert eine weitere Liberalisierung der Wirtschaft und die Öffnung Richtung Europa und USA. Teile seiner kleinbürgerlichen Anhänger haben arrogante Parolen wie „Wir wollen keinen Kartoffelstaat“ gegen die Subventionspraxis formuliert, die sich nicht gegen das Regime richten, sondern gegen die Armen, die von diesen Subventionen abhängen. Das ermöglicht Ahmadinedschad, seine populistische Maskerade als Vertreter der „kleinen Leute“ fortzusetzen. Diese bürgerliche Prägung der Mussawi-Führung ist ein Grund für ArbeiterInnen und Arme, die Bewegung skeptisch zu sehen.
Es ist die Aufgabe des linken, sozialistischen Flügels, ein Programm zu entwickeln und in die Bewegung hinein zu tragen, welches die heute im Vordergrund stehenden demokratischen Forderungen mit den Klasseninteressen der ArbeiterInnen, der städtischen Armen und der Landbevölkerung verbindet. Wenn es nicht gelingt, der Bewegung durch die Unterstützung der Arbeiterklasse eine feste Basis zu verschaffen, wird sie in eine Krise geraten, ein Sturz des Regimes würde dann wieder in die Ferne rücken.
Dabei stellt sich auch die Frage nach den Methoden des Kampfes. Viel ist geschrieben worden über die „Twitter-Revolution“, darüber, dass sich die Bewegung per Handy und Internet vernetzt, ohne starke Organisationen funktioniert, das Regime und seine Schlägertruppen durch spontane Aktionen überraschen kann.
Piran Azad von Rahe Kargar (Organisation Revolutionärer Arbeiter Irans) schreibt:
„Der gegenwärtige revolutionäre Prozess im Iran ist stark, weil er übergreifend, pluralistisch, dezentralisiert, spontan, fragmentiert und vernetzt ist.“149
Das trifft auf die riesige Welle direkt nach dem Bekanntwerden der Wahlfälschung gewiss zu. Das Regime konnte kein organisierendes Zentrum ausmachen, musste zulassen, dass Millionen Menschen allein in Teheran auf die Straße gingen. An Aschura wurden die spontanen Versammlungen durch die Bereitschaft zu militanter Gegenwehr ergänzt, das überraschte die Regime-Truppen erneut. Die Schwächen der dezentralen und spontanen Proteste sind allerdings schon deutlich geworden. Bei mehreren Gelegenheiten, zuletzt am 11. Februar, konnte das Regime Straßenproteste schon im Ansatz angreifen, durch die schlichte Masse der Basidschi- und Polizei-Einheiten, welche die Straßen Teherans besetzten und gegen jede kleine Ansammlung vorgingen. Bei aller Vernetzung führt diese Form von Bewegung dazu, dass die Menschen als Individuen oder in kleinen Gruppen zu den Aktionen gehen.
Das Regime hat durch die Welle von Festnahmen und Schauprozessen nach Aschura seine Bereitschaft zur Grausamkeit unterstrichen, das Risiko, öffentlich zu protestieren, ist für jede und jeden hoch. Insofern kann man sagen, dass es auch eine der zentralen Schwächen des revolutionären Prozesses im Iran ist, dezentral und spontan zu sein. Daher stellt sich die Aufgabe, die Organisierung auf der Grundlage der sozialen Sektoren – ArbeiterInnen, Studierende, Wohnviertel – und den Aufbau einer Arbeiterpartei mit einem Programm, um diese Sektoren politisch zu verbinden, in Gang zu setzen, um den Weg zu bereiten, organisiert und kollektiv Proteste und Widerstand zu organisieren. Dieser Prozess hat unter den Studierenden schon vor Jahren begonnen, andere Sektoren stehen noch am Anfang. Die Aufgabe ist schwer, denn das Spitzel- und Schlägersystem der Pasdaran lässt wenig Spielraum. Es hilft allerdings nichts, aus der Not eine Tugend zu machen und die Spontaneität allein zu einer Stärke zu erklären. Twitter und Facebook machen keine Revolution. Kommunikationstechnologien können von einer Massenbewegung genutzt werden, aber auch das Regime hat diese Möglichkeit. Am Ende des Tages geht es darum, wer die materielle Macht ausübt. Die entscheidende Macht in der Gesellschaft sind die ArbeiterInnen, welche den Reichtum jeden Landes produzieren, die mit einem Generalstreik dem Regime den Boden unter den Füßen wegziehen könnten.
