Landesschiedskommission tagte erneut über Ausgrenzung von SAVlern

Parteigericht der LINKEN Berlin verhandelte über Aufnahme von SAV-Mitgliedern: Carsten Becker, ver.di-Betriebsgruppen-Vorsitzender an der Charité, Michael Schilwa und Holger Dröge erfahren am kommenden Freitag, ob sie aufgenommen werden.


 

von Stephan Kimmerle, Berlin

Am 23. Januar tagte die Schiedskommission der Partei DIE LINKE Berlin. Verhandelt wurde der Widerspruch gegen die jeweiligen Entscheidungen der Bezirksvorstände Tempelhof-Schöneberg und Mitte, den Einsprüchen von Klaus Ernst und anderen gegen die Aufnahme von SAVlern in die LINKE statt zu geben. Nach einem Plädoyer von Michael Schilwa für die drei SAVler brachten die Bezirksvorstände ihre Sicht der Dinge vor. Dabei wurde erneut deutlich, dass den Betroffenen nicht ihr individuelles Verhalten, sondern ihre SAV-Mitgliedschaft zur Last gelegt wird.

Der Bezirksvorstand Tempelhof-Schöneberg schreckte dabei nicht vor biologistischen Vergleichen zurück. Die SAV behandle die LINKE wie ein "Wirtstier". Mit von der Partie als Vertreter des Bezirksvorstands war ein Unterstützer der Querfront-Initiative des Jürgen Elsässer. Der Bezirksvorsitzende aus Mitte ließ sich von Uwe Hiksch beistehen und erklärte die SAV habe früher und jetzt ihren Hauptfeind in der LINKEN gesehen. Der Verweis auf zahlreiche SAV-Mitglieder in LINKEN-Vorständen im Bundesgebiet, in Stadträten für die LINKE und als AktivistInnen der Partei wurde genauso ignoriert wie die Hinweise auf die Veröffentlichungen der Sozialistischen Alternative und der beschuldigten GenossInnen selbst.

Michael Schilwa, ehemaliges WASG-Landesvorstandsmitglied, ordnete das ganze Verfahren zunächst in die politische Situation ein: Unter den Bedingungen von Weltwirtschaftskrise und den enormen Chancen für sozialistische Ansichten, nun in ganz neuem Maßstab Menschen zu erreichen, sei es grotesk, dass sich die LINKE mit diesen Ausgrenzungsverfahren selbst schade. Dies widerspräche den programmatischen Eckpunkten und der Satzung der LINKEN.

Aus Sicht der Nicht-Aufgenommen war es ein Fortschritt, dass die drei für diesen Tag anberaumten Verfahren gemeinsam geführt wurden. Es unterstrich den Charakter der Verhandlung als Vorgehen gegen marxistische KritikerInnen, die von Klaus Ernst aus der Partei ferngehalten werden sollen.

Paradox wurde die Verhandlung, als den SAVlern ausgerechnet in der nach Karl Liebknecht benannten Parteizentrale vorgeworfen wurde, sie würden sich für eine revolutionäre Partei einsetzen.

Erneut wurde den MarxistInnen vorgehalten, Kritik über bürgerliche Medien zu verbreiten. Aus der Forderung des Parteistatuts, dass Beschlüsse der Gremien respektiert werden müssen, wurde ein Verbot öffentlicher Kritik konstruiert.

Carsten Becker fragte, wie er als ver.di-Betriebsgruppen-Vorsitzender im Jahr 2006 denn nach Meinung der Schiedskommission hätte agieren sollen. Ein der Kommission vorgelegter Zeitungsartikel der Berliner Morgenpost unterstrich nochmals, wie der damalige PDS-Senator Flierl als Aufsichtsratsvorsitzender der Charité die Beschäftigten und die Gewerkschaft ver.di frontal und über die Medien angegriffen hatte. Carsten Becker war Streikleiter beim darauf folgenden 14-tägigen Ausstand der Beschäftigten an Europas größter Uni-Klinik gegen die Tarifabsenkungsforderungen des rot-roten Senats. Der ver.di-Spitzenkandidat der vor 2 Monaten mit den meisten Stimmen gewählten Personalratsliste an der Charité sah in seinem gewerkschaftlichen Engagement und seiner Kandidatur auf Platz 3 der Landesliste der WASG eine konsequente Fortsetzung der Anstrengungen für die Interessen auch gerade der Charité-KollegInnen. Einen Widerspruch zu Eckpunkten und Satzung der LINKEN konnte er nicht erkennen, zumindest nicht auf Seiten der Streikenden gegen die Angriffe des rot-roten Senats. Das Parteigericht äußerte sich dazu nicht.

Die Kandidatur der WASG Berlin zu den Berliner Abgeordnetenhauswahlen 2006 wurde mit einem Bruch der Satzung in Verbindung gebracht. Worin der Satzungbruch damals bestand, konnte vor der Kommission aber niemand erläutern. Mehrere Landesparteitage der WASG und eine Urabstimmung der Berliner Wahlalternative hatten den Antritt gegen Sozialabbau, Tarifflucht und Privatisierungen beschlossen. Auch in der LINKEN heute entscheiden die Landesverbände über das Ob, das Programm und die KandidatInnen eines Wahlantritts auf Landesebene.

Bereits nach rund einer halben Stunde wurde die Verhandlung unterbrochen und dann in nicht-öffentlicher Sitzung fortgesetzt. Die zur Unterstützung der SAVler mitgekommenen 20 GenossInnen wurden des Saales verwiesen.

Obwohl offensichtlich war, dass die Nicht-Aufnahme der Betroffenen darauf beruhen soll, dass eine Unvereinbarkeit zwischen SAV- und LINKE-Mitgliedschaft behauptet wird, droht den Äußerungen der Schiedskommissionsmitglieder folgend – wie schon in den Verhandlungen gegen Lucy Redler und Sascha Stanicic – eine Ablehnung der Mitgliedschaft der Drei. Am Freitag, 30. Januar soll der Schiedsspruch verkündet werden. Lucy Redler und Sascha Stanicic haben bereits angekündigt, die Bundesschiedskommission anzurufen, sobald die schriftliche Begründung des Landesparteigerichts vorliegt.