Forderungen voll durchsetzen – Nein zu jeglicher Privatisierung der Bahn

Die LokführerInnen haben bisher einen beispielhaften Kampf geführt. Mit enormer Entschlossenheit haben sie ihre Stärke demonstriert. Mit der Drohung eines unbefristeten Vollstreiks – wie ihn die KollegInnen einfordern, wenn kein Angebot kommt – bringen sie schon jetzt die Wirtschaftsbosse ins Schwitzen. Der Streik der LokführerInnen beginnt Wirkung zu zeigen.


 

von Angelika Teweleit, Berlin, 18.11.2007

Hinter den Kulissen wird eine mögliche Lösung des Konflikts in der Gründung einer Servicegesellschaft benannt. Das würde einen eigenen Tarifvertrag bedeuten. Trotzdem muss hier genau geschaut werden, denn bei diesem Bahnmanagement kann man erwarten, dass sie eine Servicegesellschaft nur vorschlagen, wenn es ihnen auch was nützt. Zudem sollte die Frage der immer noch drohenden Privatisierung der Bahn mit in die Diskussion und den Kampf aufgenommen werden. Denn die Folgen von Privatisierung würden alle Beschäftigten zu spüren bekommen.

Neue Servicegesellschaft für Lokführer – Lösung oder Mogelpackung?

Die Frage der Servicegesellschaft wird hinter verschlossenen Türen beim Bahnvorstand diskutiert, mal wieder dementiert, dann wieder in die Diskussion gebracht. Unter KollegInnen wird diese Option kontrovers diskutiert. Bis 1994 bildete das Fahrpersonal eine eigene Sparte im DB Konzern, „Traktion“ genannt. Die 1995/96 erfolgte Umstrukturierung und Aufteilung in drei Verkehrsbereiche diente unter anderem dazu, die Position der GdL zu schwächen und transnet insgesamt die Tarifführerschaft zu geben.

Vertreter des Bahnmanagements haben bereits gesagt, "es könnte in dieser Gesellschaft höhere Löhne geben. Aber was Sozialleistungen angeht, wird es dort sicher nicht mehr so kuschelig wie im Konzern." Dieser Vorschlag kann ein letzter Rettungsring für das Bahnmanagement sein, um aus diesem Tarifkonflikt herauszukommen. Zunächst würde ein eigenständiger Tarifvertrag, vielleicht auch mit unmittelbaren Verbesserungen zugestanden. Doch was würde es für die Zukunft bedeuten?

Ein GdL Kollege warf die Frage auf: „Kennt irgendjemand eine Servicegesellschaft bei der es dem Personal anschließend besser ging?“ Ein anderer Kollege sagte: „ eine Gefahr sehe ich bei dem Ganzen: Wir sind dann praktisch eine Personaldienstleister in Konkurrenz zu anderen Personaldienstleistern.“ (Beide im web Portal „Bahnerforum“).

Ausgliederung bei der Telekom – Desaster für Beschäftigte

Das jüngste Beispiel ist die Telekom, wo die Beschäftigten der Callcenter und des T-Com Kundendienstes in neue Servicegesellschaften übergeleitet wurden – mit massiven Lohnverlusten und Arbeitszeitverlängerung. Hier wurde mit der Ausgründung Tarifflucht begangen. Es war das Versäumnis der ver.di Führung, den Kampf nicht gegen die Ausgründung insgesamt zu führen, sondern nur gegen die „schlimmsten Auswirkungen“. In Wirklichkeit ist trotz großer Kampfbereitschaft der KollegInnen aufgrund der Verrichtslogik der ver.di Führung nicht einmal das gelungen.

Jetzt geht es weiter. Die Telekom vergibt Aufträge an die Servicegesellschaften bei T-Service. Aber die stehen in Konkurrenz mit anderen. Wenn sie nicht billig genug anbieten, kriegen sie nicht die Aufträge. Damit kann zweierlei erreicht werden: 1. es dient als weiteres Erpressungsmittel für Dumpinglöhne, Arbeitszeitverlängerung etc. in den neuen Servicegesellschaften. 2. die Servicegesellschaften werden ausgebootet und der Service wird bei anderen Anbietern eingekauft – das hieße also massiver Personalabbau. Somit würde sich die Spirale des Lohndumpings und der Verschlechterungen der letzten Jahre weiterdrehen. Eine ausgegliederte Servicegesellschaft kann auch leicht verkauft oder sogar in die Insolvenz getrieben werden.

Bei der Bahn gibt es bereits die Tochterfirma „DB Zeitarbeit“. Es ist denkbar, dass die neue Servicegesellschaft für LokführerInnen in direkter Konkurrenz zur „DB Zeitarbeit“ stünde (die „individuelle Komplettlösungen“ mit „flexiblen MitarbeiterInnen“ anbietet). Die Tarifverträge der Zeitarbeits-Tochterfirma wurden mit transnet und GdBA ausgehandelt.

Das Modell „Servicegesellschaft“ ist eine Mogelpackung, die nur dazu dient, dem Bahnmanagement einen letzten Ausweg zu eröffnen. Denn momentan stehen sie angesichts der Kampfkraft der LokführerInnen und der Unterstützung in der Bevölkerung mit dem Rücken an der Wand. Kurzfristig mag es so aussehen, als ob das Ziel eines eigenständigen Tarifvertrags erreicht sei. Langfristig kann es aber folgendes bedeuten: Die kampfstärkste Belegschaft wird in ein eigenes Tochterunternehmen ausgegliedert, das dann nach dem Börsengang nach und nach ausgedünnt wird.

Holding – nicht die „bessere“ Privatisierung!