Demokratische Rechte
Die Bewegung im Iran wird von den Medien hierzulande als eine Bewegung für demokratische Freiheiten westlichen Musters dargestellt. Das ist grob vereinfacht. Die Bewegung entfaltet sich vor dem Hintergrund einer sich rapide verschlechternden ökonomischen und sozialen Situation. Die Inflation der letzten Jahren hat zu sinkenden Realeinkommen geführt, Almosen und Wahlgeschenke des Regimes sind nur Teilen der Bevölkerung zu Gute gekommen. Die gut ausgebildete iranische Jugend steht beruflich vor dem Nichts, die Mehrheit der heute rund drei Millionen Studierenden wird sich wahrscheinlich ins Heer der Arbeitslosen einreihen müssen. Schon heute sind nach Schätzungen rund 25 Prozent der unter 35jährigen ohne Arbeit.
Die plötzliche offene Debatte während des Wahlkampfes weckte bei vielen IranerInnen große Hoffnungen, endlich was verändern und Politik und Staat nicht nur erdulden zu müssen. Das Regime lüftete den Deckel, um etwas Dampf abzulassen, aber unterschätzte die gewaltige, unter der Oberfläche angestaute Unzufriedenheit über die gebrochenen Versprechen von Ahmadinedschad, die Inflation, die Arbeitslosigkeit und die Repression. Es drohte eine Protestwahl, die das weit verbreitete Gefühl zum Ausdruck gebracht hätte, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Als der Staat dies durch die Fälschung verhinderte, bahnten sich Wut und Enttäuschung den Weg auf die Straße. Die Wahlen sollten die Lage beruhigen, wirkten jedoch als Katalysator, der aufgestaute Unmut über die Demütigungen vieler Jahre und die sich verschlechternde Lage entlud sich.
Ohne Zweifel ist der Kampf für demokratische Rechte derzeit der Dreh- und Angelpunkt der Bewegung. Die Repression des klerikalen Regimes wirkt bis ins Privatleben hinein. Vor allem die Frauen und die Jugend müssen den Terror erdulden, die Widerwärtigkeiten der Pasdaran, die ihnen die Kleider- und Frisurenordnung einprügeln wollen. Die relative Offenheit der Auseinandersetzung während des Wahlkampfes hat viele Türen geöffnet150. Die Forderungen nach echten Wahlen, nach Abschaffung der Diktatur und dem Ende des klerikalen Terrors bilden den gemeinsamen Nenner für die verschiedenen Schichten, die in den Kampf getreten sind. Auch für viele ArbeiterInnen stehen diese Losungen im Vordergrund.
Wir sehen im Iran den Beginn einer Revolution, welche die Möglichkeit eröffnet, den klerikalen Kapitalismus zu stürzen. Diese hat in ihrer ersten Phase nicht die Form eines direkten Klassenkampfes zwischen den ArbeiterInnen und den Mullah-Kapitalisten angenommen. Nicht der Kampf um die Verteilung des Mehrproduktes und die Kontrolle der Betriebe steht am Beginn dieser Bewegung, sondern der politische Protest gegen die Diktatur eines Teils der Mullah-Elite. Die Klassenlinien treten noch nicht deutlich hervor. Auch Teile der herrschenden Klasse um Mussawi und Rafsandschani sowie große Teile des städtischen Kleinbürgertums sind in Widerspruch zum Regime von Ahmadinedschad geraten und in die Bewegung hinein gestolpert.
Wenn diese Revolution stecken bleibt, nicht zu einer proletarisch-sozialistischen wird, wenn wiederum eine andere Variante eines kapitalistischen, repressiven Regimes an die Macht kommt, werden die Hoffnungen der arbeitenden Massen und der Jugend erneut enttäuscht werden. Der Ausgang ist offen, es hängt davon ab, ob es gelingt, eine revolutionär-sozialistische Arbeiterpartei in der Bewegung aufzubauen, welche Masseneinfluss entwickelt und die demokratischen Forderungen mit dem Klassenkampf der ArbeiterInnen verbindet.
Es war denkbar, dass auch eine Eskalation und Verallgemeinerung betrieblicher Kämpfe zu einer landesweiten Massenbewegung hätte führen können. Dass die Revolution in dieser Form als politische Massenbewegung gegen das Regime begonnen hat, ist jedoch nicht einem historischen Zufall geschuldet, sondern basiert darauf, dass im Iran die grundlegenden demokratischen und persönlichen Freiheitsrechte – eigentlich Errungenschaften der bürgerlichen Revolution – niemals gelöst existiert haben. Insofern musste jede allgemeine Bewegung im Iran eine Stoßrichtung gegen die klerikal-terroristische Form der Herrschaft, gegen die zur Staatsdoktrin erhobene Unterdrückung bis ins Private hinein nehmen.
