SAV-Wahlkampf in Rostock

„Die ganze Stadt redet über Sie!“


 

Diese freundlich gemeinten Worte eines Passanten hallten über die Straße, als Christine Lehnert, Spitzenkandidatin der SAV für die Rostocker Bürgerschaft, am Infostand Wahlprogramme verkaufte.

von René Henze, SAV Rostock

Mit nur einer einzigen Abgeordneten hat es die SAV in Rostock geschafft, zu einer unübersehbaren politischen Kraft zu werden. Grund dafür ist, dass die SAV als einzige gegen jede soziale Kürzung, gegen jede Privatisierung und jede Form von Stellenabbau eingetreten ist – und zwar konsequent. Durch Mobilisierung von Betroffenen konnten die anderen Parteien sogar so weit unter Druck gesetzt werden, dass sie einige Kürzungspläne zurück nehmen mussten. Das alles ist nachzulesen im SAV-Programm für die Kommunalwahl. Eine Renterin rief kürzlich nach dem Durchlesen des Programms im SAV Büro an und sagte: „Ich finde das toll, was ihr da macht. Ich bin begeistert, dass es junge Leute gibt, die endlich Widerstand organisieren.“ Es gibt viele weitere positive Rückmeldungen. An Infotischen erklärten Leute, dass sie die SAV mit drei Kreuzen (die größtmögliche Stimmvergabe) wählen werden oder dass sie das bereits per Briefwahl getan haben.

Es ist allerdings zu erwarten, dass die Wahlbeteiligung insgesamt extrem niedrig sein wird – vielleicht geht sie gar unter den Stand vom letzten Mal, wo es nur 35 Prozent waren! Beim Wahlkampf ist zu spüren, dass es eine breite Ablehnung und Hass auf die Bürgerschaft und die etablierten Parteien im allgemeinen gibt. In einigen Stadtteilen ist die Resignation so stark, dass es schwer ist, überhaupt noch an die Menschen heranzukommen. Leider fehlt zur Zeit auch ein bedeutendes Beispiel von aktivem Widerstand aus Betrieben oder von der Jugend. Trotzdem sagen viele: „Wir müssten alle auf die Straße gehen! Das ist das einzige, was hilft.“

Statt blühender Landschaften hat es mit der Einführung des Kapitalismus auch in Rostock einen industriellen Kahlschlag gegeben. Bis zum Wahltermin wird versucht, die wirklichen Auswirkungen der jetzigen Wirtschaftskrise auf die Arbeitsplätze in der Region zu verschleiern. So stehen die Werften seit geraumer Zeit vor der Insolvenz. Rechtzeitig vor dem Wahltermin am 7. Juni wird verkündet, dass das Land eine weitere Bürgschaft von 40 Millionen Euro übernimmt. In der Presse wird daraufhin so getan, als seien die Werften damit gerettet. Trotzdem sind sich viele Menschen bewusst, dass die Arbeitslosigkeit in den nächsten Monaten ansteigen wird.

Leere Versprechungen

Die bürgerlichen Parteien machen wie üblich Versprechungen und sagen, es gebe natürlich keine weiteren Kürzungen. Dennoch wird zwei Wochen vor der Wahl auf einmal verlautbart, die Stadt habe ein Defizit von 10 Millionen Euro. Dazu kommt die Ankündigung der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern, den Kommunen künftig 22 Millionen Euro weniger zuzuweisen, wobei sie gleichzeitig beschließen, sich die Diäten zu erhöhen. Rostocks Oberbürgermeister Methling hat zehn Tage vor der Wahl angekündigt, weitere zehn Millionen Euro im Haushalt zu kürzen. Die Senatorin für Jugend und Soziales, Gesundheit, Schule und Sport (SPD), sagte daraufhin bereits, sie stelle „ausnahmslos alle freiwilligen Leistungen auf den Prüfstand“. Wenn jetzt schon vor der Wahl solche Töne kommen, was wird erst nach dem Wahltag folgen?

