Pro & Contra: Marxistische Organisation – kein Bedarf?

Die Partei DIE LINKE und die Aufgaben von MarxistInnen
Hebt die Fusion von WASG und Linkspartei.PDS die Notwendigkeit des Aufbaus einer unabhängigen marxistischen Organisation auf?
Pro: Sascha Kimpel, Linksruck – Contra: Sascha Stanicic, SAV


 

Die sich als marxistisch verstehende Organisation Linksruck überraschte im April mit folgender Beschlussfassung: „Der Organisationsrat schlägt vor, Linksruck nach der Parteigründung als eigenständige Organisation aufzulösen und ein politisches Netzwerk innerhalb der neuen Linken neu zu konstituieren. (…) Um klassenkämpferische Positionen innerhalb der Linken zu stärken, empfiehlt Linksruck seinen Unterstützern, innerhalb der neuen Partei die Strömung Sozialistische Linke mit aufzubauen.“ Hebt also die Fusion von WASG und Linkspartei.PDS die Notwendigkeit des Aufbaus einer unabhängigen marxistischen Organisation auf? Worin bestehen heute überhaupt die Aufgaben von MarxistInnen, gerade auch im Hinblick auf die neue Partei?

„Ich bin kein Marxist“ (Karl Marx)

Sascha Kimpel, Partei DIE LINKE, Linksruck

Nach zwei Jahrhunderten großer Kämpfe, Tragödien und vieler Niederlagen der internationalen Arbeiterbewegung stehen die Marxisten in Theorie und Praxis am Anfang eines Wiederaufbaus der Emanzipationsbewegungen von unten. Die Frage marxistischer Politik im Rahmen der Linken darf daher nicht bei der Tagespolitik stehen bleiben.

Auf unseren Schultern lasten die ungeheuren Verbrechen des Stalinismus genau so wie die endgültige Verabschiedung der Sozialdemokratie von jeglicher Alternative zum Kapitalismus.

Aber die sich auf den Trotzkismus berufenden Marxisten tragen für diese Niederlagen zwar keinerlei Verantwortung – und haben sie mit Kräften bekämpft – doch auch sie konnten bisher nirgendwo aufgezeigt, dass sie in der Lage sind, die Bedürfnisse und Bestrebungen der arbeitenden Klassen in einen Bruch mit dem Kapitalismus münden zu lassen. Insofern müssen auch sie selbstkritisch ihre eigene Geschichte und aktuelle globale politische Ohnmacht analysieren.

Nur die reale Weiterentwicklung einer politischen Alternative, die breite Teile der Klasse aktiv werden lässt, kann zu neuen Erkenntnissen führen und nach vorne zeigen. Die Marxisten des 21. Jahrhunderts werden nur mit Hilfe neuer Kampf- und Organisationserfahrungen lernen. Die Widersprüchlichkeit der neuen Linken ist kein Makel! Im Gegenteil. Die Widersprüche sind Ausdruck der realen Bewegung nach links von Teilen der lohnabhängigen Klasse und demnach ein notwendiges Element ihrer Emanzipationsbestrebungen. Einerseits lehnen etwa zwei Drittel der Bevölkerung seit mehreren Jahren in Meinungsumfragen Sozialabbau und Kriegseinsätze ab. Und trotz Wirtschaftsaufschwung verlieren die großen Volksparteien an Unterstützung. Andererseits wird die Perspektive einer sozialistischen Gesellschaft skeptisch beurteilt. Umfragen belegen zwar Sympathien mit dem „Sozialismus“. Hingegen bestehen aber große Zweifel über die Methoden, sie zu ändern, ohne die Schiffsbrüche und Verzerrungen zu reproduzieren, welche das 20. Jahrhundert erlebt hat. Die große Mehrheit der Lohnabhängigen in Deutschland zieht einen „gut funktionierenden Sozialstaat“ neuen „sozialistischen Experimenten“ vor. Die schlechtestmögliche Antwort von Marxisten auf diese Problemstellung ist es, sich den Widersprüchen zu entziehen. Denunziation des politischen Gegners und sterile Propaganda für die vermeintlich richtige Politik mag nützlich sein, um das eigene Lager abzugrenzen beziehungsweise aufzubauen. Die lohnabhängige Klasse hat damit jedoch noch keinen realen Schritt nach vorne gemacht.