Die iranische Revolution von 2009 ist die Fortsetzung der nicht zu Ende geführten Revolutionen der iranischen Geschichte. Die konstitutionelle Revolution von 1906 schuf das erste Parlament des Iran und war Ausdruck der Ablehnung der imperialistischen Ausplünderung des Landes. Doch die Errungenschaften wurden vom Schah wieder einkassiert, der 1908 das Parlament beschießen ließ und die Pressefreiheit wieder aufhob. Zudem war vor allem die schiitische Geistlichkeit, eine reaktionäre Schicht, gestärkt worden151. Die Bewegung zur Unterstützung der Regierung Mossadegh zur Verstaatlichung der Ölindustrie Anfang der 50er Jahre scheiterte und wurde durch die erneute Diktatur unter Schah Pahlavi beendet. Die Revolution von 1979 sollte die Befreiung von Unterdrückung und imperialistischer Dominanz bringen, aber führte nach der Machtübernahme durch die Islamisten unter Khomeini zu einer erneuten Diktatur mit einem besonders reaktionären und barbarischen Charakter.
Noch immer sind die Reste des Mittelalters, die in den früh kapitalistisch gewordenen Ländern Europas durch die bürgerliche Revolution hinweg gefegt wurden, im Iran allzu lebendig. Die Säkularisierung unter der Pahlavi-Dynastie kratzte nur an der Oberfläche. Nach dem Sturz des Schas kam der Klerus an die Macht und herrschte, als gelte es die Forderung nach der Trennung von Staat und Kirche zu verspotten.
Bis auf eine kurze Phase Anfang der 50er Jahre gab es im Iran keine demokratischen Rechte, weder ein allgemeines Wahlrecht noch gewerkschaftliche Rechte oder Pressefreiheit. Ansätze zur Gleichberechtigung der Geschlechter gab es unter dem Schah nur für die Frauen der reichen Oberschicht, unter den Mullahs sind die Frauen höchst offiziell und legal diskriminiert. Auch die nationale Frage ist ungelöst. Ca. 50 Prozent der Bevölkerung sind keine Perser, sondern gehören verschiedenen Nationalitäten an (Aserbaidschaner, Kurden, Belutschen u.a.). Die wichtigen Positionen in Staat und Wirtschaft sind persisch dominiert, die ethnischen Minderheiten sehen sich einem persisch-nationalistischen Staat gegenüber, der ihre Rechte ignoriert oder gar mit Repression gegen sie vorgeht.
Der aktuelle revolutionäre Prozess ist ein Ausdruck dafür, dass die bürgerlich-demokratische Revolution im Iran nie bis zum Ende geführt wurde, ihre historischen Aufgaben blieben ungelöst. Insofern ist es kein Zufall, dass neben Teilen der Arbeiterklasse auch bürgerliche Elemente an der Revolte teilnehmen. Allerdings gilt für den Iran das, was Lenin schon 1906 in Bezug auf Russland formulierte:
„Die Revolution … ist keine bürgerliche, denn die Bourgeoisie gehört nicht zu den treibenden Kräften der heutigen revolutionären Bewegung …“152
In Etappen oder in Permanenz?
Während der Revolution von 1978/79 sahen die großen Organisationen der iranischen Linken, die Tudeh-Partei und die Fedayin, Khomeini und seine islamistische Bewegung als den Repräsentanten einer eigenständigen nationalen Bourgeoisie. Der Schah war in ihrer Analyse der Vertreter der Kompradoren-Bourgeoisie, Statthalter vor allem des US-Imperialismus zur Ausplünderung und Niederhaltung des Iran. Beide vertraten ebenso wie viele kleinere linke Organisationen die „Etappentheorie“. Danach wäre es in Ländern ohne entwickelten Kapitalismus die Aufgabe einer nationalen Kapitalistenklasse, das Land aus Rückständigkeit und Abhängigkeit vom Imperialismus zu befreien. Die Arbeiterklasse sollte dabei eine zunächst unterstützende Rolle spielen, aber nicht den Anspruch erheben, den Sozialismus aufzubauen. Erst nach der Herausbildung eines modernen Kapitalismus würde sich der Klassenkampf zwischen Kapital und Arbeit entwickeln wie zuvor in Europa und den USA. Dann wäre die nächste Etappe erreicht, der Kampf für den Sozialismus käme erst dann auf die Tagesordnung.
