Erfolgreiche Mieterproteste

Gespräch mit Ursel Beck vom Vorstand der LINKEN im Ortsverband Stuttgart Bad-Cannstatt


 

Du bist seit fast einem Jahr in der Mieter- und Bürgerinitiative Hallschlag aktiv. Wie kam es dazu?

Zum Stadtbezirk meines Ortsverbands gehört der Stadtteil Hallschlag. Das ist ein so genannter „sozialer Brennpunkt“ mit hohem Anteil an Migranten und sozial Benachteiligten. 2007 hat der Stuttgarter Gemeinderat entschieden, den Hallschlag in das Programm „Soziale Stadt“ aufzunehmen. Es gab dann eine Bürgerversammlung, an der etwa 150 Leute teilnahmen. Die Vertreter der Stadt und des Projektmanagments haben dann tolle Reden darüber gehalten, wie sie den Stadtteil aufwerten wollen. Es war aber von Anfang ziemlich durchsichtig, um was es wirklicht geht: um die Kommerzialisierung des Stadtteils und die Vertreibung der bisherigen Mieter.

In dem Stadtteil wohnen sehr viele Leute in Wohnungen der städtischen Wohnungsgesellschaft SWSG. Die SWSG hat die privatrechtliche Rechtsform einer GmbH und der Finanzbürgermeister von Stuttgart, Michael Föll, ist der Aufsichtsratsvorsitzende. Die Vertreter der SWSG erklärten auf der Versammlung, dass sie die Wohnungen sanieren und zusätzlich Eigentumswohnungen bauen wollen. In meinem Redebeitrag hab ich dann gesagt, dass alle Planungen darauf hinauslaufen, dass die Mieten steigen und die jetzigen Bewohner sich dann diese Wohnungen nicht mehr leisten könnten. An dem starken Beifall war klar, dass ich damit den Unmut und die Ängste der Bewohner zum Ausdruck gebracht habe.

So habt ihr dann die Leute der Mieter- und Bürgerinitiative kennengelernt.

Ein Vertreter der Initiative, Karl Meier, hat mich nach dieser Versammlung um ein Gespräch gebeten. Wir beiden Sprecher des Ortsverbands haben uns dann im Sommer 2008 mit Karl Meier getroffen. Karl Meier war damals sehr pessimistisch, ob eine Wiederbelebung der stark überalterten Initiative möglich sei. Er meinte, die Leute im Hallschlag wären völlig demoralisiert.

In so einer Situation kann man die Leute in ihrem Pessimismus bestärken. Viele in der LINKEN hätten so reagiert. Man kann die Leute aber auch ermutigen und unterstützen. Das haben wir getan. Wir haben vorgeschlagen, zu einem Treffen einzuladen. Und das haben wir dann mitorganisiert. Im Januar 2009 gab es dann das erste Treffen. Es sind um die 60 Leute gekommen. Es zeigte sich, dass die Leute nur darauf warteten, irgendwo mal ihren Unmut über die SWSG zum Ausdruck bringen zu können.

Beim nächsten Treffen haben wir versucht, aus den wichtigsten Punkten Forderungen an die SWSG abzuleiten. Wir haben gemeinsam einen Brief mit Beschwerden und Forderungen an die SWSG formuliert und sind gleichzeitig an die Presse gegangen. Dadurch konnten wir unter anderem erreichen, dass 28 Mietparteien rückwirkend bis September 2008 20 Prozent Mietminderung bekamen.

Hat sich dadurch auch die Stimmung geändert?

Das kann man wohl sagen. Bei einer der letzten Versammlung meinten mehrere Anwesende, dass man was erreichen könne, wenn man es gemeinsam macht. Und diese Meinung hat sich inzwischen aufgrund der Erfahrung durchgesetzt.

Inzwischen bist du auch im Vorstand.

Klar war von Anfang an, dass wir die Initiative aktiv unterstützen. Es wäre mir aber wegen der vielen anderen politischen Aufgaben lieber gewesen, wenn ich nicht in den Vorstand hätte gehen müssen. Das Problem war jedoch, dass Karl Meier einen Schlaganfall bekam. Alle anderen hatten aber keine Erfahrung, wie man die Initiative führt und weiter aufbaut.

War es auch möglich, die Leute durch die Arbeit zu politisieren?

Karl Meier war bei den Grünen und auch im Bezirksbeirat. Er war aber total enttäuscht, als wir ihn kennenlernten. Er ist dann auch kurze Zeit später zur LINKEN übergetreten. Wir haben bei allen Sitzungen immer gesagt, dass wir von der LINKEN sind. Als im März die Demo „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ in Frankfurt anstand, haben wir bei der Mieterversammlung darauf hingewiesen. Das Ergebnis war, dass sieben Leute aus dem Hallschlag, die noch nie in ihrem Leben auf einer Demo waren, mitgefahren sind.

Im Bundestagwahlkampf, also nachdem die ersten Erfolge der Initiative erzielt worden waren, hatten wir in dem Wahllokal, wo wir die Mietminderungen durchsetzten, 19,9 Prozent! Im Wahlkampf hatten wir im Stadtteil zu einem politischen Frühstück eingeladen. Da waren 70 Leute da. Wir hatten auch einen Extra-Flyer gemacht, in dem wir unsere kritische Sichtweise des Projekts „Soziale Stadt – Zukunft Hallschlag“ erklärten und Forderungen im Interesse der Bewohner aufstellten.

Was sind die nächsten Herausforderungen für die Initiative?

Die SWSG-Geschäftsführung hat angekündigt, die Mieten im Jahr 2010 um bis zu zehn Prozent zu erhöhen. Dagegen müssen wir jetzt Druck machen. Eine weitere Baustelle sind die hohen Nebenkosten. Die Mieter sagen, das sei eine zweite Miete. Und natürlich wird es weiter darum gehen, jeden einzelnen Verstoß gegen Mieterinteressen rückgängig zu machen.