Wie weiter nach dem 28. März?

Für eine Steigerung und Politisierung des Widerstands. Ursachen der Krise bekämpfen.


 

Während in Frankreich in diesem Jahr schon zwei eintägige Generalstreiks mit millionenfacher Beteiligung stattfanden, in Irland für einen Generalstreik am 30. März mobilisiert wird und auf Guadaloupe sogar 44 Tage general-gestreikt wurde, kommt der Widerstand gegen Auswirkungen und Ursachen der kapitalistischen Weltkrise in Deutschland scheinbar nur langsam in Fahrt. Die Demonstrationen vom 28. März in Berlin und Frankfurt am Main können und dürfen nur ein erster Auftakt sein.

von Sascha Stanicic, SAV-Bundessprecher

Mittlerweile kann kein Vertreter des Kapitalismus mehr leugnen, dass die Welt in der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs steckt. Für Deutschland werden im Wochenrythmus schlechtere Wachstumsprognosen abgegeben. Bis zu fünf Prozent soll das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr schrumpfen.

Regierung und Kapitalisten versuchen durch staatliche Eingriffe in die Wirtschaft, Ausdehnung der Kurzarbeit und andere Maßnahmen die Auswirkungen der Krise zu mildern und heftige Angriffe auf den Lebensstandard und die Rechte der Lohnabhängigen zu verzögern. Zweifellos wollen sie die Bundestagswahlen und in vielen Konzernen wahrscheinlich auch die Betriebsratswahlen im nächsten Jahr über die Bühne bringen, bevor sie die Last der Krise mit voller Wucht auf die Arbeiterklasse fallen lassen. Ob die Entwicklung der Krise eine solche Verzögerung zulässt, ist jedoch offen. Zu Verhindern sind sie sicher nicht.

Neue Qualität von Angriffen …

Diese Verzögerungstaktik führte bisher dazu, dass die Krise zwar zu massenhafter Verunsicherung geführt hat, aber sich noch nicht massenhaft die Schlussfolgerung durchgesetzt hat, dass Widerstand gegen ihre Auswirkungen nötig ist. Das wird sich ändern, wenn immer mehr Beschäftigte, Erwerbslose, RentnerInnen und Jugendliche diese Auswirkungen am eigenen Leib zu spüren bekommen.

Das wird auf allen Ebenen geschehen. Die halbe Million Kurzarbeiter von heute sind größtenteils die Arbeitslosen von morgen. Hunderte Fabriken und Betriebe werden schließen. Nach offiziellen Schätzungen wird die offizielle Erwerbslosigkeit bis 2010 auf 4,3 Millionen ansteigen (diese werden sicher im Zuge der Krise weiter nach oben korrigiert und die reale Erwerbslosigkeit liegt ohnehin deutlich höher), andere sprechen von sechs Millionen. Die Staatsverschuldung von heute sind die Kürzungen von morgen, was noch durch seit Februar 2009 sinkende Steuereinnahen der öffentlichen Haushalte verstärkt werden wird. Das wird zu neuen Privatisierungs- (wenn sich denn Käufer finden lassen) und Sozialabbau-Orgien führen. Die Freude, die der eine oder andere angesichts zur Zeit sinkender Preise verspüren mag, wird der Sorge weichen, wenn die Löhne ebenfalls massiv unter Deflationsdruck geraten werden. Wir stehen vor einer neuen Qualität von Angriffen, die hunderttausende und Millionen Existenzen vernichten werden.

… erfordert neue Qualität des Widerstands

Die Folgen der Krise werden ganz neue Anforderungen an den sozialen Widerstand leisten – an Form und Inhalt des Widerstands.

Die Demonstrationen vom 28. März waren ein wichtiger Schritt. Sie stellen einen ersten Aufschrei gegen die Tatenlosigkeit dar und werden die Debatte über die Notwendigkeit von Widerstand in Gewerkschaften, LINKE, sozialen Bewegunge, Betrieben und Nachbarschaften anheizen. Mit den Demonstrationen haben zehntausende deutlich gemacht, dass sie nicht darauf warten werden, dass die Führungen der Gewerkschaften handelt, sondern bereit sind, selber zu handeln.