Die Anhänger der Etappentheorie beziehen sich auf die Darstellung von Karl Marx zur Abfolge der Klassengesellschaften. Erst müsse die alte Gesellschaft ihre Potenziale erschöpfen, dann erst sei der Weg für die neue frei. Auf den Feudalismus folgt der Kapitalismus, der muss sich entfalten, um die Produktivkräfte hervorzubringen, welche den Übergang zu einer sozialistischen Gesellschaft ermöglichen. Ein Sprung aus der Antike oder Mittelalter zum Sozialismus hielten Marx und Engels für ausgeschlossen und grenzten ihre Analyse von der Entwicklung des Kapitalismus als „wissenschaftlichen Sozialismus“ von den utopischen Sozialisten ab.
Die Bezugnahme der Anhänger der Etappentheorie auf Marx und Engels ist nicht angebracht. Zu deren Lebzeiten begann zwar erst der Siegeszug des Imperialismus und die Herausbildung des Proletariats; trotzdem hatten sie schon erkannt, dass der Kapitalismus keineswegs in jedem einzelnen Land zur vollen Blüte reifen muss, damit die Arbeiterklasse die Frage der sozialistischen Umwälzung aufwerfen kann. In der deutschen Revolution von 1848 war das Proletariat erst schwach entwickelt. Aber die Bourgeoisie fürchtete die Arbeiter mehr als die feudale Reaktion, gab dieser letztendlich nach und machte den Weg frei für die Zerschlagung der kleinbürgerlich-demokratischen und proletarischen Kräfte durch die Reaktion. Marx und Engels vertraten eben nicht die Vorstellung, dass es erst zu einer Machtergreifung der Bourgeoisie und einer anschließenden länger anhaltenden kapitalistischen Entwicklungen kommen würde.
„Die bürgerliche Revolution von 48 betrachtete Marx als die unmittelbare Einleitung zur proletarischen Revolution. Marx ,irrte‘. Doch sein Irrtum hatte einen faktischen, keinen methodologischen Charakter. Die Revolution von 1848 ist nicht in die sozialistische Revolution übergegangen. Aber eben deshalb hat sie die Demokratie auch nicht vollendet.“153
Tatsächlich ist die Etappentheorie Produkt eines leblosen, mechanischen Verständnisses des Marxismus und dessen Theorie über die Abfolge der Klassengesellschaften. Die Menschewiki, die gemäßigte Strömung der russischen Sozialdemokratie, hielten 1917 an dieser Vorstellung fest und weigerten sich, für die Rätemacht und eine Arbeiterregierung einzutreten. Sie empfahlen dem Proletariat, sich mit der Rolle als Hilfstruppe des Bürgertums zufrieden zu geben.
Der sowjetische Diktator Stalin erweckte diese Idee, die 1917 eigentlich historisch erledigt war, zu neuem Leben. Nach der Etablierung der bürokratischen Diktatur in der Sowjetunion Mitte der 1920er Jahre wurde die Vorstellung, dass die rückständigen Länder eine kapitalistisch-demokratische Phase unter der Führung der Bourgeoisie durchlaufen müssten, zu einem der ideologischen Leitsätze der sowjetischen Außenpolitik und damit zur Politik der Komintern.
Die Bolschewiki unter Lenin waren noch davon ausgegangen, dass die russische Revolution ein Teil der internationalen Revolution sei und sich die Sowjetunion nur zum Sozialismus entwickeln könnte, wenn sich die Revolution ausdehnen würde. Die von Stalin vertretene Theorie vom „Sozialismus in einem Lande“ besagt hingegen, dass nicht die internationale Ausdehnung der Revolution, sondern der Aufbau der Sowjetunion der Schlüssel sei. Die herrschende Bürokratie entwickelte ein eigenes materielles Interesse an der Bewahrung des status quo. Den außenpolitischen Interessen der Sowjet- und später auch der chinesischen Bürokratie entsprach es, ein neutrales Verhältnis zu den kapitalistischen Nachbarländern zu erreichen und Bündnispartner unter ihnen zu finden. Zu diesem Zweck verzichtete die Sowjetführung darauf, die bürgerlichen Eliten durch Eintreten für den Sozialismus auch in ihren Ländern zu behelligen, die Etappentheorie war die ideologische Begleitmusik dieser versuchten Einigung. Die kommunistischen Parteien sollten bürgerliche Verbündete finden, um die Sowjetunion und damit die herrschende Bürokratie zu stabilisieren. Dies scheiterte immer wieder, weil die bürgerlichen „Bündnispartner“ trotzdem das Proletariat mehr fürchteten als die Reaktion – und das Proletariat, viel weiter entwickelt als in den 1848-Revolutionen, sich nicht auf Forderungen im bürgerlichen Rahmen beschränkte. Aus der Logik des Klassenkampfes ergaben sich weiter reichende, sozialistische Forderungen.