Die andere wichtige Frage dreht sich um das Privatisierungsmodell, das zwar nicht neu ist, aber jetzt wieder auf die Tagesordnung gekommen ist: die Holding. Im Gegensatz zum Modell von Mehdorn und Hansen ginge es hier nicht um die Teilprivatisierung des gesamten Konzerns, sondern die Infrastruktur (Schienennetz, Bahnhöfe etc.) blieben zunächst ganz beim Bund. Mit der Holding würde „nur“ der Verkehrsbereich teilprivatisiert. Aber auch ein „bisschen“ Privatisierung ist Ausverkauf von öffentlichem Eigentum. Es bedeutet für die betroffenen Beschäftigten weiteren Lohnabbau, Schmalspurausbildung, Superausbeutung durch unmenschliche Schichtzeiten und Arbeitszeitverlängerung – also alles das, wogegen jetzt gestreikt wird. Denn den Privaten geht es um ihren Profit – der kann gerade bei Verkehrsunternehmen nur durch eine Senkung der Personalkosten gesteigert werden. Mit dem Holding Modell bedarf es nicht mal einer Gesetzesänderung, sondern nur der Zustimmung im Aufsichtsrat. Im Zusammenhang mit der drohenden Privatisierung über das Holdingmodell wären die Gefahren noch größer, dass auch eine neue Servicegesellschaft komplett an einen Privatanbieter verkauft würde.

Für die Gesellschaft wird eine privatisierte Bahn, egal mit welchem Modell, bedeuten: schlechterer Service, weniger Sicherheit, Abbau von wenig profit-trächtigen Strecken, steigende Preise- also, die Fortsetzung von alldem, was mit der Vorbereitung zum Börsengang schon begonnen wurde. Mit dem Holding Modell würde der Konzern genauso zerschlagen wie mit einer Privatisierung des gesamten Konzerns. Eine Trennung von verschiedenen Teilen der Bahn, die dann noch von unterschiedlichen Firmen betrieben werden, macht volkswirtschaftlich und verkehrspolitisch überhaupt keinen Sinn. Was wir brauchen, ist ein Verkehrssystem, das nicht den Profitinteressen einiger weniger untergeordnet ist. Eine Bahn, in der alle Teile und Sparten sinnvoll aufeinander abgestimmt sind. Und in Wirklichkeit brauchen wir ein massiv ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz, als Alternative zum Straßenverkehr, das heißt auch massive öffentliche Investitionen in den Schienenverkehr. Mit der geplanten Privatisierung wird auch die Zerstörung der Umwelt weiter vorangetrieben, denn schlechterer Service wird auch eine Zunahme des Individualverkehrs bedeuten. Das geht alle an.

Nein zur Börsenbahn – stattdessen Bahn für alle!

Momentan sind die Privatisierungspläne mächtig ins Wanken geraten, und auch die Regierung ist darüber zerstritten. Das ist eine Chance, die die Beschäftigten der Bahn und die Gewerkschaften beim Schopf packen könnten. Leider hat sich die GdL-Führung nicht ablehnend gegenüber dem Holding-Modell geäußert. Dabei sind die Mehrzahl der KollegInnen gegen jegliche Privatisierung. Es ist ein Argument der Gegenseite, wenn sie behaupten, gegen die Privatisierung können die Kollegen nicht streiken. Schließlich werden Arbeitsbedingungen und Löhne durch die Privatisierung angegriffen. Die Behauptung, man dürfe nicht dagegen streiken, ist als ob die Schlange zum Kaninchen sagt „Rühr dich nicht, damit ich dich fressen kann“.

Würde die GdL jetzt parallel zum Streik eine Kampagne gegen die Bahnprivatisierung starten, kämen auch die DGB Gewerkschaften und Transnet mächtig unter Druck. Eine kämpferische Belegschaft und deutliche Lohnerhöhungen – damit kann diese Tarifrunde der GDL zu einem entscheidenden Sargnagel gegen den von der Bundesregierung geplanten Ausverkauf werden. Der jetzige Kampf muss und kann der Auftakt sein, die Privatisierung komplett zu verhindern – notfalls mit erneuten Streiks.

Mehdorn hat für den Fall, dass der Börsengang scheitert, seinen Rücktritt angedroht. Die Bahnbeschäftigten und die Reisenden hätten dadurch ein Problem weniger. Und Suckale, Rausch, der gesamte Vorstand und Aufsichtsrat sollten Mehdorn hinterher gehen. Wir brauchen keine Manager, die sich auf Kosten der Beschäftigten und Bahnnutzer die Taschen vollstopfen, die Bahn in eine Börsenbahn umwandeln wollen und sonst von nichts eine Ahnung haben. Wir brauchen keine Bahn, von der sich einige Private die Rosinen rauspicken können, mit denen sie ihr Profite machen. Wir brauchen eine Bahn für alle, unter der demokratischen Kontrolle von Bahnbeschäftigten und Nutzern.

* Durchsetzung des eigenständigen Fahrpersonal-Tarifvertrags und volle Durchsetzung der geforderten Verbesserungen als Auftakt für Lohnerhöhungen für alle Bahnbeschäftigten (denn per Sonderklausel können auch Transnet und GDBA einen höheren Abschluss der GDL nutzen, um ihren bescheidenen Abschluss aufzubessern) – dafür ist ein gemeinsamer Kampf aller Eisenbahner möglich und nötig!

* Nein zur Holding – nein zur Privatisierung – die Chance jetzt nutzen, den Börsengang der Bahn komplett zu stoppen!

* Keine weitere Aufsplittung der Belegschaft in verschiedene Gesellschaften und Tochterfirmen

* Schluss mit Missmanagement und Profitlogik – für eine Bahn in 100% öffentlichem Eigentum unter demokratischer Kontrolle von Beschäftigten und NutzerInnen