Burma: Diktatur in Gefahr

Militär droht mit “Aktionen” gegen die größten Straßenproteste der letzten zwei Jahrzehnte


 

Während der letzten Woche sind die täglichen Proteste gegen die Diktatur in Burma, geführt von buddhistischen Mönchen, auf mehr als 100.000 Menschen in der größten Stadt, Rangoon, angewachsen.

von Clare Doyle

Fernsehberichten von Montag dem 24. September zufolge sind, neben den Klerikern, alle Teile der Gesellschaft mit einbezogen – Intellektuelle, TagelöhnerInnen, KünstlerInnen, SchauspielerInnen, Studierende und die Armen. Es gibt keine Zeichen für ein Abflauen der Proteste, obwohl die Militärs nun die DemonstrantInnen davor warnen, dass sie „Aktionen gegen sie durchführen“ werden. Ihr Regime ist in Gefahr.

Aber, wie es ein Kommentator heute morgen (25. September) formulierte, ist die militärische Führung wohl "beunruhigt, ob das militärische Fußvolk, dass auch unter der ökonomischen Misswirtschaft der Generäle gelitten hat, Befehle befolgen würde, auf unbewaffnete DemonstrantInnen zu schießen". Ein andere meinte "friedliche DemonstrantInnen im Scheinwerferspot von YouTube zu erschießen ist etwas, das sogar die Verbündeten von Burma nicht mehr ignorieren können".

Die auslösenden Demonstrationen gegen eine plötzliche Verdoppelung von Fahrpreisen und von Kraftstoffkosten durch das Regime wurden Mitte August von Studierenden und AktivistInnen organisiert – doch bald griffen Mönche den Kampf auf. Die ersten Demonstrationen wurden brutal unterdrückt. 150 Leute wurden verhaftet und viele wurden brutal von zivilen Schlägerbanden zusammengeschlagen. Aber die Bewegung verschwand nicht. Mehr Proteste wurden organisiert.

Vor gerade einmal zwei Wochen, am 6. September, nahmen einige Mönche in Pakokku eine Gruppe von älteren Regierungsbeamte und Offizier der Armee, die sie besuchten gefangenen und verbrannten ihre Fahrzeuge. Die Delegation war zum Kloster gekommen um sich für Übergriffe gegen ihre Ordensbrüder und MitdemonstrantInnen zu entschuldigen, als Schüsse in der Luft abgefeuert wurden und Mönche von der Polizei und von der Regierung nahe stehenden Schlägerbanden festgehalten und niedergeknüppelt wurden. Die Delegation war schließlich freigegeben worden und kehrte ohne ihre Fahrzeuge nach Hause zurück!

Die Mönche von Pakokku forderten die Menschen vor Ort nicht dazu auf, sich an der Geiselnahme zu beteiligen. Sie meine, das wäre ihre Angelegenheit, aber bei den anfänglichen Demonstration trugen sie Schilder mit der Aufschrift "Mönche für das Volk!".

Als sich die Schleusentore der Massenproteste im ganzen Land öffneten, steigerte der buddhistische Klerus seinen Auruf zu: "Wir rufen das Volk auf, sich uns anzuschließen!" Tausende haben sich angeschlossen und tausende mehr säumen die Wege der Märsche. Sie haken sich untereinander ein, um die TeilnehmerInnen zu schützen, jubeln und rufen ihnen Ermutigung zu und bieten Wasser, Blumen und Balsam an, um ihre Füße zu beruhigen!

Junge Mönche

Die Financial Times (London) hob hervor, "es gibt 400.000 bis 500.000 Mönche und Novizen in Burma – dass macht sie zu Mitgliedern der einzigen Einrichtung im Land die es in Bezug auf die Größe mit dem Militär aufnehmen kann. Einige Mönche lehnen es ab, das Militär und seine Familien religiös zu betreuen. "Sie sind jüngere Mönche und sie sind offensichtlich sehr politisch geworden" ‚ sagte ein Kommentator aus Burma." (Financial Times, 24. September).

Von vielen Jugendlichen in Burma, besonders von den jüngsten Söhnen, wird erwartet, einige Zeit in einem Kloster zu dienen. Die Kirche ist von den Almosen der lokalen Bevölkerung abhängig. Wenn die oberen Ränge der buddhistischen Kirche es vorgezogen haben, gute Beziehungen den oberen Generälen zu pflegen und ihre (umfangreichen) Almosen im Austausch für eine Garantie für ihr nächstes Leben anzunehmen, so sind die jüngeren Mönche stärker in Kontakt mit den Nöten und dem Zorn des Volkes. In Ermangelung einer Massepartei der ArbeiterInnen, der armen LandwirtInnen und der TagelöhnerInnen, füllen sie das Vakuum aus und stehen an der Spitze der Bewegung, wie sie es, gemeinsam mit Studierenden schon 1988 getan hatten, bevor ArbeiterInnen und andere Schichten der Gesellschaft die Arena des Kampf betreten haben.

