BVG-Streik in Berlin: Der erste Schritt

Berliner Verkehrsbetriebe im Streik


 

von Daniel Behruzi, zuerst veröffentlicht in der jungen Welt, 2.2.04

Tous ensemble« – alle zusammen. Dieser Schlachtruf aus der Streikbewegung des öffentlichen Dienstes in Frankreich im Jahr 1995 könnte demnächst zur Parole der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in Berlin werden.Denn nicht nur im Nahverkehr, der seit Donnerstag nacht durch Streik lahmgelegt ist, eskaliert der Konflikt mit dem SPD-Linke-Senat. Auch die rund 60 000 Landesbediensteten, die seit Monaten dafür kämpfen, daß ihnen die anderswo längst erfolgten Lohnerhöhungen gewährt werden, verlieren langsam die Geduld. Nachdem der Senat ein letztes Ultimatum ungenutzt verstreichen ließ, erklärten die Gewerkschaften das Scheitern der Verhandlungen. Urabstimmung und Streik sind nach mehreren kurzzeitigen Arbeitsniederlegungen für ver.di jetzt die einzige verbleibende Alternative zur Selbstaufgabe.

Die Zeit ist für die Gewerkschaften günstig. Das Selbstbewußtsein unter den Beschäftigten ist durch den Erfolg der Lokführer gestiegen. Die Parole, den Gürtel enger zu schnallen, zieht nicht mehr. Zu deutlich sind die Erfahrungen bei Nokia, BenQ und anderswo: Lohnverzicht sichert keine Arbeitsplätze. Auch bei der BVG haben die Beschäftigten verzichtet. Ständige Nullrunden und der 2005 geschlossenen Tarifvertrag Nahverkehr (TV-N) hatten zur Folge, daß viele Busfahrer trotz Nacht- und Schichtarbeit mittlerweile mit kaum mehr als 1100 Euro netto im Monat nach Hause gehen. »So geht es nicht weiter«, heißt es allenthalben.

Diese Stimmung zur Durchsetzung kräftiger Lohnerhöhungen zu nutzen, wäre Aufgabe der Gewerkschaften. Täten sie dies, könnten sie aus der viel bejammerten Defensive herauskommen. Bei der BVG ist ein erster Schritt getan, was allerdings weniger an der Entschlossenheit der Gewerkschaftsspitze als an der Empörung in der Belegschaft liegen dürfte. »Wir wollten keine unorganisierten Dinge geschehen lassen«, erklärte ver.di-Sekretär Frank Bäsler unverblümt das Vorziehen und die Ausweitung des Ausstands.

Vielen BVGern dürfte aus der letzten Auseinandersetzung im Jahr 2005 ohnehin ein gesundes Mißtrauen gegenüber der ver.di-Führung geblieben sein. Trotz hundertprozentiger Warnstreikbeteiligung akzeptierte diese nach Intervention ihres Bundesvorsitzenden Frank Bsirske noch während der Urabstimmung die mit dem TV-N einhergehenden Lohnkürzungen. Ver.di, der in den Nahverkehrsunternehmen mittlerweile die Fahrpersonalgewerkschaft GDL im Nacken sitzt, täte gut daran, dieses Mal konsequenter zu sein.