Methling war 2005 mit 58 Prozent gewählt worden, weil er als Parteiloser an dem Frust der WählerInnen anknüpfen konnte. Jedoch stellt sich jetzt heraus, dass er und seine Wahlliste „Für Rostock – Pro OB“ den schärfsten Ton von allen bürgerlichen Parteien anschlagen. Ihr Wahlkampfslogan ist Haushaltssanierung, ihr eigentliches Ziel Privatisierung im großen Stil. Nach ihrer Logik muss die Stadt mit dem Verkauf öffentlichen Eigentums die Schulden abbauen. Hinter „Pro-OB“ stehen Rostocker Unternehmen und Teile des Mittelstands. Dieser Fügel der Unternehmer erhofft sich dann von der Sanierung des städitischen Haushalts , dass sie Aufträge von der Stadt erhalten. Außer Privatisierung wollen sie auch Einsparungen bei den Personalkosten der städtischen Beschäftigten durch einen Haustarifvertrag erzwingen. Das wollen auch alle anderen bürgerlichen Parteien, bis zu den Grünen, die sich für eine „kluge Privatisierung“ einsetzen.

Den Frust gegen das System und über die etablierten Parteien versucht bei dieser Wahl auch die NPD für sich zu nutzen. Fast alle Hauptstraßen sind mit Nazipappen behängt. So prangen Sprüche wie „Touristen willkommen, Asylbetrüger raus“ von den Laternen, um rassistische Spaltung zu verstärken. Einige Jugendliche in der Stadt haben bereits Hand angelegt, um die Hetzparolen zu beseitigen. Die SAV hat die Initiative ergriffen, Gewerkschaften, die Partei DIE LINKE, weitere Organisationen und SchülerInnen für eine Aktion zu gewinnen, Nazi-Plakate öffentlich abzuhängen. Mit diesem Akt von „zivilem Ungehorsam“ soll kurz vor den Wahlen nochmal ein Signal gesetzt werden, dass Nazis in Rostock nicht erwünscht sind. Wenn die NPD in die Bürgerschaft einzieht, wird das auch nicht ohne Protest über die Bühne gehen.

DIE LINKE

DIE LINKE hatte das Angebot der SAV zu einer gemeinsamen Kandidatur auf der Basis eines Programms gegen Sozialabbau, Privatisierungen und Arbeitsplatzvernichtung ignoriert. Ihren Wahlkampf nutzt sie nicht zur Organisierung von ArbeiterInnen und Jugendlichen und zur Mobilisierung von Widerstand. Dies drückte sich nicht zuletzt darin aus, dass der Wahlkampfauftakt auf den 16. Mai gelegt wurde – genau der Tag, an dem die Gewerkschaften bundesweit zu einer Massendemonstration nach Berlin mobilisierten! Das Bekenntnis der LINKEn-Führung zu einer Politik der Haushaltskonsolidierung lässt negative Erinnerungen an die Jahre aufkommen, in denen die PDS im Land Mecklenburg-Vorpommern und in der Stadt Rostock mit der SPD koalierte und durch eine angepasste Politik "des kleineren Übels" viel Unterstützung in der Bevölkerung verlor. Die SAV will durch eine Stärkung ihrer Position in der Rostocker Bürgerschaft auch den Druck auf DIE LINKE steigern, endlich eine Politik zu betreiben, die ArbeitnehmerInnen, Erwerbslose und sozial Benachteiligte von ihr erwarten: Interessenvertretung statt Anpassung an das kapitalistische Establishment.

Es gibt noch einiges in der letzten Woche vor der Wahl zu tun.Vor dem Hintergrund einer verzweifelten und teilweise resignativen Stimmung muss ein harter Kampf um jede Stimme geführt werden – alleine darum, dass Leute den Schritt machen, zur Wahl zu gehen. Die SAV Rostock ist selbstbewusst, denn eins ist deutlich: die Unterstützung für die SAV ist enorm angewachsen, auch weil Christine Lehnert ihr Mandat in der Bürgerschaft dafür nutzte, durch Mobilisierungen konkrete Verbesserungen wie das Sozialticket zu erreichen und Kürzungen bei der Obdachlosenhilfe zu verhindern. Sie hat auch mitgeholfen, die geplante Privatisierung der Südstadtklinik zunächst zu stoppen. Viele Menschen haben die konkrete Erfahrung gemacht, dass unser Weg des Widerstands der richtige ist. Immer mehr treffen wir auf Zustimmung darüber, dass der Kampf für Reformen mit dem Kampf für eine sozialistische Gesellschaft verbunden werden muss. Daher gibt es auch immer mehr Menschen, die uns nicht nur auf die Schulter klopfen, sondern auch selbst aktiv zu werden und gemeinsam mit uns zu kämpfen.