Warum Sozialismus? Arbeit und Freizeit für alle!

Wie kann Arbeit im Sozialismus organisiert werden? Welchen Stellenwert erhält freie Zeit?


 

Wahrscheinlich geht es euch genauso wie mir. Wochenenden sind einfach zu kurz. Montags sehne ich mir schon wieder das nächste Wochenende herbei. Arbeite ich eigentlich, um zu leben oder lebe ich, um zu arbeiten?

Und so träume ich schon mit 30 Jahren manchmal vom Rentner-Dasein. Wenn ich dann endlich mehr Zeit habe… Aber angesichts ständiger Nullrunden und der Anhebung des Rentenalters sieht das auch nicht vielversprechend aus. Und irgendwie möchte ich auch gar nicht so lange warten müssen, bis es mal mehr Freizeit und weniger Arbeitshetze gibt. Doch wie soll das gehen?

von Christine Lehnert, Rostock

Im Kapitalismus ist es ganz selbstverständlich, dass die einen krank werden, weil sie zu viel Arbeit arbeiten müssen und die anderen krank werden, weil sie keine Arbeit haben.

Arbeit auf alle Schultern verteilen

Dabei könnte die Arbeitszeit massiv reduziert und auf alle verteilt werden. Im Jahr 2006 gab es 39 Millionen Erwerbstätige (einschließlich Selbstständige), die durchschnittlich 41 Stunden pro Woche arbeiteten (einschließlich Überstunden). Allein durch die Einbeziehung der sechs Millionen Erwerbslosen könnte die Wochenarbeitszeit auf 35,5 Stunden reduziert werden. (Nach offiziellen Zahlen gab es im Jahr 2006 4,5 Millionen registrierte Arbeitslose und eine „stille Reserve“ von 1,5 Millionen). Voller Lohnausgleich wäre möglich, wenn der erwirtschaftete Reichtum den Beschäftigten statt den Millionären und Milliardären zu gute käme und durch die Einsparung der Kosten der Arbeitslosigkeit.

Noch wichtiger ist folgende Zahl: Auf Grund des technischen Fortschritts steigt die Arbeitsproduktivität jedes Jahr durchschnittlich um zwei Prozent (Deutsche Bundesbank, Monatsbericht September 2002). Hätte man in den letzten 15 Jahren den Produktivitätsfortschritt Jahr für Jahr den Beschäftigten zu Gute kommen lassen, dann hätte die Wochenarbeitszeit in diesem Zeitraum von 40 auf 30 Stunden gesenkt werden können. Bei vollem Lohnausgleich, weil ein Beschäftigter heute in 30 Stunden so viel produziert wie 1992 noch in 40 Stunden.

Abschaffung sinnloser Arbeit

Man stelle sich vor, wie viel Zeit, Geld und Ressourcen gespart werden könnten, durch die Abschaffung der Bundeswehr und der Rüstungsindustrie. Im Sozialismus gibt es keine Auslandseinsätze oder Eurofighter mehr. Schließlich befinden sich die großen Unternehmen nicht mehr in privater Hand. Damit entfällt die Konkurrenz. Es bestehen keine Profitinteressen mehr, die militärisch gesichert werden sollen. Ohne Konkurrenzkampf braucht niemand mehr eine Werbeindustrie. Dies wird eine weitere radikale Verkürzung der Arbeitszeit ermöglichen.

Genauso wird die Bürokratie beseitigt werden. Durch die Verteilung der vorhandenen Arbeit auf alle und die Abschaffung von Hartz IV braucht es auch keine menschliche Arbeitskraft mehr, die die Arbeitslosigkeit und Armut verwalten muss.

Ein Teil der Arbeitshetze in den Krankenhäusern könnte bereits abgeschafft werden, wenn sich Pflegepersonal und Ärzte nur um ihre medizinischen Aufgaben kümmern müssten. Wie oft stöhnen Beschäftigte über die vielen Formulare und Abrechnungsbögen, zum Beispiel damit auch alle ihre zehn Euro Arztgebühr zahlen. Das wird ersetzt durch ein allgemeines kostenloses Gesundheitssystem für alle.

Auch doppelt- und dreifach gemachte Arbeit durch Konkurrenz und Privatisierung wird es nicht mehr geben. Die Folge davon ist, dass heute zig Paketzusteller und Briefträger mit ihren Lieferwagen und zu Fuß durch dieselben Straßen hetzen statt dies geplant und umweltschonend durch einen einzigen Post-Service zu realisieren. Wenn all diese unsinnigen Tätigkeiten beseitigt werden, von denen es noch viel mehr gibt, dann ist eine weitere massive Arbeitszeitverkürzung möglich. Gleichzeitig könnte man in Bereichen, wo mehr Hände gebraucht werden (Beispiel Gesundheitswesen), mehr Menschen beschäftigen.

Selbstentfaltung

Arbeit im Sozialismus heißt, dass einen kein Chef mehr herumkommandiert. Mit der nervtötenden, monotonen Arbeit wird Schluss sein. Großraumbüros mit hundert Telefonarbeitsplätzen werden der Vergangenheit angehören genauso wie Kleidungsvorschriften bei der Sparkasse. Die Menschen werden sich entsprechend ihren Fähigkeiten und Wünschen produktiv betätigen.

Es wird demokratisch und kollektiv diskutiert und entschieden, was, wer, wie herstellt oder verwaltet. Verbesserungsvorschläge werden ohne Angst eingebracht und damit werden noch effektivere Abläufe für alle Betroffenen ermöglicht.

