DGB-Demonstration am 16. Mai in Berlin

So wird das nichts. Für Widerstand statt Schulterschluss mit SPD.


 

„Wir machen Alarm“ stand auf tausenden T-Shirts, die ver.di an DemonstrantInnen verteilt hatte, die sich am 16. Mai im Rahmen des europäischen Aktionstages der Gewerkschaften an der zentralen Demonstration des DGB in Berlin beteiligten. 100.000 waren nach Angaben der Veranstalter gekommen. Europaweit waren es in Madrid, Brüssel, Prag und Berlin zusammen 330.000. Doch Alarm sieht anders aus, als das, was die Herren Sommer, Bsirske und Huber aus den Gewerkschaftsführungen am Samstag veranstalteten.

von Sascha Stanicic, Berlin

Kolleginnen und Kollegen der Süddeutschen Zeitung aus München brachten es mit ihrem Transparent auf den Punkt: „Es reicht! Generalstreik!“ Das Aktionsbündnis, das die Demonstrationen am 28. März organisiert hatte, verteilte hunderte Schilder, auf denen der politische Streik gefordert wurde und die Parole „Kämpfen statt verzichten“ stand. Im Block der Gewerkschaftsjugend, der sich für die Übernahme von Auszubildenden in den Beruf stark machte, wurde Bretolt Brechts Lieder von der Arbeitereinheitsfront gesungen und „One solution – Revolution!“ skandiert, während im Bildungsstreik-Block – der auf den Mitte Juni geplanten Bildungsstreik aufmerksam machte und zum großen Teil von AktivistInnen der Linksjugend["solid] und dem LINKE.SDS gestellt wurde – gesungen wurde: „Ohne Bildung wähl"n wir SPD!“

Doch diese von Teilen der Basis und der Jugend zum Ausdruck gebrachte Kampfbereitschaft passte nicht zum lahmen und moderaten Ton, der von der Gewerkschaftsführung gesetzt wurde. Diese hatte pünktlich zur Demonstration ein gemeinsames Positionspapier mit der SPD veröffentlicht und so den engsten Schulterschluss zwischen Gewerkschaftsführung und Sozialdemokratie seit Schröders Wahl zum Agenda-Kanzler 1998 dokumentiert. Sicherlich auch deshalb, und weil viele sich von samstäglichen Demonstrationen keine gesellschaftliche Veränderung mehr erhoffen, sind viele der wütendsten KollegInnen zu Hause geblieben, wie auch viele Erwerbslose und Jugendliche, die noch in deutlich größerer Anzahl an den Anti-Krisen-Demonstrationen am 28. März teilgenommen hatten.

DGB macht Wahlkampf für SPD

Wütend waren auch IG Metall-DemonstrantInnen als sie sahen, dass einer der beiden Demonstrationszüge in der ersten Reihe von ver.di-Chef Frank Bsirske in braver Eintracht mit dem SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering und den Grünen-SpitzenpolitikerInnen Cem Özdemir, Renate Künast und Jürgen Trittin angeführt wurde. Demonstrativ ließen die MetallerInnen eine circa fünfzig Meter lange Lücke zur Demo-Spitze, wo sich hinter den Agenda 2010-Konstrukteuren einige SPD-Fahnenträger versammelt hatten und einige linke AktvistInnen Sprechchöre gegen Hartz IV skandierten, was den Hartz IV-Machern in der ersten Reihe sichtlich unangenehm war – vor allem als immer wieder die Aufforderung „Hartz IV für Politiker“ ertönte.

Die ganze Veranstaltung wurde von der Gewerkschaftsführung zum Wahlkampf für die SPD missbraucht. In den Reden wurde konsequent nur auf CDU/CSU und FDP geschimpft, als ob die SPD nicht Teil der Großen Koalition wäre. Es wurde dazu aufgerufen bei den Europawahlen für Mindestlohn abzustimmen, was ja mittlerweile auch von der grünen Partei unterstützt wird. Dass das Lohnniveau in der Bundesrepublik vor allem durch die Einführung von Hartz IV massiv abgesenkt wurde und dies ein wichtiger Faktor dabei ist, der einen gesetzlichen Mindestlohn erst nötig macht, wird von Gewerkschaftsführung und SPD ignoriert.

