Am Beginn eines neuen 1929?

Erinnerungen an die größte Weltwirtschaftskrise in der Geschichte werden wach


 

„Wir erleben die größte Krise seit 1929“, so der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Wend. Die gleichen Worte äußerte Otmar Issing, Ex-Chefvolkswirt des Frankfurter Eu-ro-Tower. 1929 ist in aller Munde.

von Torsten Sting, Rostock

Mit dem „schwarzen Freitag“ am 25. Oktober begann 1929 die bisher schwerste Wirtschaftskrise in der Geschichte. Der Börsencrash an jenem Tag war der Beginn einer nie da gewesenen ökonomischen und sozialen Zerstörung.

Ursachen der Krise

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und der Niederschlagung von revolutionären, sozialistischen Massenbewegungen entwickelte sich eine kurze Phase von Stabilität und Aufschwung. Die sogenannten „goldenen Zwanziger“ waren zwar in erster Linie für die Kapitalisten golden. Aber auch die Masse der Bevölkerung spürte gewisse Verbesserungen.

Die Vereinigten Staaten hatten sich in Folge des Krieges zur dominierenden Wirtschaftsmacht gemausert. Dank US-Kapitalspritzen konnte das zerrüttete Europa wieder Kraft entwickeln. In den USA begann in dieser Zeit die Ära der Massenproduktion von Autos und anderen Konsumgütern. Ein neues Phänomen war auch der Kauf dieser neuen Güter auf Kredit durch weite Teile der Gesellschaft. Dies wiederum kurbelte die Investitionen der Unternehmen an und führte dazu, dass immer mehr Güter hergestellt wurden. An der Börse hatte sich in Folge des Booms eine aberwitzige Blase gebildet. Ein nichtiger Anlass genügte, um diese zum Platzen zu bringen.

Die große Depression

Da der Markt ungeplant funktioniert, entwickeln sich im Lauf eines wirtschaftlichen Booms immer wieder Überkapazitäten. Das bedeutet, dass die Kapitalisten zu viele Waren herstellen – gemessen an der kaufkräftigen Nachfrage. Im Klartext: Millionen Autos, Kühlschränke und so weiter wurden auf Halde produziert und fanden keine Käufer. Die Folge waren einstürzende Profite. In den USA betrugen sie 1932 nur noch sieben Prozent des Standes von 1928.

Die Kapitalisten reagierten mit Entlassungen und Fabrikschließungen. Die Industrieproduktion ging in den kapitalistischen Ländern zwischen 1929-33 um 40 Prozent zurück. Die Kurse an den wichtigsten Börsen brachen um 40 bis 70 Prozent ein.

Die Arbeitslosigkeit explodierte in den USA von einer Million im Herbst 1929 auf 14 Millionen 1933. In Deutschland schwoll die Zahl der Erwerbslosen auf über sechs Millionen an. Die Reallöhne sanken in Deutschland um 25 Prozent, in den USA für Fabrikarbeiter um 40 Prozent. Suppenküchen wurden zum Massenphänomen.

Auch wenn die Krise in der „Realwirtschaft“ heute nicht so verheerend wie vor 80 Jahren werden sollte, handelt es sich damals wie heute um viel mehr als eine bloße Finanzkrise.

Politik des Kapitals

Die Phase vor dem großen Krach war geprägt von einer Politik des freien Marktes. Die Sprechblasen der Politiker damals wie heute sind fast identisch. Auch damals war vom „schlanken Staat“ die Rede, der sich aus der Wirtschaft raushalten solle, Steuersätze für die Unternehmer wurden gesenkt und und und.

Zunächst hielten die Herrschenden an ihrem wirtschaftsliberalen Kurs fest. In den USA gingen bis 1933 5.000 Banken pleite, 15 Prozent aller Einlagen wurden vernichtet.

Auch damals wurde dann – später als heute – in etlichen Ländern die Politik aufgrund der Krise massiv geändert. Der Staat griff ins Geschehen ein. Bereiche der Wirtschaft (zum Beispiel Banken) wurden subventioniert beziehungsweise verstaatlicht. Die Regierung bewahrte das Kreditsystem vor dem GAU, in dem sie staatliche Garantien für Einlagen gab.

Bis 1933 war der Welthandel auf ein Drittel seines Volumens von 1928 geschrumpft. Protektionismus hatte Hochkonjunktur.

Staatliches Eingreifen, darunter der „New Deal“ in den USA, löste die Probleme nicht. Es kam seinerzeit nur zu einem kurzen, labilen internationalen Aufschwung (in Deutschland ging die staatliche Regulierung im Faschismus mit einer Versklavung der Arbeiterklasse einher). Ende der dreißiger Jahre zeichnete sich die nächste Krise ab. Die Kapitalisten reagierten damals mit einer Rüstungsspirale und einem Krieg zur Neuaufteilung der Welt.