Die jungen Mönche wurden durch die Bewegung, die sie initiiert hatten, weiter radikalisier. Sie fingen an Forderungen aufzustellen wie, "wir wollen einen nationalen Ausgleich" und "wir wollen Dialog". Sie schlossen auch Forderungen nach der Freilassung aller politischen Gefangenen ein. Aber jetzt, ermutigt durch die wachsende Unterstützung für die Bewegung, rufen die Führer der Mönche durch die Megaphone: "Unser Aufstand muss erfolgreich sein!" Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass die Gesamtburmesische Mönchsallianz, "zum ersten Mal normale Leute dazu auffordert, "friedlich gegen die üble Militärdiktatur zu kämpfen" bis zu ihrem Sturz". Die Proteste so erklären sie, werden nicht stoppen, bis sie nicht "die Militärdiktatur vom Land weggewischt" haben!

1988 und heute

Das Regime der Generäle ist in Burma seit 45 Jahre an der Macht und regiert mit den brutalen Methoden die von einer 450.000 Mann starken Armee umgesetzt wird. Jetzt steht es der größten Bedrohung für sein Bestehen seit den revolutionären Ereignissen von 1988 gegenüber. Damals hätte die Macht in die Hände der Arbeiterklasse und der armen Menschen übergehen können, als sich ihnen auf den Straßen Soldaten und Polizisten anschlossen, wenn die spontanen regionalen Komitees sich auf nationaler Ebene verbunden hätten.

Es gab Wochen des Kampfes, in denen aber keine Partei mit einer revolutionären Führung nach vorne trat, die den Sturz des Regimes hätte durchführen können. Der Stab ging an Aung San Suu Kyi, die Tochter des "Gründungsvaters" von Birma, Aung San, der 1947 zusammen mit sechs Mitgliedern seiner Übergangsregierung, ermordet wurde. Das Programm von Aung San Suu Kyis war begrenzt, sie rief zu Verhandlungen und Zusammenarbeit auf forderte das Militär auf, sich in Richtung Demokratie zu bewegen. In dieser Hinsicht könnte sich die Geschichte tragisch wiederholen. Dann damals wie auch heute kann nur eine Führung, deren Ziel es ist die Massenproteste auf der Straße in einen Kampf für sozialistische Ziele zu entwickeln, einen dauerhaften Sieg im Kampf gegen die Diktatur erzielen.

Die heroische Bewegung von 1988 wurde niedergeschlagen. Mindestens 3.000 Menschen wurden getötet, viele mehr eingesperrt und Tausende flohen aus ihrer Heimat. Bei den Wahlen, die 1990 von der Militärjunta zugestanden wurden, errang die Partei von Aung San Suu Kyis – die nationale Liga für Demokratie – einen Erdrutschsieg. Die Generäle erklärten das Ergebnis sofort für ungültig und setzten ihre Ein-Parteien-Herrschaft wieder ein. Aung San Suu Kyi wurde festgenommen und eingesperrt. Für den größten Teil der letzten 17 Jahre war sie im Gefängnis oder stand unter Hausarrest, mit grausamen Beschränkungen in Bezug auf jeden möglichen Kontakt mit der Außenwelt.

Zick-Zack Kurs des Regimes

Am letzter Samstag, den 22. September, marschierten bis zu tausend protestierende Mönche ungestört zum Haus von Aung San Suu Kyi und verbanden ihren Protest mit der Pro-Demokratie-Bewegung. Sie kam zum Tor heraus um sie zu treffen, winkte und weinte. Weil das Regime die Auswirkungen auf die Bewegung fürchtet, wenn sie mehr Kontakte mit den AnführerInnen der NLD hat, änderte es sofort den Kurs, stellte Stacheldraht, Wasserwerfer und Reihenweise Polizei auf, um zu verhindern, das irgendeine weitere Demonstration ihr Haus erreicht.