Für wirklichen Widerstand!

Es wurde eine wichtige Gelegenheit verpasst, tatsächlichen Widerstand gegen die Krisenverusacher zu mobilisieren und den abhängig Beschäftigten eine politische Perspektive gegen die kapitalistische Krise und ihre Folgen zu geben. Wenn der IG Metall-Vorsitzende Huber davon spricht, dass „möglichst wenige Arbeitsplätze“ verloren gehen dürfen, dann ist das kein Aufruf zur Gegenwehr, sondern zum Hinnehmen des Abladens der Krisenfolgen auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung.

Trotzdem zeigt die Tatsache, dass die Gewerkschaften diese Mobilisierung durchführen mussten, dass der Druck in den Betrieben und Gewerkschaften zunimmt. Dies muss in den kommenden betrieblichen Auseinandersetzungen gegen Entlassungen und Betriebsschließungen gesteigert werden. Nur gemeinsamer Widerstand aller von Arbeitslosigkeit und Kahlschlag Betroffenen wird etwas bewirken können. Der von der SAV und anderen DemonstrantInnen aufgeworfene Vorschlag, einen Generalstreik vorzubereiten, traf auf Interesse und an den SAV-Info-Ständen wurden erfolgreich Unterschriften für diesen Vorschlag gesammelt. Es wurde aber auch deutlich, dass zum jetzigen Zeitpunkt sowohl die Vorstellung fehlt, wofür ein solcher Streik organisiert werden könnte, als auch, wie dieser gegen die Blockade der Gewerkschaftsführung durchgesetzt werden könnte. Dementsprechend hat die Demonstration vom 16. Mai einmal mehr die Notwendigkeit des Aufbaus einer innergewerkschaftlichen Opposition deutlich gemacht, die den angepassten und hochdotierten Spitzenfunktionären eine kämpferische und antikapitalistische Alternative entgegen stellt.

SAV-Mitglieder beteiligten sich in vielfältiger Weise an der Demonstration. Viele beteiligten sich an dem Bildungsstreik-Block, an dem circa 500 SchülerInnen, Studierende und Azubis teilnahmen und in dem eine laute und kämpferische Stimmung herrschte. Andere SAV-Mitglieder verteilten viele der Schilder für das Aktionsbündnis, das die Demos am 28. März organisiert hatte. Andere wiederum beteiligten sich an dem kleinen Block der alternativen MetallerInnen von Daimler.

DGB-Ordner greifen linke Gruppen an

Wie üblich hatte die SAV, und auch andere linke Organisationen, schon frühzeitig am Kundgebungsplatz einen Info-Stand aufgebaut. Dieser sollte nach Beschluss des DGB-Vorstandes verboten werden. Politische Organisationen hätten mit Info-Ständen nichts zu suchen. Ein inhaltliches Argument dafür wurde nicht gegeben. Als sich die SAV-Mitglieder erst einmal weigerten und auf die Traditionen der Arbeiterbewegung hinweisen, nach denen sich alle Strömungen frei und offen äußern können, tauchten zwanzig rabiate DGB-Ordner auf, die Material vom Tisch warfen und den Pavillon, unter dem der Tisch stand, zerstörten. Auch andere linke Gruppen wurden von diesen Ordnern tätlich angegriffen. Das ist ein übles Exempel, das die Gewerkschaftsführung hier an sozialistischen Gruppen exerziert hat. Auch so soll die Kritik an der Politik der Spitzenfunktionäre und an der SPD klein gehalten werden. SAV-Mitglieder ließen sich aber nicht davon abhalten, ihren Tisch wieder aufzubauen, als eine größere Anzahl von DemonstrantInnen auf dem Kundgebungsplatz angekommen war. Denn vor ihrer Basis trauen sich die DGB-Bürokraten nicht, diese Methoden anzuwenden, weil sie wissen, dass sie auf kein Verständnis dafür stoßen würden.

Wir rufen unsere LeserInnen dazu auf gegen dieses Vorgehen der DGB-Führung Protestbriefe an den DGB-Vorsitzenden Sommer (über seine persönliche Referentin) zu schicken: barbara.susec@dgb.de

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