In den Gewerkschaften hat der Aufruf zu diesen Demonstrationen einen Beitrag dazu geleistet, dass die Debatte über gewerkschaftliche Aktionen gegen das Abladen der Krise auf die Masse der Bevölkerung nun endlich statt findet. Für den 16.5. haben die DGB-Gewerkschaften zu einer bundesweiten Demonstration nach Berlin aufgerufen. Es ist zwar ein Skandal, dass die Gewerkschaftsspitzen nicht auch zum 28. März aufgerufen haben und somit einen Beitrag zur Spaltung einer Widerstandsbewegung leisten, aber die Demonstration vom 16. Mai muss der nächste große Mobilisierungspunkt werden. Aufgrund des Aufrufs der Gewerkschaften besteht die Chance deutlich mehr KollegInnen aus den Betrieben zu mobilisieren und in Bewegung zu bringen.

Doch Demonstrationen alleine reichen nicht, um die zu erwartenden Angriffe zurück zu schlagen und in Zeiten der Krise Arbeitsplätze, Löhne und Sozialstandards zu verteidigen und zu verbessern.

Demonstrationen haben letztlich einen Protest- und Symbolcharakter. Die in Wirtschaft und Staat Herrschenden mögen sich daraufhin Sorgen über die gesellschaftliche Stabilität machen, aber sie werden nur zu Zugeständnissen bereit sein, wenn sie ihre Macht und/oder ihren Reichtum gefährdet sehen.

Die Macht der Arbeiterklasse

Um dies zu erreichen sind zwei Dinge nötig: erstens muss durch gemeinsame Streikaktionen den Beschäftigten klar werden, dass sie über eine große potenzielle Macht verfügen und handlungsfähig sind. An Samstags-Demonstrationen nehmen in der Regel die politisch fortgeschritteneren Schichten der Arbeiterklasse teil. Ein Streik bietet die Möglichkeit, alle Teile der Belegschaften zusammen in eine Aktion zu führen. Er ist Widerstand und nicht nur Protest, weil er die Regeln des kapitalistischen Alltagsbetriebs bricht. In Branchen, die noch profitbringend produzieren, trifft er zudem den Nerv des Kapitalismus: den Profit. Aber auch in den von der Krise besonders betroffenen Bereichen, in denen die Produktion ohnehin runtergefahren wurde, ist der Streik das beste Mittel um Gegenmacht gegen die Entscheidungen der Bosse aufzubauen.

Deshalb ist es zu begrüßen, dass in Teilen der IG Metall die Diskussion über Streikaktionen begonnen hat und auch der ver.di-Sekretär von Stuttgart, Bernd Riexinger, für die stufenweise Vorbereitung eines Generalstreiks argumentiert. Im Stuttgarter Raum wird über Arbeitsniederlegungen am 14. Mai diskutiert, die IG Metall Esslingen hatte einen Streiktag am 17. Juni in die Diskussion gebracht. Auch in der Streikfrage darf nicht darauf gewartet werden, dass die Gewerkschaftsspitzen handeln. Diese sind auf Kompromiss und Wahlunterstützung für die SPD gepolt und werden nur Handeln, wenn sie durch die Basis dazu getrieben werden. Es war auch in der Vergangenheit eher die Angst vor Kontrollverlust bei der Entwicklung einer Bewegung von unten, die die Gewerkschaftsführungen dazu brachte, selber zu ernsthafteren Mobilisierungen aufzurufen. Lokale und betriebliche oder branchenspezifische Aktionen müssen daher angestrebt werden, sollten aber mit der Aufforderung nach einem zunächste eintägigen Generalstreik als nächstem Schritt des Widerstands verbunden werden. Ein solcher würde die Frage in wessem Interesse in diesem Land eigentlich Entscheidungen gefällt werden auf die Tagesordnung setzen und deutlich machen, dass es im Kampf um die Beantwortung der Krisenfolgen um unterschiedliche Klasseninteressen zwischen Lohnabhängigen und Kapitalisten geht. Und er würde der Arbeiterklasse ihre Macht vor Augen führen.