Der Nationalen Liga für Demokratie, der wichtigsten Oppositionspartei, wird das Grundrecht verweigert, sich öffentlich zu organisieren, geschweige denn zu Wahlen anzutreten. Aber in den letzten Tagen sind ihre Anführer auf die Straße gekommen um sich an den Massenprotesten zu beteiligen. Sie haben dafür Verhaftung, Wegsperren und Folterung riskiert. Sie müssen weiter gehen, als nur Zugeständnisse von der Junta zu fordern oder auf volle demokratische Rechte zu bestehen. Um Stabilität und eine massive Verbesserung im Lebensstandard der Menschen zu garantieren braucht es einen sozialistischen demokratischen Plan auf der Grundlage von staatseigener Produktion, unter Kontrolle und Verwaltung der ArbeiterInnen. Der Aufruf an die ArbeiterInnen in den nahe gelegenen asiatischen Ländern, ihrem Beispiel zu folgen würde lebenswichtig sein. Eine Partei mit solch einem Programm könnte unter den heutigen Bedingungen schnell wachsen.

Es ist noch weitgehend unklar, wie die Entwicklung in den nächsten Tagen aussehen wird. "Die Führung Burmas befindet sich jetzt in unbekanntem Gebiet", erklärte der britische Botschafter in Burma, Mark Canning, am Morgen des 24. Septembers BBC Radio. Er sah drei mögliche Szenarien. Die Demonstrationen könnten nachlassen, aber "das sieht jeden Tag weniger wahrscheinlich aus“. Das Regime könnte die Demonstrationen niederschlagen, was "ein Desaster wäre". (Sogar China, Burmas wichtigster Handelspartner, das das Erdgas, das vor der Küste von Burma gefördert wird dringend braucht und das gegen UN-Sanktionen ist, drängt die Generäle, vorsichtig zu sein.)

Eine dritte Möglichkeit ist nach Ansicht des britischen Botschafters, dass das Regime gespalten darüber ist, ob man Zugeständnisse machen oder Gewalt anwenden soll. Solche Spaltungen in der herrschenden Schicht sind ein Zeichen für den unerträglichen Druck, der sich von unten entwickelt. Eine Schwäche an der Spitze kann breitere Schichten der ArbeiterInnen und der Unterdrückt motivieren, sich daran zu beteiligen, die alte Ordnung herauszufordern.

Inakzeptable Bedingungen

In Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte steht Burma besonders schlecht da, einschließlich des systematischen Gebrauchs von Vergewaltigung und Folterung, Zwangsarbeit und brutaler nationaler Unterdrückung (der Karen und anderer Völker). Während das Militär 40 Prozent des Staatshaushalts aufsaugt, sind die Ausgaben für das Gesundheitswesen minimal und sind in einem Land, das einmal die höchste Rate an Alphabetisierung hatte, Ausbildungsstandards durch den Mangel an Regierungsgeldern zusammengebrochen.

Das Niveau der Armut und des Hungers bedeutet, dass Millionen Familien nicht mehr als eine Mahlzeit pro Tag haben. Burma, dass einmal als die Reisschüssel Asiens bekannt war, kann seine eigene Bevölkerung nicht ernähren. Ein Drittel der Bevölkerung ist unterernährt oder körperlich unterentwickelt.

Gleichzeitig leben die zwölf obersten militärischen Offiziere, die die Junta bilden, in Luxus in der neu-errichteten Hauptstadt – Naypyidaw – die dem Dschungel 320 Kilometer nördlich von Rangoon entrissen wurde. Ein großer Teil des Einkommens der Generäle stammt aus Bestechung, Korruption und aus dem Drogenhandel, besonders von Heroin. Anuj Chopra, der für den (Londoner) Sunday Telegraph schreibt, kommentierte das die neue Hauptstadt "ein sicheres Schlupfloch bietet, wenn die Proteste in Rangoon eskalieren… Sie laufen vor ihren eigenen Leuten weg".

Wie weit werden die Massendemonstrationen der letzten Wochen gehen? Werden die ArbeiterInnen, Studierende und die armen Bauern in Massen auf die Bühne der Geschichte treten in einem neuen Versuch, ihre militärischen Oberherren zu stürzen? Sie fangen an, ihre Furcht zu verlieren und ihre mögliche Stärke zu erkennen. Sie beunruhigen sogar die Führung des US-Imperialismus – der Diktaturen nicht tatsächlich abgeneigt ist, aber gezwungen ist, wie Condoleezza Rice, heuchlerisch Worte der Verurteilung in den Mund zu nehmen.

Turbulente Ereignisse liegen vor uns in welchen die echten Ideen des Sozialismus, im Gegensatz zu verdrehten Ideologie des Regimes, ihren rechtmäßigen Platz unter den unterdrückten ArbeiterInnen und den Armen von Burma wiedergewinnen können.

Clare Doyle ist Mitglied des Internationalen Sekretariats des Komitees für eine Arbeiterinternationale. Sie lebt in London.