LINKE: Nächste Runde im Kampf gegen Ausgrenzungen

Die elf SAV"lerInnen, die in Berlin nicht in DIE LINKE aufgenommen werden, ziehen vor die Bundesschiedskommission


 

Hier dokumentieren wir die Begründung von Sascha Stanicic für seinen Widerspruch gegen die Entscheidung der Landesschiedskommission der Berliner Partei DIE LINKE, ihn nicht in die Partei aufzunehmen. Lucy Redler, die ebenfalls nicht aufgenommen wurde, hat eine weitgehend wortgleiche Erklärung verfasst. Die neun weiteren betroffenen MarxistInnen werden bald ebenfalls ihre Widersprüche formulieren:

Berlin, den 01.03.2009

An die

Bundesschiedskommission der Partei DIE LINKE

Betr.: Widerspruch gegen die Entscheidung der Schiedskommission des Landesverbandes Berlin vom 08.01.2009

Liebe Genossinnen und Genossen,

hiermit lege ich nach §37, Absatz 4 der Bundessatzung der Partei DIE LINKE Berufung gegen die Entscheidung der Landesschiedskommission Berlin vom 08.01.2009 ein, die dem Antrag von Klaus Ernst und Thomas Händel statt gegeben hat, den Beschluss des Bezirksvorstands Neukölln, mich in die Partei DIE LINKE aufzunehmen, aufzuheben. Die schriftliche Begründung der Landesschiedskommission habe ich am 4.2.2009 erhalten.

Ich beantrage hiermit, den Beschluss der Landesschiedskommission aufzuheben und den Beschluss des Bezirksvorstands Neukölln zu bestätigen und mich in die Partei DIE LINKE als Mitglied aufzunehmen.

Begründung:

Die Begründungen der Landesschiedskommission Berlin zum Stattgeben der Anträge von Klaus Ernst und Thomas Händel gegen den Beschluss des Bezirksvorstands Neukölln, Lucy Redler und mich in die Partei DIE LINKE aufzunehmen, bestätigen meine Sichtweise, dass es sich bei den Einsprüchen gegen die Mitgliedschaft von Lucy Redler und mir nicht um individuelle Fälle und personenbezogene Argumentationen handelt, sondern um den Versuch prominente VertreterInnen einer der Politik des Berliner Landesverbandes und der Parteiführung kritisch gegenüberstehenden Strömung aus der Partei auszugrenzen.

Die Begründung ist, wie schon die Begründungen der Einsprüche von Klaus Ernst, weitgehend wortgleich. Auf individuelles Verhalten oder individuelle Aussagen von Lucy Redler und mir wird nicht eingegangen. Dies widerspricht insbesondere der Behauptung der Landesschiedskommission, ihre Beschlüsse auf Basis der mündlichen Verhandlung gefällt zu haben. In keinem Punkt werden Aussagen von Lucy Redler oder mir aus der mündlichen Verhandlung zitiert. Im Gegenteil: die Wortgleichheit der Begründungen erweckt den Eindruck, als hätten wir dort mit einer Stimme gesprochen und identische Aussagen getroffen.

Da wir weiterhin davon überzeugt sind, dass es sich um ein politisches Verfahren gegen marxistische KritikerInnen der Parteiführung und des Berliner Landesverbandes handelt und nicht um auf individuellem Fehlverhalten begründete Einsprüche gegen unsere Mitgliedschaft, legen auch wir wieder weitgehend wortgleiche Begründungen für unsere Einsprüche gegen die Entscheidung der Landesschiedskommission vor.

