30.000 sagen „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ in Berlin

Erfolgreicher Auftakt für den Widerstand gegen die Auswirkungen der kapitalistischen Krise


 

Die Wut war groß unter den 30.000 DemonstrantInnen aus Nord- und Ostdeutschland, die in Berlin am Samstag auf die Straße gegangen sind, um eine klare Botschaft an Regierung und Kapital zu richten: für die Kosten der Krise sollen die Verursacher zahlen, nicht die breite Masse der lohnabhängigen Bevölkerung.

von Torsten Sting, Rostock und Sascha Stanicic, Berlin

Aufgerufen hatte ein breites Bündnis aus Attac, DIE LINKE, Umweltorganisationen und Gewerkschaftsgliederungen. Gemessen an den Kräften, die für diese Demo mobilisierten, war die Teilnehmerzahl ein Erfolg. Die Demonstration kann aber, wie die parallel unter demselben Motto stattfindende Demo in Frankfurt/Main, nur ein Beginn des notwendigen Widerstands gegen die Auswirkungen der kapitalistischen Krise sein.

Stimmung

Die Teilnehmer der Demo brachten eine gute Stimmung mit und viel Kreativität. Auf vielen selber hergestellten Transparenten und Handschildern, spiegelte sich die Wut auf die Banker und die wachsende Kritik am Kapitalismus als ganzes wieder. So trug die verdi-Jugend symbolisch den Kapitalismus zu Grabe, andere forderten – in Anspielung auf die Auto-Abwrackprämie – dass das kapitalistische System abgewrackt gehört.

Auf vielen Schildern und in mehreren Reden wurde unter anderem die Forderung nach der Enteignung der Konzerne aufgeworfen.

Auch Gregor Gysi sprach davon, dass der Kapitalismus die Ursache der Krise sei. Er verzichtete aber darauf darzulegen, was am Kapitalismus die entscheidende Ursache für seine Krisenhaftigkeit ist und griff Profitlogik und Marktkonkurrenz einmal mehr nicht grundlegend an. Die von ihm aufgestellte Forderung nach Enteignung der Hypo Real Estate und nach Verstaatlichung aller Banken erntete aber tosenden Applaus.

Generalstreik

Die SAV brachte bei dieser Demo als nächsten Kampfschritt die Ideen eines eintägigen Generalstreiks in die Debatte ein. Auf einem der größten Transparente der ganzen Demonstration hatte die SAV die Parolen: “Nächster Schritt: 24h-Generalstreik! Verstaatlichung der Banken und Konzerne!”in die Demonstration getragen.

Als Carsten Becker, Personalrat und verdi-Betriebsgruppenvorsitzender am Berliner Universitätsklinikum Charité, diesen Vorschlag in seiner Rede erwähnte, bekam er lautstark Applaus, wie auch für seine Forderung nach einer “sozialen und sozialistischen Lösung aus der Krise”. Viele TeilnehmerInnen trugen sich in Unterschriftenlisten für einen eintägigen Generalstreik ein. Nach der Demo gilt es nun diese Idee in die Gewerkschaftsgliederungen und in DIE LINKE rein zutragen.

Potential

Dass die Demonstration nicht größer und das Potential bei weitem nicht ausgeschöpft wurde, liegt vor allem an der Rolle der Partei DIE LINKE und der Sabotage der Gewerkschaftsführung. Zwar rief der Parteivorstand der LINKEn zur Demonstration auf und beteiligte sich an den Vorbereitungen. In der konkreten Mobilisierung in den Orten, waren die Anstrengungen im Regelfall äußerst schwach. In Berlin selber hat DIE LINKE zum Beispiel in den letzten Wochen eine Plakatkampagne zur anstehenden Volksabstimmung zur Frage des Ethik- und Religionsunterrichts organisiert, ein Plakat zur Mobilisierung für die Demonstration suchte man im Stadtbild aber vergeblich. Diese Mobilisierung auf der Straße und vor Betrieben blieb auch in Berlin den kleineren Gruppen im Bündnis und Teilen der Linksjugend[‘solid] überlassen.

Ähnlich die Situation bei den Gewerkschaften. Die Führung des DGB verweigerte die Unterstützung, setzte demgegenüber einen eigenen Demotermin am 16.Mai. Für die TeilnehmerInnen der Demo war aber klar, dass dieser 16. Mai der nächste große Mobilisierungspunkt sein muss.

Trotzdem gab es eine betriebliche und gewerkschaftliche Beteiligung, vor allem aus der IG Metall, von verdi und der GEW. Und in den Gewerkschaften hat eine Debatte über die Notwendigkeit von Widerstand begonnen. So haben die Demonstrationen vom 28. März auch eine wichtige Wirkung in die potenziell stärksten Organisationen des gesellschaftlichen Widerstands gehabt.

Deutlich auf sich aufmerksam gemacht haben auch Studierende und SchülerInnen, die für den für Mitte Juni angesetzten Bildungsstreik warben.

Polizeigewalt

Überschattet wurde die friedliche Demo von massiver Polizeigewalt am Ende der Demonstration. Als Teile der antikapitalistisch-autonomen DemonstrantInnen einen harmlosen Abstecher in eine von der Demoroute abweichende Straße unternahmen, knüppelte die Staatsgewalt in die Menge und sorgte für Panik. Offensichtlich brauchte die Polizei Gewaltbilder, um die Schikanierung der Demonstration und die Verweigerung der von den Anmeldern beantragten Demoroute zu rechtfertigen. Bei diesem massiven und brutalen Polizeieinsatz wurde ein Infostand der SAV angegriffen und, nach Augenzeugenberichten, bewusst zerstört. Einzelne Polizeibeamte sprangen sogar auf den Tisch und zertrampelten ihn (am Ende dieses Fernsehberichts ist die Zerstörung des SAV-Stands zu sehen: http://www.mdr.de/mdr-aktuell/6244108.html )

Doch auch dieser Angriff konnte die erfolgreiche Beteiligung der SAV an dieser Demonstration nicht schmälern. Mit 300 verkauften Ausgaben der ‘Solidarität’ erfuhren die anwesenden SAV-AktivistInnen aus Berlin, Bremen, Hamburg, Leipzig, Bremerhaven und Dresden eine sehr positive Resonanz. Eine ganze Reihe von DemonstrantInnen zeigten auch großes Interesse an den vom 10. Bis 12. April stattfindenden Sozialismustagen oder äußerten sogar spontan, dass sie daran teilnehmen werden.

Diese Eskalation zum Ende des Protestes sollte uns aber eine Warnung sein, zu welchen Mitteln der Staat greifen wird, wenn der Protest ernsthafter wird. Umso wichtiger ist es in den nächsten Wochen und Monaten den Widerstand auf breitere Füße zu stellen.