Die wirkliche Weiterentwicklung der Marx‘schen Ideen leisteten die russischen Revolutionäre Lenin und Trotzki. Letzterer knüpfte an dem von Marx geprägten Begriff „Permanente Revolution“ an und entwickelte diesen zu einer umfassenden Theorie der Revolution in nicht-entwickelten Ländern. Trotzki war in der ersten russischen Revolution von 1905 Vorsitzender des Petrograder Arbeiterrates und verarbeitete in seiner Theorie die Erfahrungen der 1905er-Revolution. Trotzki erklärte, dass in Ländern mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung wie Russland gleichzeitig feudaler Großgrundbesitz neben hoch modernen kapitalistischen Betrieben existierte. Millionen Bauern lebten in Abhängigkeit von den Grundbesitzern, auf dem kulturellen Niveau des tiefen Mittelalters. Doch in den riesigen Fabriken wie den Putilow-Werken arbeiteten bis zu 30.000 Menschen, ein konzentriertes, junges Proletariat. Im Russland des frühen 20. Jahrhunderts waren die Kapitalisten längst nicht mehr revolutionär. Sie waren abhängig von den Banken und Konzernen der entwickelten imperialistischen Staaten und hatten ihre Rolle in der weltweiten Arbeitsteilung hingenommen. Dem eigenen Mittelalter, dem Großgrundbesitz, standen sie nicht als feindliche Klasse gegenüber, sondern waren eng mit ihm verbunden.
Als die ArbeiterInnen von Petrograd im Februar 1917 den Zar stürzten, kam eine bürgerliche Regierung an die Macht. Diese erwies sich als unfähig, auch nur die drängenden Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution zu lösen. Sie nahm eine Landreform, die Verteilung des Landes an die Bauern, nicht einmal in Angriff, zu eng war sie mit dem Großgrundbesitz verschränkt. Sie beendete nicht den irrsinnigen Krieg gegen das Deutsche Reich, denn sie war abhängig von den Verbündeten England und Frankreich.
Russland war zwar stark feudal geprägt, aber schon Teil der kapitalistischen Welt. Die Revolution, die als eine bürgerliche begonnen hatte, konnte von der Bourgeoisie nicht zu Ende geführt werden, sondern wäre in einer Konterrevolution geendet, in einem Kompromiss zwischen Kapital und Großgrundbesitz, auf Kosten der ArbeiterInnen und der armen Bauern, in einer Restauration der Verhältnisse wie unter dem Zaren.
Die Bauernschaft war wegen ihrer Zersplitterung nicht in der Lage, eine revolutionäre Rolle zu spielen wie früher die Bourgeioisie und seit dem 19. Jahrhundert die Arbeiterklasse. Die Aufgaben der bürgerlichen Revolution mussten, so Trotzkis Schlussfolgerung 1906, von der Arbeiterklasse gelöst werden. Diese konnte aber dabei nicht stehen bleiben, sondern musste zu sozialistischen Aufgaben – Verstaatlichung und Arbeiterverwaltung der Betriebe, Errichtung eines Rätesystems – übergehen. Die bürgerliche Revolution wächst somit in eine proletarisch-sozialistische hinüber und wird daher als ununterbrochene – permanente – Revolution bezeichnet.
Diese Perspektiven wurden durch die russische Revolution bestätigt. Lenin und die Bolschewiki hatten vor 1917 teilweise andere Begriffe und Betonungen als Trotzki verwendet. Lenin kam aber in seinen „Aprilthesen“ zu den gleichen Schlussfolgerungen, dass nicht die Herrschaft der liberalen Bourgeoisie mit Unterstützung der Arbeiterklasse auf der Tagesordnung stünde, sondern die Machtübernahme der Arbeiter. Die beiden populären Parolen der Bolschewiki – „Land, Brot und Frieden“ und „Alle Macht den Räten“ drücken genau dies aus: Nur unter der Führung der Arbeiterklasse, organisiert durch die Räte, können die grundlegenden, eigentlich noch nicht sozialistischen, Aufgaben gelöst werden.