Wir legen unsere Stellungnahmen vom 20.12.2008 als Teil dieser Begründung bei (siehe Anlage 1). Die darin enthaltenen Argumente gegen die ursprüngliche Argumentation von Klaus Ernst behält ihre Aktualität. Wir stellen jedoch fest, dass die Landesschiedskommission sich zu dem Großteil der von Klaus Ernst und Thomas Händel vorgebrachten Anschuldigungen nicht äußert bzw. diese in Frage stellt. Es ist also davon auszugehen, dass Anschuldigungen, die sich unter anderem auf ein angebliches „primäres Selbstverständnis als SAV-Kader“, die Missachtung der „Fusion als einem Grundsatz der Partei“, den „parteischädigenden Charakter der WASG-Kandidatur zu den Abgeordnetenhauswahlen 2006“ und unseren Willen „den Fusionsprozess weiterhin zu verhindern“ beziehen, von der Landesschiedskommission nicht unterstützt werden.

Es bleiben aus der Begründung der Landesschiedskommission folgende Punkte:

„Die Mitglieder der Landesschiedskommission sind auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2008 und den vorgelegten Schriftsätzen der Parteien zu der Auffassung gekommen, dass im Rahmen der notwendigen Prognoseentscheidung davon auszugehen ist, dass der Beigeladene nicht bereit sein wird, die Grundsätze der Programms der Partei zu vertreten und die Satzung einzuhalten.“

Und:

„Die Auffassung, demokratisch gefasste Beschlüsse der Partei DIE LINKE nur dann einzuhalten, wenn sie seinen Ansichten bzw. denen der SAV entsprechen kann von den Mitgliedern der LSK nicht geteilt werden.“

Und:

„ Hierbei hat der Beigeladene insbesondere durch den von ihm maßgeblich initiierten eigenständigen, gegen den ausdrücklich bekundeten Willen der Bundespartei WASG geführten Wahlantritt in Berlin gegen die Linkspartei.PDS gezeigt, dass er nicht bereit ist, demokratisch gefasste Beschlüsse seiner Partei zu akzeptieren, geschweige denn durchzusetzen. Er hat vielmehr durch dieses Handeln gezeigt, dass er durchaus hier aktiv gegen demokratisch gefasste Beschlüsse, somit gegen satzungsmäßige Regelungen verstößt.

Damit hat er zumindest auch billigend in Kauf genommen, dass der WASG bzw. dann der Linkspartei.PDS schwere politische und finanzielle Schäden zugefügt worden sind.“

Ich werde im Verlauf dieses Begründungstextes auf diese Vorwürfe eingehen, will aber darauf hinweisen, dass die Beurteilung des eigenständigen Wahlantritts der WASG Berlin, wie ich sie in meiner Stellungnahme zur Verhandlung der Landesschiedskommission vorgenommen habe (siehe Anlage 1) weiterhin Bestand hat. Betonen möchte ich aber, dass die WASG-Kandidatur zu keinem Zeitpunkt ausschließlich oder in erster Linie gegen die Linkspartei.PDS gerichtet war. Es handelte sich um die selbständige Kandidatur einer zum damaligen Zeitpunkt unabhängigen Partei für ihre politischen Ziele und Überzeugungen, die in einem Widerspruch zu den landespolitischen Vorstellungen und insbesondere der landespolitischen Praxis aller im damaligen Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien stand.

Bevor ich mich mit den Vorwürfen der Landesschiedskommission auseinander setze, möchte ich darauf hinweisen, dass die Landesschiedskommission mich an mehreren Stellen falsch zitiert:

So habe ich nicht von einer „konstatierten Aktion“ gegen die SAV gesprochen, sondern von einer „konzertierten Aktion“, da weitgehend wortgleiche Begründungstexte zu den Einsprüchen gegen die Mitgliedschaft von SAV"lerInnen unter verschiedenen Namen bzw. von unterschiedlichen Personen eingereicht wurden.

Desweiteren habe ich meine Zurückweisung der These, es handele sich bei der Fusion von WASG und Linkspartei.PDS um eine programmatische Grundlage, nicht damit begründet, dass „auch eine weitere, größere Anzahl der ehemaligen Mitglieder der WASG nicht Mitglied der Partei DIE LINKE geworden sein“. Grund für meine Meinung, dass die Fusion kein politischer Grundsatz der neuen Partei ist, liegt schlicht und einfach in der Tatsache, dass die programmatischen Eckpunkte der Partei DIE LINKE, dies an keiner Stelle explizit sagen.

