Bahn-Privatisierung: Mehdorn, Merkel und Beck wollen den Börsengang jetzt durchsetzen

Für Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und Hartmut Mehdorn geht es um alles: Unter Hochdruck arbeiten sie daran, die Privatisierung der Bahn noch in letzter Minute fest zu klopfen.


 

von Sebastian Foerster, Berlin

Für Bahn-Chef Mehdorn, SPD und CDU ist es höchste Eisenbahn, schnellstmöglich das sogenannte Holding-Modell durch zu bekommen. Da im Herbst schon der Vorwahlkampf zur Bundestagswahl 2009 beginnt, sind die nächsten Wochen entscheidend. Ihnen liegt viel daran, diese unpopuläre Privatisierung jetzt noch auf den Weg zu bringen.

Frisches Kapital

Nach den neuesten Plänen will die SPD als „Kompromiss“ mit den „Parteilinken“ 24,9% Prozent der Konzernsparten Personenverkehr, Gütertransport und Logistik privatisieren. Das Schienennetz hingegen soll weiterhin in Staatsbesitz bleiben (und übrigens von derzeit 34.000 auf deutlich weniger als 30.000 Kilometer reduziert werden).

Bahn-Chef Mehdorn will aus dem Staatsunternehmen Deutsche Bahn den führenden „Global Player“ im Logistikbereich machen. Um seine weltweite Marktposition ausbauen zu können, braucht der Bahn-Vorstand nun aber mehr Geld und neue Eigentümer. Zu Spottpreisen sollen deswegen Teile der DB AG – dem letzten großen Unternehmen in öffentlicher Hand – an Aktionäre, Spekulanten und „Heuschrecken“ verscherbelt werden.

Große Koalition im Dilemma

Bisher ist es dem Bahn-Vorstand nicht gelungen, sein Vorhaben durchzusetzen. Die ablehnende Haltung der Bevölkerungsmehrheit, die öffentlichen Protestaktionen und der Arbeitskampf der Lokführer erschwerten es ihnen, die Privatisierung voran zu treiben. Zudem ist die Große Koalition sich weiter uneinig, wie der Börsengang aussehen soll. Aufgrund der Stimmung in der Bevölkerung und der eigenen Dauerkrise standen die Privatisierungspläne auf dem SPD-Parteitag im letzten Oktober auf der Kippe. Nur weil Kurt Beck dort den Basta-Beck machte, kamen die Privatisierer noch einmal durch – mit dem „Volksaktien-Modell“. Obwohl auch damit die Tür für jede Art von Ausverkauf geöffnet würde, schmeckt das CDU/CSU und der Bahn-Spitze überhaupt nicht. So sollten die neuen Eigentümer kein Stimmrecht erhalten. Das widersprach den Interessen des Kapitals und wurde nun per Basta-Verlautbarung von Merkel beerdigt.

Becks neuer, jetzt durchgesickerter Kompromiss mit dem „linken“ Parteiflügel ist der Einstieg in die Privatisierung. Die erste Tranche soll damit auf 24,9% begrenzt werden – mehr nicht.

Bereits durch die Umwandlung der Bahn in eine Aktiengesellschaft wurden die Grundlagen gelegt, die Logik der Profitmaximierung bei der Bahn einzuführen. Dieser Weg wird damit weiter gegangen. Dem linken Blinken auf dem SPD-Parteitag folgt nun das Abbiegen nach rechts.

Privatisierung gegen Willen der Bevölkerungsmehrheit

Das ging einher damit, eine Entscheidung des Bundestags zu umgehen: Eine derartige Privatisierung gemäß dem Holding-Modell scheint schon von den bisherigen gesetzlichen Vorgaben gedeckt.

Zwei Drittel der Bevölkerung lehnen die Privatisierung ab. Der Börsengang der Bahn würde in der Wahlkampfzeit ein allzu großes öffentliches Aufsehen erregen und Union und SPD einer schweren Belastung aussetzen – der Konfrontation mit dem Mehrheitswillen in der Bevölkerung. Nach den Plänen von Mehdorn, Merkel und Beck soll die Bahn-Privatisierung deshalb unter Ausschluss der Öffentlichkeit durch Beschlüsse innerhalb der Gremien der Deutschen Bahn umgesetzt werden. Sollte es soweit kommen, kann das Parlament als Diener des Kapitals die Beschlüsse dann bestenfalls nur noch pauschal bestätigen.

Hintergrund

Sondergewinne für Private in Milliardenhöhe

Der Vermögenswert der Deutschen Bahn AG beträgt 181 Milliarden Euro. Verkauft, besser verscherbelt werden sollen rund 25 (später 49,9) Prozent laut Schätzungen für gerade mal 2,5 bis sechs Milliarden Euro.

Hinzu kommt die Schuldenproblematik: Die Schulden der DB belaufen sich auf 20 Milliarden Euro. Würde – wie geplant – mit der Neustrukturierung die Infrastruktur in eine gemeinsame Gesellschaft (EIU) eingebracht, die sich zu 100 Prozent in, wenn auch indirektem Bundeseigentum befindet, hätte man es mit einer faktischen Entschuldung der neuen teilzuprivatisierenden Transportgesellschaft (VuL) und einer zusätzlichen Belastung des Bundes mit neuen Schulden in Höhe von rund 15 Milliarden Euro zu tun.