Crash an der Wall Street

Kein James Bond für die Rettung der Finanzwelt in Sicht


 

Am 18. September waren von den fünf großen Investmentbanken in den USA drei verschwunden und die vierte suchte händeringend einen Käufer. Um die Panik an den Finanzmärkten einzudämmen, versprach die US-Regierung ein gigantisches Rettungspaket. Von 700 Milliarden Dollar ist die Rede. Dass es dauerhaft helfen wird, bleibt fraglich.

von Wolfram Klein, Plochingen bei Stuttgart

Im Frühjahr ging die Investmentbank Bear Stearns Pleite und wurde von JP Morgan übernommen. Mitte September übernahm die Bank of America Merrill Lynch. Und Lehman Brothers ging Pleite. Am 18. September suchte Morgan Stanley einen Käufer. Auf der Website der Financial Times Deutschland erklärte ein Artikel die Investmentbanken insgesamt zur „gefährdeten Gattung“.

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die Trennung von Investmentbanken und Geschäftsbanken in den USA 1933 eingeführt wurde – als Reaktion auf die damalige Weltwirtschaftskrise. Jetzt verschärft sie die Lage, wenn sie erstmals in einer schweren Krise getestet wird. Wir sollten daraus lernen, nicht an Symptomen herumzudoktorn, sondern die tiefer liegende Krisenursache – das kapitalistische System – ins Visier zu nehmen.

Rettungsplan soll geschmiedet werden

In der eskalierenden Panik Mitte September verkündeten Vertreter von Regierung, Notenbank und Parlament ein gigantisches Rettungspaket. Kurzfristig beruhigte das die Märkte. Mittelfristig werden aber Fragen auftauchen: Wie soll das eigentlich aussehen? Werden sich Regierung und Parlament mitten im Wahlkampf einigen können (zum Beispiel darauf, ob nur die Großbanken gerettet werden sollen oder auch bis zu zehn Millionen von Zwangsversteigerung bedrohter Eigenheimbesitzer)? Eine Auffanggesellschaft soll den US-Banken ihre problematischen Wertpapiere abnehmen – aber ein beträchtlicher Teil dieser Wertpapiere gehört Banken außerhalb der USA. Derartige Schwierigkeiten lassen noch verschiedene Finanzpaniken erwarten, bevor ein entsprechendes Gesetz in Kraft tritt (falls es jemals zustande kommt). Erst Recht, wenn die „Realwirtschaft“ weiter abwärts geht (und die Instabilität der Finanzmärkte wird die Konsum- und Investitionsbereitschaft weiter herabdrücken).

Und selbst dann wären die Probleme nicht gelöst. Seit den siebziger Jahren haben US-Großkonzerne weitgehend traditionelle Bankkredite durch die Ausgabe von Firmenanleihen (corporate bonds) ersetzt, die wie Aktien oder Staatsanleihen an der Börse gehandelt werden. Deshalb mussten sich US-Großbanken neue Kunden und Tätigkeitsfelder suchen, die riskanter, aber (im Erfolgsfall) profitabler waren. Nachdem diese Risikostrategie in einer Katastrophe geendet hat, können sie nicht einfach zu ihren alten, weniger riskanten Tätigkeiten zurück, weil dieser Markt eben nicht mehr existiert.

Bankenkrise zieht Kreise

Die neue Runde der Bankenkrise erschütterte das Finanzsystem weltweit. Aktienbörsen hatten teils die stärkste Kurseinbrüche seit dem 11. September 2001. Die Moskauer Börse wurde vorübergehend geschlossen. Die Notenbanken verliehen über 200 Milliarden Dollar zusätzlich an die Banken, die sich aus Angst vor neuen Pleiten nur noch zu hohen Zinsen untereinander Geld leihen wollten. In Großbritannien wurde die Hypothekenbank Halifax Bank of Scotland (HBOS) von der Großbank Lloyds TSB übernommen.

Natürlich hat die Krise massive Auswirkungen auf die Bankbeschäftigten. Bei Lehman Brothers arbeiteten 25.000. Angeblich sollen 9.000 ihre Jobs behalten.

Marktkräfte versagen

Eine zentrale Folge ist, dass die jahrelange Propaganda von der Überlegenheit des freien Marktes von den Herrschenden selbst geradezu lächerlich gemacht wird. Wenn George Bush, dem niemand besondere Geisteskräfte und Finanzkenntnisse nachsagen kann, Termine absagt und in Washington bleibt, um bereitzustehen, bei Bedarf das freie Spiel der Marktkräfte durch staatliche Eingriffe zu hintertreiben – dann kann es mit diesem freien Markt doch wirklich nicht weit her sein.

Nachdem die großen Hypothekenfirmen Fannie Mae und Freddie Mac faktisch verstaatlicht wurden, folgte die riesige Versicherung American International Group (AIG); im Jahr 2007 110 Milliarden Dollar Umsatz und 116.000 Beschäftigte. Die US-Notenbank pumpte 85 Milliarden Dollar hinein und wurde damit ihr Hauptaktionär (79,9 Prozent der Aktien). Von den beiden verbleibenden US-Investmentbanken hofft die eine, Morgan Stanley, auf Rettung durch den chinesischen Staatsfonds CIC, die andere, Goldman Sachs, hat beste Beziehungen zur US-Regierung: ihr Ex-Chef ist US-Finanzminister!

Kapitalismus regulieren oder überwinden?

Aufgabe der Partei DIE LINKE darf in solchen Zeiten nicht nur sein, eine Regulierung des Marktes zu fordern, deren Notwendigkeit jeder in Worten oder Taten anerkennt. Sie sollte erklären, dass die Entfesselung der Finanzmärkte ein Versuch war, die Entwicklungsmöglichkeiten des Kapitalismus künstlich zu erweitern. Ohne sie hätte es nicht einmal die schwächlichen Aufschwünge der letzten Jahrzehnte gegeben. Eine verstärkte Regulierung des Kapitalismus kann deshalb kein kapitalistisches goldenes Zeitalter schaffen. Der Kampf für eine Einschränkung der Macht der Kapitalisten durch Regulierung ist nur dann ein Weg nach vorne, wenn er zu der Schlussfolgerung führt, sie völlig zu entmachten. n