Berliner Nahverkehr: »Rot-rot« wird bestreikt

Seit heute nacht null Uhr dürften fast alle Busse, U- und Straßenbahnen in Berlin stillstehen.

[dokumentiert: Flugblatt des Netzwerks für ein kämpferische und demokratische ver.di zum BVG- / BT-Streik]


 

von Daniel Behruzi, zuerst veröffentlicht in der jungen Welt, 1.2.08

Die Gewerkschaft ver.di ruft die Beschäftigten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sowie von deren Tochterunternehmen Berlin Transport (BT) bis Samstag, 15 Uhr, zur Arbeitsniederlegung auf.

Damit reagiert sie auf die »Provokation« des Kommunalen Arbeitgeberverbands (KAV) bei den Verhandlungen am Donnerstag. Der KAV habe »für 95 Prozent der Belegschaften von BVG und BT keinerlei Angebot gemacht und will deren Einkommen bis Ende 2010 einfrieren«, kritisierte ver.di-Sekretär Frank Bäsler am Donnerstag abend in Berlin vor der Presse.

Das »Angebot« des KAV beinhaltet eine Einmalzahlung von 200 Euro sowie lineare Lohnsteigerungen von vier Prozent ab Juli 2008 und zwei Prozent ab Januar 2010 – allerdings nur für die seit dem 31.August 2005 neu eingestellten Beschäftigten. Laut KAV sind das 2000, nach Angaben von ver.di weniger als 1200 der insgesamt 12500 Mitarbeiter von BVG und BT. Die werden infolge des 2005 vereinbarten Tarifvertrags Nahverkehr deutlich schlechter entlohnt als die Altbeschäftigten, deren Einkommen durch einen »Sicherungsbetrag« aufgestockt wird. Die jeweilige Lohnerhöhung soll mit diesem »Sicherungsbetrag« verrechnet werden, so daß der Großteil der Belegschaften von BVG und BT bis Ende 2010 ohne einen Cent mehr auskommen müßte. »Das wäre ein Eingriff in tariflich bereits abgesicherte Bezüge«, stellte ver.di-Mann Bäsler fest. Die Gewerkschaft erwarte vom SPD-Linke-Senat »Vertrags- und Tariftreue«, betonte er. Ver.di fordert weiterhin Lohnsteigerungen von zwölf Prozent, mindestens aber 250 Euro.

Auch im Tarifkonflikt des Landes Berlin, der 60 000 Arbeiter und Angestellte in Behörden, Kitas, Schulen und Grünflächenämtern sowie bei der Polizei und der Feuerwehr betrifft, droht eine Eskalation. Die Tarifgemeinschaft der Gewerkschaften ver.di, GdP, IG BAU und GEW fordert, daß die in anderen Bundesländern längst zugestandenen Einmalzahlungen von jeweils 300 Euro für die Jahre 2005 bis 2007 auch den Berliner Kollegen zugute kommen. Zudem will sie durchsetzen, daß die Hauptstadt in die geltenden Flächentarifverträge zurückkehrt und Einkommensverbesserungen, über die derzeit auf Bundesebene verhandelt wird, übernimmt. Innensenator Ehrhart Körting (SPD), dem die Gewerkschaften eine Frist bis zum 29. Januar gesetzt hatten, erneuerte lediglich sein Angebot, das neue Tarifrecht teilweise zu übernehmen – allerdings ohne jegliche Einkommensverbesserungen. Die Gewerkschaften erklärten daraufhin das Scheitern der Verhandlungen.

»Der Senat zwingt uns durch sein Verhalten, jetzt Arbeitskampfmaßnahmen vorzubereiten«, so die stellvertretende ver.di-Landesbezirksvorsitzende Astrid Westhoff in einer Pressemitteilung. Für Klaus Eisenreich, Geschäftsführer der Polizeigewerkschaft GdP, ist klar, daß es nicht wie in den vergangenen Wochen bei Warnstreiks bleiben kann. »Warnstreiks sind in der GdP nicht mehr umsetzbar. Der Druck der Basis ist enorm. Die Kollegen wollen richtig streiken – und zwar möglichst unbefristet«, erklärte er am Donnerstag gegenüber junge Welt. Wie Oberbürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und sein sozialdemokratischer Innensenator mit den Gewerkschaften umgingen sei »schlicht skandalös«, betonte Eisenreich. Die Tarifkommissionen wollen Mitte Februar über konkrete Maßnahmen entscheiden.