Niemand wird eine Tätigkeit „auf Lebenszeit“ vollbringen müssen. Wann immer jemand den Wunsch auf eine Weiterentwicklung oder Veränderung hat, ist dies möglich. Mehr noch, jede und jeder wird mehreren Aufgaben nachgehen können.

Auch die Trennung von Hand- und Kopfarbeit wird aufgehoben. Statt dessen wird es lebenslanges Lernen und die Verbindung der Praxis mit der Wissenschaft geben. Heute sind die ArbeiterInnen und die Ingenieure in einer Windkraftanlage voneinander getrennt, doch im Sozialismus werden beide Tätigkeiten ineinander übergehen und es wird Menschen geben, die sowohl Anlagen entwerfen als auch montieren können. Somit werden sich in der Gesellschaft auch immer weniger „Fachidioten“ herausbilden, sondern Menschen, die von vielem Ahnung haben und mündig sind, selbst zu entscheiden.

Genau das ist auch nötig im Sozialismus, der auf einer demokratisch geplanten Wirtschaft basiert. Ganz im Gegensatz zum Stalinismus, der die Bevölkerung nicht nur einsperrte, sondern auch die Eigeninitiative erstickte. Eine effektive, produktive und damit zeitsparende geplante Wirtschaft ist aber nur möglich, wenn es vollständige Freiheit der Kritik und keine bürokratischen Hierarchien gibt.

Von selbstreinigenden Toiletten und freiwilligen Nachtschichten

Natürlich wird es auch im Sozialismus – gerade in der Übergangszeit vom Kapitalismus – noch Arbeiten geben, die nicht so schön sind. Die neue Gesellschaft wird sich umgehend an die Problemlösung begeben. Zum Beispiel könnten alle öffentlichen WC"s durch selbstreinigende Toiletten ersetzt werden, die es ja längst gibt.

In anderen Fällen, wie bei absolut notwendiger Nachtarbeit im Gesundheitswesen, wird sich der demokratische Charakter des Systems ganz entscheidend auswirken. Nehmen wir an, dass im Krankenhaus die Nachtschicht organisiert wird, so geschieht dies nicht durch Anweisung der Vorgesetzten, sondern alle besprechen demokratisch, wie die Arbeit aufgeteilt wird. Diejenigen PflegerInnen, die sich freiwillig für die vier Stunden Nachtschicht einteilen, werden zum Beispiel die kommende Woche frei haben, so dass sie sich ausruhen können. Unter solchen Bedingungen und mit demokratischer Planung vor Ort werden sich also auch für schwierigere Bereiche Lösungen finden lassen.

Mehr Freizeit für alle

Wir werden erleben, dass Technik und Fortschritt im Sozialismus für den Menschen eingesetzt werden und nicht gegen ihn. Und damit ist auch genügend Raum für das, was uns heute so oft fehlt: ZEIT. Zeit, zum Träumen, für Gartenarbeit oder um Musik zu machen. Und Zeit, um sich an der demokratischen Gestaltung aller Lebensbereiche, an den notwendigen Diskussionen und Entscheidungen zu beteiligen.

Freizeit wird einen ganz neuen Stellenwert bekommen und sich nicht auf Fernsehen oder in die Kneipe gehen reduzieren. Und weil es zum Beispiel genügend gute und günstige Restaurants, Kantinen und professionelle Wäschereien gibt, braucht auch nicht jeder für sich selbst zu kochen oder zu waschen – was effektiver, umweltfreundlicher, sozialer und zeitsparender ist.

Freie Zeit kreativ nutzen

Auf Grund des Mehr an Freizeit werden sich viele entscheiden, auch hier produktiv tätig zu sein. Nicht nur die vier Stunden „Arbeit“, die man gar nicht mehr wie heute als Last empfinden wird, sondern auch die Beschäftigungen danach werden im Sinne der Gesellschaft produktiv sein. Egal, ob jemand im Stadtpark wunderschöne Blumen pflanzt, oder das eigene Wissen über das Weltall in Kursen weitergeben möchte. Der Selbstverwirklichung stehen Tür und Tor offen.

Worauf warten?

Ach ja, wenn ich mir das alles richtig überlege, dann ist es wirklich möglich, ein liebens- und lebenswertes Dasein zu schaffen. Die Menschen werden frei von Existenzangst, Einschüchterung und Bevormundung ihre eigenen Fähigkeiten, Möglichkeiten und Talente ausloten und ausbauen und so wird es viele Picassos, Einsteins, Marie Curies oder Schweinsteigers geben. Darauf freue ich mich schon, also – packen wir es an!

Karl Marx über Entfremdung

Heute sind die Lohnabhängigen gezwungen, ihre Arbeitskraft als Ware an die Eigentümer der Produktionsmittel zu verkaufen. Bestimmt wird die Produktion von den Profitinteressen der Kapitalisten, nicht von den Bedürfnissen der arbeitenden Bevölkerung. Alles, was geschaffen wird, gehört den Unternehmern.

Das führt dazu, dass der einzelne Arbeiter, der eigentlich der Produzent ist, sich in seinem Produkt nicht wiederfinden kann. Marx meinte, dass er sowohl von seinem Arbeitsprodukt als auch von seiner Arbeit und damit von sich selber „entfremdet“ wird. „Der Arbeiter fühlt sich daher erst außer der Arbeit bei sich und in der Arbeit außer sich“ („Ökonomisch-philosophische Manuskripte“).

Erst im Sozialismus, so Marx, werden die arbeitenden Menschen selbstbestimmte, und nicht fremd-bestimmte Menschen sein. Dann wird Arbeit produktiv sein, bereichern und der Selbstverwirklichung dienen.