Opel: Kein Rettungsplan

Zur so genannten Lösung für den Autokonzern


 

Es gibt keine »Lösung« bei der Opel-Krise. Im Gegenteil: Allem Rettungsgerede zum Trotz hat sich die Lage beim Autobauer am Pfingstwochenende verschärft. Die Opel-Beschäftigten wurden verraten und – auch im übertragenen Sinn – verkauft. Und die Öffentlichkeit wird verdummt.

von Winfried Wolf

Tatsächlich wurde nichts verbindlich vereinbart. Verbindlich dürfte nur der Belegschaftsabbau von 8500 Jobs, darunter 2600 in Deutschland sein. Faktisch wurde das Aus für Bochum in den nächsten zwei Jahren und das Aus für Saab 2009 oder 2010 beschlossen.

Die Tatsache, daß die Vereinbarungen völlig vage und unverbindlich sind, ist die erste von fünf Sollbruchstellen der sogenannten Opel-Lösung: Am Pfingstwochenende gab es anstelle eines belastbaren Opel-Konzepts nur ein drei Seiten dünnes »Memorandum of Understanding«, eine rechtlich unverbindliche Absichtserklärung, an der die Bundesregierung, der klinisch bereits tote GM-Konzern und der österreichisch-kanadische Autozulieferer Magna beteiligt sind. Für die rechtlich verbindlichen Verträge soll es laut Bundesregierung ein »Closing im September« geben. Vertragsabschluß kurz vor der Bundestagswahl – oder eventuell am Ende danach?

Seit Mitte Dezember 2008 erklärte Kanzlerin Angela Merkel mehr als ein dutzendmal, man werde »in den nächsten Wochen« eine Lösung für Opel finden. Ein halbes Jahr nach dem offenen Ausbruch der Opel-Krise heißt es, man werde in vielleicht einem Vierteljahr wasserdichte Vereinbarungen haben. Einen derart zynischen Umgang mit Zehntausenden Existenzen gab es auch hierzulande höchst selten.

Sollbruchstelle 2 ist die extrem labile Struktur des neuen, zum Teil erst »angedachten« Unternehmens: Weil Magna und die russische Sberbank aktuell nicht bei Opel einsteigen, wird Opel (GM Europe) zunächst bei GM ausgegliedert und zu einer Art New Opel. Sodann werden 65 Prozent von New Opel in eine Treuhandgesellschaft überführt; 35 Prozent der New-Opel-Anteile bleiben Eigentum des alten Eigentümers GM. Die formellen Eigentümer der neu gegründeten Opel-Treuhand bleiben unklar. Bekannt ist, daß es zwei Geschäftsführer geben wird. Laut Handelsblatt handelt es sich dabei um den Frankfurter Rechtsanwalt und »Sanierungsspezialisten« Alfred Hagebusch und GM-Europe-Vizechef Eric Stevens. Die Zusammensetzung des Treuhand-Beirats deutet auf die Machtverhältnisse hin: Zwei Beiräte stellt die Bundesregierung, zwei GM, der »neutrale fünfte« soll der US-Amerikaner Fred Irwin, der Präsident der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland, sein. Das wäre, wenn wir richtig rechnen, eine US-Mehrheit.

Sollbruchstelle 3 sind die möglichen neuen privaten Opel-Eigner. Nach dem »Letter of Understanding« sollen der Autozulieferer Magna und die Sberbank zu einem späteren Zeitpunkt Teile der Treuhand übernehmen. Interessanterweise wird Magna dann nur 20 Prozent übernehmen; die Sberbank soll mit 35 Prozent der größte neue private Miteigentümer werden, wobei GM auch dann weiter mit 35 Prozent beteiligt bleibt. Die restlichen zehn Prozent dürfen Opel-Händlern und Opel-Beschäftigte unter sich verteilen. GM und die Sberbank wären damit die größten Aktionäre. Kommt es also zu dieser offensichtlich erstrebten »privatwirtschaftlichen Neuordnung« von New Opel, so wären die Eigentümer eine zunächst krachend pleite gegangene und dann unter staatlicher Kontrolle stehende Gesellschaft New GM, eine im Strudel der Finanzkrise befindliche russische Staatsbank, die eng vernetzt ist mit dem kriselnden russischen Autobauer GAS, und schließlich ein Autozulieferer, dessen Umsatz sich im letzten halben Jahr halbiert hat.

Sollbruchstelle 4 ist der fehlende Bruch mit GM: Bereits jetzt wurde vereinbart, daß die neue Opel-Gesellschaft an das GM-Nachfolgeunternehmen Lizenzgebühren für den weiteren Bau der aktuellen Pkw-Flotte bezahlen wird. Generell besagt ein Anteil von 35 Prozent, den GM an New Opel weiter halten soll, daß der Einfluß des US-Konzerns bei Opel maßgeblich bleibt. Da Magna der zweitgrößte GM-Zulieferer ist, könnte GM im Zweifelsfall bei Abstimmungen auch auf Magna-Stimmen rechnen – womit sie bei Opel eine 55-Prozent-Mehrheit hätten.

Sollbruchstelle 5 ist ein wirklicher Hammer: Offiziell heißt es in dem »Memorandum«, daß Opel »weltweit Pkw verkaufen darf«. Doch gleichzeitig wurde vereinbart, daß dies nicht für die USA, für eine längere Frist nicht für Kanada und nur unter spezifischen Auflagen für China gelte. Das sind tödliche Einschränkungen für einen Pkw-Massenhersteller. Dieser muß auf vier der fünf entscheidenden Regionalmärkte für Pkw präsent sein. Es geht dabei um Nordamerika (= Nr. 1), China (= Nr. 2), Westeuropa und Südamerika. Doch New Opel soll von den zwei wichtigsten Märkten ferngehalten werden.

All das ist von längerer Hand geplant. GM beschloß Anfang 2009, daß der Konzern in China nur mit den Marken Buick, Chevrolet und Wuling (letzteres eine GM-Fertigung in China) antritt. Opel ist in China nur in homöopathischer Dosierung präsent; 2008 wurden dort 4000 Opel-Modelle verkauft. Auch das neue Modell Insignia wird in China nicht als Opel, sondern als Buick präsentiert.

Winfried Wolf ist marxistischer Ökonom und Chefredakteur der Zeitschrift Lunapark21. Dieser Artikel erschien zuerst in der jungen Welt vom 2.6.2009.

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