Nazi-Szene in Berlin wird gewalttätiger

In den letzten Monaten nahm die Zahl neofaschistischer Angriffe in Berlin zu


 

Im Jahr 2009 erlebte die NPD in Berlin eine Schwächung, ein nicht unbedeutender Teil aktiver Neofaschisten trat aus der Partei aus. Entwarnung ist aber nicht gegeben. Spätestens nach dem Frontbann 24 im November letzten Jahres durch Innensenator Körtig (SPD) verboten wurde, agiert die Szene aktionsorientierter. Das spüren jetzt linke Projekte in Berlin.

von Krischan Friesecke, Berlin

Die NPD wurde durch den Austritt von vielen aktiven Faschisten Anfang 2009 geschwächt. Hintergrund waren verschiedene Ansichten über die politische Linie des Landesverbandes und eine „inszenierte“ Pornoaffäre um die ehemalige Kreisvorsitzende Marzahn-Hellersdorf, Gesine Hennrich. Mit Hennrich traten fast 90 Prozent des Marzahn-Hellersdorfer Kreisverbandes aus. Der von Hennrich und Konsorten gegründete „Frontbann 24“ wurde nach einigen Monaten, wegen Nähe zum Nationalsozialismus, verboten.

Die Berliner NPD ist durch diesen Aderlass geschwächt und wird so schnell nicht mehr Boden gewinnen. Nachdem ihr die Militanten abhanden gekommen sind, könnte die in Gründung befindliche Initiative „Pro Berlin“ um den rechtskonservativen Teil buhlen.

Es wäre aber ein gefährlicher Trugschluss zu glauben, die Schwächung der NPD und das Verbot einer Kameradschaft würden die Berliner Neonaziszene schwächen. Gerade durch die geringer werdende Bindung an Parteien werden Neonazis aktionsorientierter und gewaltbereiter.

Dies zeigte sich im vergangenen Jahr durch mehrere schwere Angriffe auf Linke und Menschen nichtdeutscher Herkunft, zwei Iraner wurden im Wedding schwer verletzt, ein Student in Friedrichshain fast ermordet. Zwar waren das höchstwahrscheinlich keine geplanten Überfälle, aber die Gefahr für gezielte Aktionen der neofaschistischen Szene gegen Menschen wird steigen.

Seit dem Spätsommer letzten Jahres verüben Neofaschisten vermehrt Angriffe auf linke Läden und Büros. Seit August letzten Jahres war allein die Chile-Freundschaftsgesellschaft in Neukölln dreimal Opfer von Entglasung Ihrer Vereinsräume, auch die Galeria Olga Benario im gleichem Bezirk wurde mehrmals attackiert. Weiter traf es verschiedene linksalternative Kneipen und Projekträume im nördlichen Neukölln. Anfang dieser Woche gab es die nächste massive Angriffswelle, bis zu einem Dutzend Projekte in Nordneukölln und Kreuzberg wurden angegriffen, erstmals auch eine Privatwohnung eines linken Aktivisten. Es ist zu beobachten, dass die neofaschistische Szene in Berlin versucht, in bisher eher als alternativ geltende Stadtteile vorzudringen, gerade Nordneukölln und Kreuzberg sind migrantisch geprägte Bezirke in denen es zudem eine aktive linksalternative Szene gibt. Ebenfalls Anfang dieser Woche wurde ein Büro der Linken in Reinickendorf angegriffen und ein linker Buchladen mitten im Prenzlauer Berg. Überfälle in dieser Qualität wären vor zwei Jahren noch nicht ohne weiteres vorstellbar gewesen. Als Reaktion bilden sich in Berlin Bündnisse, die den Kampf gegen die Nazis in den Kiezen aufnehmen wollen.

Die Neofaschisten versuchen von der Krise zu profitieren. So ruft der nationale Widerstand Berlin zu einer Demo am 1.Mai unter dem Motto „Unserem Volk eine Zukunft Den bestehenden Verhältnissen den Kampf ansagen – Nationaler Sozialismus jetzt“ auf. Der Aufruf versucht einen kruden Antikapitalismus von rechts zu proklamieren. Zudem erstellten Neofaschisten ein Broschüre zum 1.Mai, angelehnt an die „nationale Revolution“ Georg Strassers.

Die Gefahr, dass die Neofaschisten mit ihrem „Antikapitalismus“ von der Krise getroffene Menschen erreichen, besteht. Gerade deswegen müssen die Linkspartei und die Gewerkschaften den Kampf gegen die Folgen der Krise aufnehmen und nicht Sachzwangslogik und Sozialpartnerschaft folgen. Statt Kompromisse mit den Herrschenden zu schließen, muss die Wut der Menschen auf die Straße getragen werden. Gelegenheiten gibt es einige: Die Anti-Krisendemo am 20. März in Essen, den 1. Mai bundesweit und die „Wir zahlen nicht für Eure Krise“-Demos am 12. Juni.