Die Linke ist der einzige erfolgsversprechende Ansatz für einen neuen Anlauf einer emanzipatorischen und radikalen Perspektive. Die „revolutionäre“ Pflicht der Marxisten besteht darin, an diesem Ansatz konstruktiv teilzunehmen und nicht weiter Sekten zu gründen.

Die SAV ist nötiger denn je!

Sascha Stanicic, SAV-Bundessprecher

Die Gründung der Partei DIE LINKE. ist kein Grund zur Auflösung marxistischer Organisationen, sondern im Gegenteil ein weiteres Argument, eine starke marxistische Organisation aufzubauen, die Einfluss auf den Wiederaufbau der Arbeiterbewegung nehmen kann. Dazu drei Thesen:

1. Die Fusion von WASG und Linkspartei.PDS markiert keinen Schritt nach links, sondern eine Anpassung der WASG nach rechts, die ihre grundsätzliche Ablehnung von Regierungsbeteiligungen mit der neoliberalen SPD aufgegeben hat. Eine tiefere Ursache dieser Entwicklung ist die von Beginn an systemimmanente und marktwirtschaftsorientierte Programmatik der WASG, in der eine Mitverwaltung des krisenhaften Kapitalismus angelegt war. Deshalb war es nötig, in der WASG für eine sozialistische Programmtik und Perspektive einzutreten. Ein solcher Kampf konnte besser geführt werden, je besser die marxistischen Kräfte organisiert waren.

Die neue Partei macht die Arbeit einer organisierten marxistischen Opposition noch dringender. Ausgerechnet jetzt die eigene „Auflösung“ zu verkünden, zeugt von grenzenlosem Opportunismus und Unterordnung unter den Lafontaine-Flügel. Der Kampf für eine wirklich sozialistische Massenpartei geht weiter, innerhalb und außerhalb der LINKEN. Je stärker eine marxistische Organisation, desto eher wird dieser erfolgreich sein.

2. Eine Weiterentwicklung des Marxismus ist eine wichtige Voraussetzung, um ein Programm und eine Strategie für die Klassenkämpfe der Gegenwart und der Zukunft zu entwickeln. Das ist nur in kollektiver und organisierter Form möglich. Es sind nicht einzelne Führungsfiguren oder Intellektuelle, die dies leisten können, sondern nur die gemeinsame Erfahrung und Diskussion marxistischer AktivistInnen. Dies in organisierter, demokratischer Form zu gewährleisten ist nur möglich, wenn diese AktivistInnen sich in einer Organisation zusammen schließen, die Aktion, Diskussion und Theorieentwicklung verbindet.

3.Die sozialistische Veränderung der Gesellschaft kann nur durch die Arbeiterklasse selber vollzogen werden. Aber alle historische Erfahrung zeigt, dass sie dies nicht spontan, unorganisiert und ohne politische Führung erreichen kann, sondern dass eine marxistische Organisation nötig ist, um ein Programm, eine Strategie und Taktik in der Arbeiterklasse zu verankern, die eine sozialistische Veränderung erfolgreich machen kann. Eine solche Organisation muss jetzt begonnen werden aufzubauen, das kann nicht auf eine unbestimmte Zukunft verschoben werden. Denn nur wenn sich jetzt marxistische AktivistInnen in Betrieben, Nachbarschaften, Hochschulen verankern und erste handlungsfähige Gruppen aufbauen, können sie in Zukunft Massen für den Marxismus gewinnen und entscheidenden Einfluss auf Bewegungen und Kämpfe nehmen. Der Aufbau der SAV ist also dringender denn je!