Sowohl die historischen Niederlagen der Arbeiterbewegung – von China 1927 bis Iran 1979 – als auch erfolgreiche Revolutionen in China und Kuba waren weitere Bestätigungen der Richtigkeit der Theorie der permanenten Revolution. Lenin und Trotzki waren allerdings fest davon überzeugt, dass der erfolgreiche Aufbau des Sozialismus in einem Land, zumal einem wenig entwickelten, armen wie Russland, ausgeschlossen sei. Die Revolution, die als bürgerliche in Russland begonnen hatte und zur proletarischen geworden war, könne nur als Teile der Weltrevolution erfolgreich sein, so die Vorstellung der Bolschewiki. Die spätere stalinistische Entartung und Bürokratisierung der Sowjetunion, die zur Zerstörung aller Ansätze von Arbeiterdemokratie und Sozialismus führte, bestätigte diese Einschätzung.
Anders als im zaristischen Russland ist im heutigen Iran die Agrarfrage, die Zerschlagung des Großgrundbesitzes und die Verteilung des Landes an die Bauern keine zentrale Frage. Die Weiße Revolution des Schah und die Machtergreifung der Islamisten haben andere Voraussetzungen geschaffen. Der hohe Grad von Urbanisierung und Proletarisierung im Iran sollte Hinweis genug sein, dass es sich um ein kapitalistisches und kein feudales Land handelt, dass nicht die Entwicklung des Kapitalismus auf der Tagesordnung steht. Trotzdem halten einige Linke an der Etappentheorie fest. Sie verweisen auf die mittelalterliche Ideologie, die Rückständigkeit der Betriebe, die Entrechtung der Frauen. Tatsächlich sind im Iran zentrale Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution nicht gelöst worden. Doch die Bourgeoisie, die diese Aufgaben in Angriff nimmt, ist als Klasse schlicht nicht existent. Natürlich gibt es im Iran, einem kapitalistischen Land, Kapitalisten. Doch sie waren und sind nicht in der Lage, eine fortschrittliche Rolle zu spielen und mit dem Mittelalter, der Unterentwicklung und der Abhängigkeit vom Imperialismus aufzuräumen.
Es ist kein Zufall, dass die Anläufe der bürgerlichen Revolution im Iran stecken blieben, in neuen Varianten von Unterdrückung endeten. Weil die Revolution nicht in eine sozialistische übergegangen ist, blieben auch Demokratie, Frauenrechte und Trennung von Staat und Religion auf der Strecke.
Wer und wo ist die „fortschrittliche Bourgeoisie“?
Die Anwendung der Etappentheorie führte zu verheerenden Niederlagen, weil man sich den falschen Freunden unterordnete und die Arbeiterbewegung politisch und materiell entwaffnete. Die „fortschrittlichen Kapitalisten“ erwiesen sich als Phantom, sie sahen nicht in den Resten des Mittelalters oder im Imperialismus ihren Hauptfeind, sondern in der Arbeiterklasse. Revolutionen schlugen um in blutige Konterrevolutionen, so auch im Iran 1979. Viele Mitglieder und Anhänger der linken Parteien bezahlten diese falsche Analyse und Strategie mit ihrem Leben. Trotz dieser grausamen Lehre ist die Etappentheorie heute noch lebendig in der iranischen Linken, vor allem bei „Alt-Linken“, die in der ideologischen Tradition des Stalinismus der Moskau- oder der Peking-Variante erzogen wurden. Damals galt die Parole „Gegen den Imperialismus, mit Khomeini“, heute beschränken sie ihre Forderung auf „Menschenrechte“ und wollen diese mit den oppositionellen bürgerlichen Schichten gemeinsam erkämpfen.