Auf ehemalige Mitglieder der WASG habe ich in einem anderen Zusammenhang hingewiesen. Nämlich, dass 19,4 Prozent der WASG-Mitglieder gegen die Fusion gestimmt haben und 43 Prozent sich gar nicht an der Abstimmung beteiligt haben (also nicht dafür gestimmt haben). Trotzdem sind alle WASG-Mitglieder, ohne dass dies in Frage gestellt worden wäre, problemlos Mitglieder der neuen Partei wurden. Dies galt übrigens auch für viele Mitglieder des Landesverbandes der WASG Berlin, die aktiven Wahlkampf für die WASG bei den Abgeordnetenhauswahlen betrieben oder sogar als KandidatInnen fungiert haben. Diese Tatsachen lassen darauf schließen, dass es bei den Einsprüchen gegen unsere Mitgliedschaft nicht um unser Verhältnis zur Fusion oder unser Verhalten bei den Abgeordnetenhauswahlen 2006 geht.

Außerdem habe ich zu keinem Zeitpunkt gesagt oder indirekt zum Ausdruck gebracht, dass ich demokratisch gefasste Beschlüsse der Partei DIE LINKE nur einhalten werde, wenn sie meinen „Ansichten bzw. denen der SAV entsprechen“.

Es gibt viele Beispiele für meine politische Kompromissfähigkeit und -bereitschaft. Nicht zuletzt das Wahlprogramm der WASG Berlin für die Abgeordnetenhauswahlen 2006 gehört dazu. Die SAV hat damals ihre explizit sozialistischen Auffassungen zur Landespolitik in einer eigenen Broschüre dargelegt und trotzdem habe ich das WASG-Wahlprogramm vertreten und auf dessen Basis Wahlkampf gemacht. (siehe Anlage 2 und 3)

Auch habe ich zu keinem Zeitpunkt behauptet, „mit allen Mitteln gegen diese Politik der Berliner Linkspartei im Zusammenhang mit der Regierungsbeteiligung aufzutreten.“ Diese Behauptung in der Begründung der Landesschiedskommission ist eine Unwahrheit und dient offensichtlich dem zweck, mir die Bereitschaft zu undemokratischen Mitteln zu unterstellen.

Ich habe lediglich zum Ausdruck gebracht, dass ich Parteibeschlüsse, die zu einer Verschlechterung der Lebensumstände von Lohnabhängigen, RentnerInnen, Erwerbslosen und Jugendlichen führen, nicht unterstützen kann, sondern an gesellschaftlichen Protesten dagegen teilnehmen werde. Das Problem in diesem Zusammenhang ist dabei nicht meine Einstellung, die sich mit den programmatischen Eckpunkten der Partei DIE LINKE deckt, die ja Verschlechterungen für Lohnabhängige, RentnerInnen, Erwerbslose und Jugendliche ablehnen, sondern die Tatsache, dass zum Beispiel DIE LINKE im Berliner Senat mit verantwortlich ist für Entscheidungen, die zu einer Verschlechterung der Lebensverhältnisse für Lohnabhängige, RentnerInnen, Erwerbslose und Jugendlichen führen. Damit befindet sich der Landesverband Berlin viel mehr im Konflikt mit den programmatischen Grundsätzen als ich es bin.

