Nur das Wetter ist noch schlechter

Schwarz-Gelb: Zwischen internem Streit und neuen Kahlschlagsplänen


 

Die neue Bundesregierung ist erst wenige Monate im Amt. Doch sie streitet sich bereits wie ein altes Ehepaar. Gleichzeitig werden aber Kommissionen eingesetzt und Konzepte ausgetüftelt, die dazu angetan sind, dass es in Deutschland noch „kälter“ wird, und zwar auf Dauer.

von Torsten Sting, Rostock

Am Wahlabend hatten sich die Kapitalisten so gefreut. Eine gestärkte FDP schien der Garant zu sein, der abgestraften und durch vier Jahre Große Koalition „verweichlichten“ CDU Dampf zu machen. Dies schien bei den Koalitionsverhandlungen denn auch zu geschehen. Die Liberalen setzten sich in vielen Punkten durch.

Viel Ende schon am Anfang?

Kaum war die Tinte unter dem Koalitionsvertrag trocken, verstand jeder Partner selbigen aber anders. Die Union sah auf einmal angesichts der Schuldenlawine – der Bund muss 2010 für 85,8 Milliarden Euro neue Kredite aufnehmen – kaum Spielraum für Steuersenkungen. Guido Westerwelle und Co. wollen jedoch darauf bestehen. Angesichts dieses Gezeters äußerte Peter Altmaier, parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion, im Dezember, dass nur das Wetter noch schlechter sei als die Stimmung im Kabinett.

Was steckt hinter diesem Streit? Einig sind sich die Koalitionspartner, dass die Kosten der Krise nicht durch die Nutznießer des Aufschwungs zu zahlen sind, sondern durch die Masse der Bevölkerung. Allerdings fürchten die geschwächte CSU und die CDU, die bei der Bundestagswahl absolut zwölf Prozent der Stimmen einbüßte, mit einem zu provokativen Kurs weiter Federn zu lassen. Zudem sind die Herrschenden generell besorgt, das „zarte Pflänzchen“ Aufschwung durch Kürzungen die zur Schwächung der Nachfrage führen, gleich wieder zu zertrampeln.

NRW-Wahl

Weshalb die (Kürzungs-) Katze noch nicht aus dem Sack gelassen wird, liegt zudem an der am 9. Mai stattfindenden Landtagswahl im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW). Es ist die einzige Wahl 2010, entscheidet darüber, ob Union oder FDP in der Bundesregierung Aufwind verspüren können, und ist generell als „Stimmungsbarometer“ von großer Bedeutung. Kann sich die dortige schwarz-gelbe Regierung halten, haben Union und Liberale nach wie vor die meisten Stimmen im Bundesrat. Die Mehrheit in der Länderkammer ist wichtig, um bestimmte Gesetzesvorhaben ohne Änderung durchzubekommen.

Kopfpauschale und Sparpaket

Eine weitere, grausame „Reform“ des Gesundheitswesens droht. Der zuständige Minister Philipp Rösler (FDP) will die Kopfpauschale einführen: gleicher Beitrag für alle, unabhängig vom Einkommen, und Entlastung der Arbeitgeber. Bei der Pflegeversicherung sollen die Beitragszahler dazu verpflichtet werden, sich privat zusätzlich abzusichern. Riester lässt grüßen.

Ferner kündigte CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble ein milliardenschweres Sparpaket an. „Wir müssen das strukturelle Defizit ab 2011 um rund zehn Milliarden Euro pro Jahr verrringern“, sagte Angela Merkels Kassenwart der BILD im Dezember. Erwogen werden Mehrwertsteuererhöhungen. Inzwischen erklärte Schäuble, dass es noch schneller gehen könnte und alles auf den Prüfstand gehört.

Darüber hinaus stehen Änderungen bei den Hartz-Gesetzen an. Die Sprüche von Roland Koch (CDU) lassen erahnen, in welche Richtung es gehen soll. In der „Wirtschaftswoche“ vom 18. Januar forderte er, Hartz-IV-EmpfängerInnen noch stärker zu „niederwertiger Arbeit“ heranzuziehen.

Widerstand

Was auf Bundesebene droht, ist in vielen Kommunen bereits Realität. In Wuppertal sollen Theater, Schimmbäder und Bibliotheken geschlossen werden (SPIEGEL 2/2010). Neben Kürzungen in den Kommunen wird nun außerdem in vielen Betrieben die Kurzarbeit durch Entlassungen abgelöst werden.

Die nächsten Wochen und Monate sollten genutzt werden, um dagegen zu mobilisieren. Die Aktionen des Bündnisses „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ können eine wichtige Rolle dabei spielen. Die Bildungsproteste sind nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben.

Neben den sozialen Bewegungen kommt den Gewerkschaften hierbei eine zentrale Rolle zu. Kämpferische KollegInnen müssen von unten Druck machen, damit die Gewerkschaftsspitzen sich bewegen. Zudem sollte die Partei DIE LINKE in die Pflicht genommen werden. Mit Massenflugblättern und Plakaten muss jetzt informiert und mobilisiert werden.

Die Kopfpauschale ist das „Hartz IV des Gesundheitswesens“. Der Protest dagegen hat das Potenzial, Belegschaften aller Branchen zu aktivieren. Das muss mit dem Kampf gegen kommunale Kürzungen, Entlassungen und das Sparpaket verbunden werden. Sollte die Gewerkschaftsführung dazu gebracht werden, zu den Demonstrationen des Anti-Krisen-Bündnisses zu mobilisieren, könnte das auch eine wichtige Vorbereitung für einen, von den Gewerkschaften organisierten, eintägigen Generalstreik gegen den Generalangriff von Regierung und Kapital sein.