Einen Beitrag dazu, die Streik-Frage in den Mittelpunkt der Diskussionen über die Formen des Widerstands zu rücken, kann auch der für Juni geplante Bildungsstreik leisten. Es wäre nicht das erste Mal, dass Aktionen von SchülerInnen und Studierenden eine Auslöserfunktion für Bewegungen der Arbeiterklasse einnehmen können.

Betriebsbesetzungen

Die Machtfrage wird sich auch in den Betrieben stellen, die geschlossen werden sollen. Hier werden Protestdemos und selbst Streiks oftmals nur eine begrenzte Wirkung haben, wenn die Kapitalisten schon Entscheidungen getroffen haben. In solchen Fällen kann die Besetzung des Betriebs das einzig wirksame Mittel sein, um eine Schließung zu verhindern. Besetzung und ggf. Fortführung der Produktion unter der Kontrolle der Beschäftigten, wirft die Frage auf, wer der Herr im Hause ist – Kapitalist oder Beschäftigte. Es ist Aufgabe der Gewerkschaften, aber auch der Vertrauensleutekörper und vor allem kritischer betrieblicher Gruppen, sich mit den Anforderungen von Betriebsbesetzungen auseinander zu setzen und sich darauf vorzubereiten. Es sollten Konferenzen von AktivistInnen durchgeführt werden, die Erfahrungen austauschen und Verbindungen knüpfen, um im Falle des Falles schnelle Solidaritätsarbeit organisieren zu können.

Politische Alternative nötig

Die zweite Notwendigkeit besteht im Aufbau einer politischen Alternative zum Kapitalismus und seinen Parteien. Denn richtig ernst wird es für die Banken und Konzerne erst, wenn in der Arbeiterklasse die Einsicht wächst, dass man Wirtschaft und Gesellschaft auch ohne Großaktionäre und Privateigentum an Firmen organisieren kann. Diese Debatte ist dringend nötig und sollte als integraler Bestandteil der aufzubauenden Widerstandsbewegung betrachtet werden. Ein Beispiel: für die Autoindustrie ist im Rahmen der kapitalistischen Profitwirtschaft keine Perspektive des Erhalts aller Werke und aller Arbeitsplätze möglich. Die Überkapazitäten sind einfach zu groß. Nur wenn die vorhandene Arbeit auf alle verteilt würde und Teile der Produktion umgestellt würden, sind Massenentlassungen und Werksschließungen zu verhindern. Das erfordert aber einen politischen Bruch mit der Profitwirtschaft und wirft die Frage nach sozialistischer Verstaatlichung unter Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten und arbeitenden Bevölkerung und eine sinnvolle und demokratische Wirtschaftsplanung auf.

Diese Debatte muss jetzt mit Nachdruck eingefordert und begonnen werden. Ohne eine antikapitalistische und sozialistische Perspektive wird der Widerstand nur in Ausnahmefällen erfolgreich sein können.

Hier könnte die Partei DIE LINKE eine wichtige Rolle spielen. Denn für die kapitalistischen Parteien in Regierung und Opposition ist die größte Angst, dass eine Partei, die Arbeiterinteressen und Sozialismus vertritt, einen Massenanhang bekommt. Doch DIE LINKE-Führung versucht sich als Arzt des Kapitalismus und bringt nur systemimmanennte Vorschläge, die der Krise nicht an die Wurzel gehen. Der Kapitalismus braucht aber einen Totengräber. Deshalb ist der Aufbau eines marxistischen Flügels in der Bewegung, den Gewerkschaften und der LINKEn von entscheidender Bedeutung.