Die Landesschiedskommission aber widerspricht sich, wenn sie einerseits schreibt, sie sei zu der Schlussfolgerung gekommen, ich sei nicht bereit die Grundsätze der Partei zu vertreten, später aber schreibt: „Es mag dahinstehen, ob der Beigeladene nicht bereit sein wird, wichtige programmatische Grundsätze der Partei zu vertreten.“

Dass aber die Landesschiedskommission sowohl Lucy Redler als auch mir solche gleichlautenden Aussagen in den Mund legt, weist darauf hin, dass die Landesschiedskommission entweder kein vorurteilsfreies, objektives Verfahren geführt hat oder aber mit dem komplexen Sachverhalt überfordert war. Zu dieser Schlussfolgerung muss ich auch gelangen, wenn ich lese, dass mir nun eine finanzielle Schädigung der „WASG bzw. dann der Linkspartei.PDS“ vorgeworfen wird. Diese Anschuldigung war nicht einmal Teil der Anklageschrift von Klaus Ernst und Thomas Händel. Tatsächlich war dies der einzige Vorwurf, der sich individuell nur gegen Lucy Redler als Teil des geschäftsführenden Landesvorstands der ehemaligen WASG Berlin richtet. Dementsprechend habe ich mich dazu in der Verhandlung nicht geäußert, wie es in der Begründung der Landesschiedskommission behauptet wird.

Interessant an der Formulierung der Landesschiedskommission ist jedoch das „bzw. dann Linkspartei.PDS“. Dies drückt offensichtlich aus, dass die Mitglieder der Landesschiedskommission nicht wahrgenommen haben, dass DIE LINKE nicht mit der Linkspartei.PDS gleichzusetzen ist, sondern eine neue, aus der Fusion zweier Parteien hervorgegangene, Partei ist.

In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass in der Landesschiedskommission kein ehemaliges WASG-Mitglied vertreten ist und die Verhältnisse in der WASG, nicht zuletzt die in der gesamten Bundespartei WASG sehr kontrovers geführten Auseinandersetzungen um den Wahlantritt der WASG Berlin und den Umgang der Bundespartei damit, den Mitgliedern der Landesschiedskommission nicht bekannt waren. Dies hat aber bei der Beurteilung meines Falls keine geringe Bedeutung, denn nur durch eine Kenntnis und ein politisches Verständnis der damaligen Auseinandersetzungen kann man mein bzw. unser Verhalten beurteilen und daraus Prognoseentscheidungen für die Zukunft ableiten.

So möchte ich darauf hinweisen, dass die Beschlussfassung des Bundesparteitags der WASG im April 2006 zur Frage der disziplinarischen Maßnahmen im Falle einer Kandidatur der WASG Berlin (die zu diesem Zeitpunkt durch die demokratisch gewählten Organe des Landesverbandes schon beschlossen war) mit 156 zu 143 Stimmen äußerst knapp war (siehe Anlage 4). Aus Protest gegen diesen Beschluss traten noch auf dem Parteitag die drei Bundesvorstandsmitglieder Joachim Bischoff, Sabine Lösing, Björn Radtke zurück, die heute alle Mandate oder Ämter für DIE LINKE bekleiden.

Lucy Redler wurde nach der Abgeordnetenhauswahl in den WASG-Bundesvorstand gewählt. Viele heutige FunktionsträgerInnen der Partei DIE LINKE haben aktive Wahlkampfunterstützung für die WASG Berlin geleistet oder Geld gespendet. Es kann also kein Zweifel darüber bestehen, dass unser damaliges Verhalten in der Quellpartei WASG von deren Mitgliedern und Bundesparteitagsdelegierten nicht als parteischädigend oder satzungswidrig betrachtet wurde.

In diesem Zusammenhang weise ich auch die Interpretation des Beschlusses des Landgerichts Berlin vom 31.05.2006 durch die Landesschiedskommission zurück. Tatsächlich argumentiert die Landesschiedskommission in dieser Frage weder logisch noch stichhaltig. Sie spricht davon, dass das Schiedsgerichtsverfahren mit dem Landesgerichtsverfahren juristisch nicht vergleichbare Sachverhalte seien, weil es sich erstens um ein Amtsenthebungsverfahren handelte und zweitens zum damaligen Zeitpunkt noch von zwei Parteien auszugehen war.

