Kita-Streik ausweiten

Tarifkonflikt im Sozial- und Erziehungsdienst


 

Am 19. Juni wurden die Verhandlungen über einen Tarifvertrag zum Gesundheitsschutz und eine höhere Eingruppierung der Beschäftigten in den Sozial- und Erziehungsdiensten ergebnislos abgebrochen. Nach sechs Wochen Streik stellt sich die Frage, wie dieser Kampf gewonnen werden kann.

von Ursel Beck, Stuttgart

Bei einer bundesweiten Streikdelegiertenversammlung Mitte Juni gab es laut ver.di aus allen Streikgebieten die Rückmeldung, dass die Streikbereitschaft ungebrochen ist. Auch die Mehrheit der Eltern hat nach wie vor Verständnis für den Streik. Wenn die Gewerkschaften ver.di und GEW aber eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 durchsetzen wollen, dann muss der Druck im Kessel erhöht werden. Durch eine einfache Verlängerung des Streiks kann das nicht erreicht werden.

Es ist es notwendig, die Beschäftigten der freien und kirchlichen Träger mit in die Auseinandersetzung einzubeziehen. Legale Streikfähigkeit kann hier über die Forderung nach einem Tarifvertrag erreicht werden. Berlin muss ebenfalls miteinbezogen werden.

Solidaritätsstreiks

Ein weiterer notwendiger Schritt sind Solidaritätsstreiks der anderen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst und aller Gewerkschaften. Dadurch könnten auch die Eltern, die hinter den ErzieherInnen stehen, eine aktive Rolle spielen.

Die Beschäftigten des gesamten Öffentlichen Dienstes hätten längst in die Auseinandersetzung mit einbezogen werden müssen. Denn es geht nicht nur um eine neue Eingruppierung für die ErzieherInnen, sondern um alle Beschäftigten im Öffentlichen Dienst. Durch den Tarifvertrag TVÖD wurden im Jahr 2005 ihre Einkommen abgesenkt, berufliche Aufstiege und Zuschläge abgeschafft. Nicht nur die Erzieher- und SozialarbeiterInnen, sondern alle Beschäftigten wollen sich damit nicht abfinden. In ver.di-Extra macht der für Tarifpolitik zuständige Funktionär im Bundesvorstand deutlich, dass die unnachgiebige Haltung der Arbeitgeber bei Sozial- und Erziehungsdiensten alle trifft: „Allen anderen Beschäftigten, für die der TVÖD gilt, wird damit eine Absage erteilt, zu einer guten Eingruppierung in Entgeltgruppen zu kommen.“

Das Fatale dabei ist allerdings, dass ver.di den Arbeitgebern mit der Zustimmung zur Abschaffung des BAT diesen Hebel selbst in die Hand gegeben hat. Wenn die Arbeitgeber behaupten, sie würden den ErzieherInnen bis zu 340 Euro oder im Durchschnitt elf Prozent mehr zugestehen, dann liegt das immer noch unter dem BAT-Niveau von 2004 und zeigt nur, wie hoch die Verluste durch den TVÖD sind.

Solikomitees

Die Auseinandersetzung bei den ErzieherInnen muss zur Auseinandersetzung aller Gewerkschaften gemacht werden. Das muss von unten eingefordert werden. Eltern und GewerkschafterInnen sollten vor Ort Solikomitees gründen, Proteste vor und in den Rathäusern organisieren und sich für Solidaritätsstreiks einsetzen.

Laut ver.di soll im September vor der Bundestagswahl zwei Wochen lang bundesweit in den Kitas und Jugendämtern gestreikt werden. Spätestens dann ist eine massive Solidaritätskampagne notwendig. Die Vernetzungen, die durch den Bildungsstreik entstanden sind, sollten dafür genutzt werden.

Ein erfolgreicher Streik bei den Erziehungs- und Sozialdiensten ist auch notwendig für eine Offensive bei Bund und Kommunen in der Tarifrunde 2010. Spätestens dann muss es um mehr Geld für alle, für die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn– und Personalausgleich und weitere Verbesserungen für die ErzieherInnen, SozialarbeiterInnen, Müllwerker, Krankenschwestern und Verwaltungsangestellten gehen.

Unterstützung von Eltern

15. Juni: 30.000 Erzieher- und SozialarbeiterInnen nehmen an einer bundesweiten Demo in Köln teil. Die Deutzer Brücke muss gesperrt werden, da der Platz für die Abschlusskundgebung zu voll ist. Als der trillernde Demozug an einer Baustelle vorbeizieht, hupt der LKW-Fahrer im Takt mit. Die Bauarbeiter auf der Laderampe winken. Am Rathaus halten zwei Mütter mit vier Kindern ein Plakat hoch: „Wir wollen viele und gesunde Erzieherinnen für gute Bildung!“

Die Tagesschau-Reporterin fragt eine Mutter: „Mal ehrlich. Sind Sie nicht langsam ein bisschen genervt von dem Streik?“ „Ja, sehr. Ich habe langsam keinen Urlaub mehr. Die Bayern sollen auch mal streiken! Aber die Forderungen sind richtig!“ Von einer anderen Mutter angesprochen, dass die Fragestellung nicht gerade neutral wäre, antwortet die Reporterin schlecht gelaunt: „Ich habe selber ein Kind und muss jeden Tag gucken, wie ich es untergebracht bekomme. – Aber machen Sie sich keine Sorgen, die Eltern sagen immer, dass sie die Erzieherinnen unterstützen. Das kommt alles in den Antworten.“ K. Openorth, Köln