Ein ehemaliges Mitglied der Fedayin schilderte dem Autor in einem Gespräch:
„Wir haben uns 1979 geirrt. Khomeini war gar nicht der Vertreter der fortschrittlichen Bourgeoisie. Wir hätten besser hingucken müssen. Heute ist die Lage anders, es gibt diese nationale Bourgeoisie und Mussawi ist ihr Repräsentant, den wir unterstützen müssen. Es geht auf keinen Fall um den Sozialismus, sondern um fortschrittliche kapitalistische Verhältnisse.“154
Seine Position mag extrem formuliert sein, aber diese Denkrichtung findet sich bei vielen Anhängern der alten linken Organisationen. Sie sagen, der Kapitalismus müsse erst durchgesetzt werden, da im Iran noch eine vorkapitalistische Gesellschaft herrsche. Als ob Leo Trotzki diesen Genossen gekannt hätte, schrieb er 1930:
„Und wenn es die bürgerliche Demokratie nicht gibt, die fähig wäre, an der Spitze der bürgerlichen Revolution zu marschieren? Dann muss man sie eben erfinden.“155
Die Idee, im Iran müsse erst der Kapitalismus zu voller Blüte gelangen, ist heute noch absurder als 1979. Der Iran ist ein kapitalistisches Land und keineswegs ein feudaler Agrarstaat. 70 Prozent der Bevölkerung lebt in Städten, ein Drittel in Städten mit über 500.000 EinwohnerInnen. Das Land verfügt über eine Investitions- und Konsumgüterindustrie, sowohl Lebensmittel als auch Textilien, Autos, Eisenbahnen und Werkzeuge werden im Iran produziert.
Der Iran ist über den Export von Öl und den Import von Investitions- und Konsumgütern in den kapitalistischen Weltmarkt eingebunden, unter Ahmadinedschad haben die Direktinvestitionen entwickelter Länder weiter zugenommen, die Abhängigkeit vom Ausland ist gewachsen156. Bei allen Besonderheiten, die sich durch den klerikalen Charakter des Regimes ergeben, ist der Iran ein kapitalistisches Land, industriell weiter entwickelt als andere Ölproduzenten, allerdings nicht auf dem Niveau eines Schwellenlandes. Die Ersetzung des Klerikal-Kapitalismus durch ein anderes kapitalistisches Modell würde nicht dazu führen, dass die demokratischen, sozialen und ökonomischen Probleme des Landes gelöst werden. Jede Fraktion der Kapitalistenklasse im Iran würde in kurzer Zeit mit der Arbeiterklasse zusammenstoßen und zum Angriff auf die demokratischen Rechte der ArbeiterInnen blasen.
Ahmadinedschad stützt sich ideologisch auf die rückständigsten Teile des Klerus, die sogar zum Teil die gelenkte Scheindemokratie nach Khomeinis Art ablehnen. Seine wirkliche Basis hat er in den Repressionsorganen. Er gibt sich als als Freund der kleinen Leute aus, Kern seiner Wirtschaftspolitik ist allerdings die Privatisierung und Überschreibung von staatlichen Betrieben an die Stiftungen des Militärs und der Pasdaran und damit die Intensivierung eines extrem korrupten Kapitalismus islamistischer Prägung.
Die Fraktion um Mussawi will am politischen und ökonomischen System des Mullah-Kapitalismus festhalten. Allerdings steht sie für eine weitere Liberalisierung, für eine wirtschaftliche Hinwendung zum Westen durch eine kompromissbereite Außenpolitik. Mussawi und seine Verbündeten sind damit unzufrieden, dass die Betriebe nur bestimmten Gruppen im Repressionsapparat zugeschustert werden und wollen, dass die Privatisierung „breiter“ und „fairer“ vorgenommen wird. Mussawi müsste, käme er an die Macht, mehr demokratische Freiheiten zugestehen; nicht weil dies sein ursprüngliches Programm war, sondern weil die Bewegung sich entwickelt hat und der Druck enorm wäre. Allerdings würde sein ökonomisches Programm in kurzer Zeit zu massiven Zusammenstößen mit den Armen und der Arbeiterklasse führen. Wenn diese Gerechtigkeit fordern, würden die Profite der alten und neuen Kapitalisten unter Druck geraten. Unter Mussawi würde es nicht zu einer umfassenden Säuberung des Staatsapparates kommen, der Kern der islamischen Diktatur bliebe bestehen und könnte gegen die ArbeiterInnen eingesetzt werden.