Beide Punkte stehen jedoch nicht im Widerspruch zu unserer Annahme, dass das Urteil des Landgerichts darauf hinweist, dass im eigenständigen Wahlantritt des Landesverbandes der WASG Berlin kein parteischädigendes Verhalten bzw. kein Satzungsbruch vorlag, der weitgehende disziplinarische Maßnahmen rechtfertigt hätte.

Denn das Amtsenthebungsverfahren leitete sich ja aus der Annahme des WASG-Bundesvorstands ab, dass sich der Landesvorstand der WASG Berlin nicht satzungsgemäß verhält und die Partei schädigt. Dies wurde durch das Landgericht zurück gewiesen. Ebenso spielt die getrennte Existenz beider Parteien in diesem Zusammenhang keine Rolle, da ja die Landesschiedskommission aus den Ereignissen in der einen Quellpartei, WASG, mein bzw. unser zu erwartendes Verhalten in der nun fusionierten Partei ableitet.

Die Bedenken der Landesschiedskommission an einer zweitinstanzlichen Bestätigung dieses Gerichtsbeschlusses ist für den zu verhandelnden Sachverhalt unerhebliche Spekulation. Festzuhalten ist, dass es zu keinem Berufungsverfahren kam, weil dieses durch den damaligen WASG-Bundesvorstand nicht eingeleitet wurde, was wiederum darauf schließen lässt, dass dieser keine Aussicht auf Erfolg sah.

Der weitaus schwerwiegendere Grund für meinen Widerspruch gegen die Entscheidung der Landesschiedskommission ist jedoch das Organisations- und Demokratieverständnis, das die Landesschiedskommission zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht hat.

Dieses Verständnis wird in folgenden Zitaten deutlich:

„Der Beigeladene habe auch noch im Oktober 2008, nach seinem Beitritt in die Partei DIE LINKE angekündigt, dass er auch weiterhin nicht nur innerhalb der Partei für eine Änderung von Parteitagsbeschlüssen kämpfen würde, sondern zwar mit dem Parteibuch in der Tasche, aber außerhalb der Partei nicht nur Parteitagsbeschlüsse nicht vertreten, sondern aktiv dagegen handeln würde, die außerparlamentarische Opposition dazu organisieren würde.“

„ Ein wichtiger Satzungsgrundsatz der Satzung der Partei DIE LINKE sind die in §4 verankerten Rechte und Pflichten der Mitglieder. Unter anderem ist hier in §4 Abs. 2 normiert, dass jedes Mitglied die Pflicht hat, die satzungsgemäß gefassten Beschlüsse der Parteiorgane zu respektieren. Nach diesseitiger Ansicht bedeutet Respektieren von Beschlüssen nicht nur ein zur Kenntnis nehmen, sondern auch ein Handeln im Sinne dieser Beschlüsse. Es ist für die demokratische Willensbildung in der Partei DIE LINKE unabdingbar, dass auf demokratischem Wege gefasste Beschlüsse nicht nur passiv hingenommen werden, sondern auch durchgesetzt werden. Dies bedeutet zumindest, dass auch bei einer jeweiligen Beschlussfassung unterlegene Mitglieder der Partei gehalten sind, nicht aktiv nach einer Beschlussfassung gegen diese Ergebnisse der demokratischen Willensbildung aufzutreten.

