„Geballte Wut, die schnell zur Explosion kommen kann“

Konzernweiter gemeinsamer Kampf bei Daimler nötig


 

Der spontane Streik der Beschäftigten bei Daimler-Sindelfingen Anfang Dezember 2009 kam für Viele wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Sindelfingen blieb keine Ausnahme. Im Daimler-Werk in Bremen kam es in den letzten Mo-naten zu wiederholten Arbeitsnie-derlegungen. Die Zukunft in den Betrieben wirft ihre Schatten voraus.

von Ursel Beck, Stuttgart

Bundesweit wurden in den Jahren 2004 bis 2009 bei Daimler 30.000 Stellen abgebaut. In Sindelfingen war der geplante Personalabbau noch nicht abgeschlossen, als die Verlagerung der C-Klasse vom Vorstand auf die Tagesordnung gesetzt wurde.

Sindelfingen

Nachdem die Führung der IG Metall (IGM) die spontanen Streiks Anfang Dezember abgewürgt hatte, ließ sie sich auf die Betriebsvereinbarung „Sindelfingen 2020“ ein. In der Januar-Ausgabe der IGM-Mitgliederzeitung wird diese als Sicherung der Arbeitsplätze für den „kommenden Strukturwandel“ verkauft. Damit betreibt die IGM-Spitze Augenwischerei und betätigt sich als Bremse gegen die Kampfbereitschaft der Belegschaften. Aber wer immer auf der Bremse steht, nutzt sie ab. Und dann funktioniert sie nicht mehr richtig. So kommt es immer öfter zu spontanen Streiks.

Zwar war das Versprechen von Ersatzarbeitsplätzen und der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen in Sindelfingen ein Erfolg – ein Erfolg des zweitägigen wilden Streiks. Der Abschluss ist aber ein fauler Kompromiss, weil die Kampfkraft nicht genutzt wurde, um den Erhalt der C-Klasse durchzusetzen. Die Vereinbarung selbst bedeutet nicht einmal eine feste Arbeitsplatzgarantie für die Daimler-KollegInnen in Sindelfingen. Für den Fall von Absatzrückgängen gibt es für Daimler eine Ausstiegsklausel.

Während der Auseinandersetzung in Sindelfingen kam an die Öffentlichkeit, dass es in den Monaten zuvor vier Mal spontane Streiks gegeben hatte. Zum Beispiel in der E-Klassen-Produktion im Juli 2009 gegen die Reduzierung der Taktzeit von 100 auf 85 Sekunden.

Bremen

Die wiederholten Streiks bei Daimler in Bremen zeigen, dass ein konzernweiter gemeinsamer Kampf das Gebot der Stunde ist.

Vor dem Hintergrund von Stellenabbau und Arbeitshetze legten am 14. November 2009 im Bremer Werk 3.000 Beschäftigte der B-Schicht die Arbeit nieder und versammelten sich vor dem Verwaltungsgebäude. „Der Vorstand kann ohne uns kein einziges Auto bauen“, meinte ein Redner, „aber wir können Autos bauen ohne den Vorstand“. Die Propaganda, das Werk in Bremen sei Gewinner der Produktionsverlagerung der C-Klasse, glaubt die Belegschaft nicht.

„Arbeitsverdichtung, Rationalisierung hoch drei“, so Gerhard Kupfer, Betriebsrat bei Daimler Bremen, in der jungen Welt vom 8. Dezember. „In der C-Klasse gab es teilweise Kurzarbeit. Zugleich werden die Leute aber, wenn sie im Betrieb sind, ausgelutscht bis zum Letzten. Die Bänder sind unterbesetzt. (…) Es herrscht geballte Wut, die sehr schnell zur Explosion kommen kann.“

Am 14. Dezember legten 1.000 MetallerInnen die Arbeit nieder, am 22. Januar 1.500. Am 1. Februar folgte eine weitere Arbeitsniederlegung. Diesmal, auf Druck von unten, von der Vertrauenskörperleitung organisiert. 7.000 Beschäftigte beteiligten sich an Demonstrationen. Die Streikenden forderten: Keine Lohnkürzung um 8,75 Prozent, keine betriebsbedingten Kündigungen. Die Mehrheit des Betriebsrats fiel der Belegschaft jedoch mit einem Abschluss in den Rücken, der laut Gerhard Kupfer ein „Wischi-Waschi-Papier“ ist, das nicht mal den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen enthält.