Die iranische Jugend hat schon Erfahrungen mit den „Reformern“ gemacht. Nach der Wahl Khatamis 1997 gab es eine Phase der Öffnung und Lockerung, vor allem bezüglich der Presse- und Meinungsfreiheit. Doch schon bald sollte die neue Pressefreiheit wieder einkassiert werden. Als die Studierenden in Teheran gegen die neuen Einschränkungen und gegen das Verbot der Zeitung Salam protestierten, war es mit dem „islamistischen Frühling“ vorbei. Polizei und zivil gekleidete Regime-Schläger drangen in ein Wohnheim der Uni Teheran ein, verprügelten die schlafenden Studierenden, verwüsteten die Räume. Ein Student wurde aus dem Fenster geworfen und getötet.157 Der Nationale Sicherheitsrat verurteilte die Übergriffe, ebenso Präsident Khatami, ein „Refomer“, und der Vorsitzende des Wächterrats, Khamenei, der heute eng mit Ahmadinedschad verbunden ist. Als aber die Studierenden jedoch die Entlassung der für die Übergriffe verantwortlichen Polizeiführer forderten, war es mit der Unterstützung der „Reformer“ vorbei. Basidschi und Polizei gingen mit massiver Gewalt gegen die Demonstrationen vor. Präsident Khatami distanzierte sich von den Studierenden und rief zur Teilnahme von Gegenkundgebungen für das Regime auf. Mindestens zwei, wahrscheinlicher wohl mehrere Dutzend Studierenden wurden getötet, mindestens 1.400 festgenommen, viele davon in Haft gefoltert.158
Außerhalb der verschiedenen Fraktionen des Mullah-Kapitalismus kann kaum von einer formierten Bourgeoisie gesprochen werden. Die iranische Kapitalistenklasse unter dem Schah-Regime war sehr schwach, bestand zumeist aus seinen Günstlingen, die nach dessen Sturz flohen oder enteignet wurden. Das Kommando über die Betriebe übernahm der Klerus, als Vertreter des Staates, seiner Instituionen oder von Stiftungen (Bonyads). Natürlich gibt es im Iran neue Schichten von privaten Unternehmern, die nicht mit dem Regime verbunden sind. Es ist nicht sichtbar, dass diese, eventuell zusammen mit iranischen Kapitalisten aus dem Exil und internationalen Konzernen die Klerikal-Kapitalisten verdrängen könnten, kann aber theoretisch nicht ausgeschlossen werden. Diese Art Kapitalismus wäre allerdings organisch unfähig, unabhängig vom Imperialismus zu existieren und würde innerhalb kurzer Zeit zu einem Ausverkauf des Landes führen, begleitet von massiven Kürzungen von Subventionen und öffentlichen Dienstleistungen, würde zur Durchdringung des Landes mit ausländischem Kapital und zu einem weiteren Anstieg der Verschuldung führen. Viele iranische Betriebe wären der direkten Konkurrenz mit weit produktiveren Konzernen ausgesetzt und wären von Schließung bedroht. Massive Angriffe auf die Staatsbeamten, die Arbeiterklasse und die Armen würden auch unter solch einer neuen Bourgeoisie von erneuten Angriffen auf frisch gewonnene demokratische Rechte begleitet werden.
Die aus der stalinistischen Tradition stammende Idee, die Entwicklung eines Landes an die Kapitalistenklasse bzw. eine „fortschrittliche“ Fraktion derselben zu delegieren, erscheint im heutigen Iran absurder als jemals zuvor in der Geschichte. Die unerledigten Aufgaben der bürgerlichen Revolution – demokratische Rechte, Trennung von Staat und Religion, nationale Frage – werden im Iran wie auch in anderen Ländern nur durch die Arbeiterklasse durchgesetzt werden können. Die bürgerliche Revolution drängt objektiv in Richtung der proletarischen, sozialistischen Revolution. Wenn es der Arbeiterklasse allerdings nicht gelingt, diesem Prozess zum Durchbruch zu verhelfen, werden auch die grundlegenden Aufgaben der bürgerlichen Phase der Revolution nicht gelöst werden können.
Heute werden viele IranerInnen, vor allem Frauen und Jugendliche sagen: „Es ist egal, was nach Ahmadinedschad kommt, alles wird besser sein als dieses Regime.“ Man will lieber gemeinsam kämpfen, unterschiedliche Vorstellungen über die Zukunft sollen den Widerstand nicht schwächen. Es gibt viele unterschiedliche Meinungen, nur wenige sind schon vom Sozialismus überzeugt. Insofern ist der Wille zur Einheit verständlich und bis zu einem gewissen Grad auch richtig: wenn viele an einem Strang ziehen, ist man stärker. Allerdings nicht, wenn man in verschiedene Richtungen zieht. Dies ist allerdings der Fall, bürgerliche Oppositionelle und Arbeiterklasse stehen sich an den beiden Enden des Seils gegenüber. Es geht darum zu klären, mit welchem Programm, Strategie und Taktik eine erfolgreiche Bewegung aufgebaut werden und wie dafür gesorgt werden kann, dass Unterdrückung, Ausbeutung und Unterentwicklung ein für allemal beseitigt werden.