Der Beigeladene hat jedoch zum Ausdruck gebracht, dass er aktiv gegen gefasste Beschlüsse des Landesverbandes Berlin, insbesondere die der Landesparteitage zur Regierungsbeteiligung im Land Berlin, auftreten will.“

„Die Linkspartei kann und muss von ihren Mitgliedern auch eine Loyalität gegenüber demokratisch zustande gekommenen Entscheidungen verlangen. Dies gilt auch, wenn das jenige Mitglied, welches in einem Entscheidungsprozeß mit seiner Meinung unterlegen war, sehr wohl auch gehalten ist, die demokratisch zustande gekommenen Mehrheitsbeschlüsse nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch mit durchzusetzen.“

Darin kommt ein zentralistisches Parteikonzept zum Ausdruck, dass nicht der Satzung der Partei DIE LINKE entspricht. Tatsächlich erinnern diese Aussagen mehr an das Statut der SED, in dem in Paragraph 2, Absatz b die aktive Verwirklichung der Parteibeschlüsse als Pflicht des Mitglieds festgehalten wird und in Paragraph 23 die Unterordnung der Minderheit und des einzelnen unter die Beschlüsse der Mehrheit verlangt wird (siehe Anlage 5).

Was bedeuten diese Aussagen konkret? Sie bedeuten zum Beispiel, dass ein Mitglied der Partei DIE LINKE sich nicht nur nicht öffentlich gegen Landesparteitagsbeschlüsse äußern darf, sondern von ihm erwartet wird, diese „mit durchzusetzen“. Wenn also der Landesparteitag der Berliner LINKEn, die Politik des Berliner Senats per Beschluss unterstützt (was ja grundsätzlich der Fall ist), so muss jedes Mitglied der Partei in Berlin darauf verzichten die Umsetzung von Ein-Euro-Jobs in Berliner Bezirken, die Privatisierung von Wohnraum, Arbeitsplatzvernichtung und Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst, Kürzung des Blindengelds, Abschaffung der Lehrmittelfreiheit etc. öffentlich zu kritisieren und dürfte auch an keiner Demonstration dagegen teilnehmen.

Die Satzung verlangt Respekt vor Parteibeschlüssen, aber keinen Zwang zur Umsetzung oder Verzicht auf öffentliche Kritik. Im Gegenteil sieht §4 Abs.2 der Satzung vor, dass jedes Mitglied das Recht hat „an der Meinungs- und Willensbildung mitzuwirken, sich über alle Parteiangelegenheiten zu informieren und zu diesen ungehindert Stellung zu nehmen“.

Hier ist nicht die Rede davon, dass diese Stellungnahmen nur vor Beschlussfassungen oder nur parteiintern möglich sind. Im selben Paragraphen wird außerdem unterschieden zwischen der Pflicht die Grundsätze der Partei zu vertreten und der Pflicht die gefassten Beschlüsse zu respektieren. Nun mag man sich über die Definition des Wortes „respektieren“ streiten können. Es bedeutet aber ganz sicher nicht „umsetzen“, „öffentlich vertreten“ oder „nicht kritisieren“. Respekt bedeutet aus meiner Sicht gefasste Beschlüsse politisch anzuerkennen und sich politisch (und das beinhaltet die Fortsetzung der Debatte, auch öffentlich, und ggf. auch die Teilnahme an außerparlamentarischer Opposition gegen Beschlüsse, die einen unsozialen Charakter haben) damit auseinanderzusetzen, aber zum Beispiel darauf zu verzichten, die Umsetzung durch Störung, Sabotage oder ähnlichem zu verhindern. Das haben wir auch vor der Landesschiedskommission erklärt.

In diesem Zusammenhang ist auch der Vorwurf eines nicht „nachvollziehbaren Demokratieverständnisses“, den die Landesschiedskommission gegen mich erhebt, zu beurteilen. Diese schreibt: „Einerseits stellt er in Abrede, dass Beschlüsse von Bundesparteitagen für Landesgliederungen verbindlich seien. Hierbei wird auf die Verhaltensweisen in Bezug auf die eigenständige Wahlteilnahme des Berliner Landesverbandes der WASG gegenüber den Beschlüssen des Bundesparteitags der WASG verwiesen und sich auf eine begrenzte Autonomie der Landesverbände berufen. Andererseits meint er, auf Grund von ihm gesehener nicht Übereinstimmung der Politik des Landesverbandes Berlin mit der Bundespolitik der Linken gegen die Beschlüsse des Landesverbandes Berlin aktiv handeln zu müssen.“

Auch in dieser Aussage drückt sich ein für mich nicht nachvollziehbares Organisationsverständnis der Landesschiedskommission aus. Denn die Kernaussage dieses Absatzes ist, dass die Akzeptanz von begrenzter Autonomie von Landesverbänden gegenüber der Bundespartei (ein formales Verhältnis) mit Akzeptanz der und Unterordnung unter die Politik dieses Landesverbandes durch jedes einzelne Mitglied gleichzusetzen sei (ein politisches Verhältnis).

Erstens habe ich mich nicht grundsätzlich gegen eine Verbindlichkeit von Bundesparteitagsbeschlüssen für Landesverbände ausgesprochen, sondern für das Recht von Landesverbänden autonom landespolitische Entscheidungen zu treffen, wozu die Teilnahme oder Nichtteilnahme an einer Landtagswahl zweifellos gehört. Ich habe auch darauf verwiesen, dass das in Linkspartei.PDS und WASG Praxis war und in der Partei DIE LINKE Praxis ist. Tatsächlich waren die eigenständigen Wahlantritte der Berliner WASG und der WASG Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2006 die einzigen mir bekannten Fälle, wo diese landespolitische Autonomie durch die Bundespartei außer Kraft gesetzt wurde, was jedoch vor dem Landgericht Berlin keinen Bestand hatte.

Zweitens stelle ich das formale Recht des Berliner Landesverbandes, eine Koalition mit der SPD einzugehen, nicht in Frage. Ich beurteile jedoch die daraus resultierende Politik als im Widerspruch zu den Grundsätzen der Partei stehend. Daraus ziehe ich jedoch nicht die Schlussfolgeruing administrative Maßnahmen gegen den Berliner Landesverband zu ziehen bzw. einzufordern, sondern setze mich für eine offene, demokratische und öffentliche Auseinandersetzung über diese Politik ein. Auch der Landesverband der WASG Berlin hat übrigens zu keinem Zeitpunkt administrative Maßnahmen gegen die Minderheit der WASG-Mitglieder, die die Linkspartei.PDS im Wahlkampf 2006 unterstützt haben, ergriffen.

Bleibt die Frage, ob aus der Situation der Abgeordnetenhauswahlen 2006 ein ähnliches Verhalten von mir bzw. uns in der Zukunft abzuleiten ist. Die Landesschiedskommission selber weist darauf hin, dass dies nicht der Fall ist. Nämlich, wenn sie betont, dass in der Situation 2006 von zwei getrennten Parteien auszugehen war. Dies ist nicht mehr der Fall. Eine konkurrierende Kandidatur hat also keine organisatorische Voraussetzung mehr. Die einzige realistische Prognose ist also, dass sich eine Situation wie im Jahr 2006 nicht mehr wiederholt.

Wir wollen Mitglieder der Partei DIE LINKE werden, unsere sozialistischen Ideen in die Diskussions- und Meinungsbildungsprozesse in der Partei einbringen und mit der Partei den gesellschaftlichen Widerstand gegen die Folgen kapitalistischer Krise und Ausbeutung stärken. Dabei verstehen wir die Partei, wie jede Organisation, als ein Instrument und nicht als Selbstzweck. Eine Partei muss kontrolliert, hinterfragt, kritisch begleitet werden. Ein offener und öffentlicher Diskurs über die Politik und Methoden ist dazu nötig. Dies gilt umso mehr, da die Arbeiterbewegung nicht zuletzt aufgrund bürokratischer Organisationsstrukturen und -methoden in tiefe Krisen geraten ist und sich viel Vertrauen in der arbeitenden Bevölkerung verspielt hat.

Wir sehen in den Äußerungen der Landesschiedskommission einen Bruch der Satzung, nicht aber in unseren Überzeugungen und zu erwartenden Handlungen.

Sascha Stanicic