Ohne Gegenwehr keine Arbeit, ohne Sozialismus keine soziale Gerechtigkeit

Die Gründung der WASG führte zu Begeisterung und Aufbruchstimmung. Davon ist nichts übrig. Die Begeisterung ist der Unzufriedenheit und Frustration unter vielen Mitgliedern gewichen.
Stellungnahme der SAV zum WASG-Bundesparteitag März 2007
 

Die Gründung der WASG war ein riesiger Fortschritt für die Linke und die Arbeiterbewegung. Endlich gab es eine politische Partei, die sich auf die Fahnen geschrieben hatte, die Interessen von abhängig Beschäftigten und Erwerbslosen zu vertreten und eng mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen zu kooperieren. Endlich zog eine Partei eine entscheidende Lehre aus den Rechtsentwicklungen von SPD, Grünen und Linkspartei.PDS: keine Regierungsbeteiligung mit neoliberalen Parteien, die zu Sozialabbau und Privatisierung führt. Die Gründung der WASG führte zu Begeisterung und Aufbruchstimmung.

Davon ist nichts übrig. Die Begeisterung ist der Unzufriedenheit und Frustration unter vielen Mitgliedern gewichen. Statt Mitgliederzuwachs gibt es Mitgliederverluste. Kein Zufall, denn mit dieser Auflösung der WASG in die Linkspartei.PDS werden die politischen Weichen umgestellt – in eine falsche Richtung.

1. Armutsverwaltung statt Widerstand

Die neue Partei soll das berüchtigte „Potsdamer Dreieck“ als Strategie von der Linkspartei.PDS übernehmen: Mitgestaltung (= Regierungsbeteiligung), Protest und antikapitalistische Perspektive. Die Erfahrung der „Mitgestaltung“ in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und vielen ostdeutschen Kommunen zeigt: die „Verantwortung“ lastet so schwer auf der Partei, dass von Protest und antikapitalistischer Perspektive nichts übrig bleibt. Das ergibt sich aus der Logik von Koalitionen mit der neoliberalen SPD, denn mit dieser ist keine Politik im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung zu machen. Die neue Partei soll sich ganz bewusst nicht von der Politik der Berliner Linkspartei.PDS distanzieren. Damit wird sie die politische Unglaubwürdigkeit, die in Berlin zum Zusammenbruch der Wählerstimmen für die L.PDS geführt hat, auf sich übertragen. Die dominierende Politikkonzeption ist auf den Parlamentarismus ausgerichtet und Koalitionen mit der SPD werden, so Oskar Lafontaine, auch für westdeutsche Bundesländer (Saarland) angestrebt. Lafontaines Aussage, dass die LINKE die Politik der SPD von 1998 mache, ist ebenfalls ein Warnsignal. Denn auch vor ihrer Regierungsübernahme 1998 war die SPD zu einer Partei mutiert, die auf Kommunal- und Landesebene eine Politik des Sozialabbaus, der Arbeitsplatzvernichtung und der Privatisierungen betrieben hat.

2. Bürokratismus statt lebendiger Demokratie

Spätestens mit den beim Ludwigshafener Parteitag beschlossenen administrativen Maßnahmen gegen die Landesverbände Berlin und Mecklenburg-Vorpommern hat sich in der WASG ein bürokratisches Regime durchgesetzt, dass viele Mitglieder zum Rückzug aus der Aktivität getrieben hat. Mittlerweile wird die Politik der WASG weitgehend in der Bundestagsfraktion gemacht. Die Tatsache, dass keine wirkungsvolle Trennung von Amt und Mandat für die neue Partei vorgesehen ist, lässt darauf schließen, dass sich die in der L.PDS herrschenden Verhältnisse in der fusionierten Partei reproduzieren werden: Dominanz der Mandatsträger und der hauptamtlichen Apparate auf allen Ebenen.

3. DIE LINKE ist für beide Parteien ein Schritt nach Rechts

Viele WASG-Mitglieder haben die keyenesianistische Programmatik der Partei und ihren Verzicht auf eine antikapitalistische bzw. sozialistische Perspektive zurecht als ein großes Defizit gesehen. Manche hoffen, dass die Vereinigung mit der „sozialistischen“ L.PDS ein programmatischer Schritt nach links ist. Doch der fortschrittliche Charakter der WASG hat sich nicht auf dem Papier, sondern in ihrer gesellschaftlichen Positionierung – insbesondere in der außerparlamentarischen Perspektive und der Ablehnung von Regierungskoalitionen mit der SPD – ausgedrückt. Dies wird nun über Bord geworfen. Die L.PDS hingegen wirft die letzten Reste sozialistischen Selbstverständnisses über Bord. Entscheidend für die praktische Politik wird das Bekenntnis zu Privateigentum und Markt sein.

4. Schwaches Programm und falsche Praxis

Der Programmentwurf ist in entscheidenden Fragen unklar, vage und angepasst. Dies gilt für Fragen der Beteiligung der Bundeswehr an UNO-Einsätzen, der Arbeitszeitverkürzung, der Regierungsbeteiligung, der Kapitalismusanalyse. Insbesondere fehlt eine sozialistische Perspektive. Doch nur wenn die Macht- und Eigentumsverhältnisse grundlegend verändert werden, nur wenn die Logik der Profitproduktion durch eine solidarische und kooperativ geplante Produktion ersetzt wird, können die Reformforderungen der WASG dauerhaft durchgesetzt und Bedürfnisse von Mensch und Umwelt befriedigt werden. Dazu bedarf es der Überführung der Banken und Konzerne in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung. Und es bedarf einer konsequent internationalistischen Politik, die wir in dem Entwurf ebenfalls vermissen.

5. Was tun?

SAV-Mitglieder werden gegen die Fusion stimmen, denn sie ist ein Schritt in die falsche Richtung. Aber auch, wenn die neue Partei kommt, wird sie nicht das Ende der Anstrengungen für den Aufbau einer kämpferischen und sozialistischen Interessenvertretung für ArbeiterInnen und Jugendliche sein. Der Kampf wird weiter gehen: innerhalb und außerhalb der Partei DIE LINKE. Die Mehrheit der Berliner WASG hat zurecht die Schlussfolgerung gezogen, dass DIE LINKE in Berlin kein Ort sein wird, in dem es sich lohnt für linke Politik zu streiten. Die Beschäftigten und Jugendlichen, die in der Hauptstadt für ihre Rechte kämpfen, erleben die LINKE als Gegner und werden nicht auf die Idee kommen, sich ihr anzuschließen. Deshalb muss hier eine organisierte Alternative angeboten werden. Das wird in Ostdeutschland generell ähnlich aussehen. Im Westen ist die Situation anders und wir werden gemeinsam mit anderen AntikapitalistInnen für eine wirklich sozialistische Politik in der neuen Partei eintreten.

Gleichzeitig wird es entscheidend sein, den Widerstand in den Betrieben, auf der Straße und in den Schulen und Hochschulen voran zu treiben. Aus diesem Widerstand werden neue Ansätze zu Selbstorganisation und politischer Interessenvertretung entstehen, die den Weg zu einer tatsächlich sozialistischen Arbeiterpartei frei machen werden. Oppositionelle Linke, egal ob sie innerhalb oder außerhalb der fusionierten Partei agieren werden, sollten sich zu einem Netzwerk zusammen schließen, um diesen Prozess in der Zukunft zu beschleunigen.

Die Erfahrung der letzten zwei Jahre hat aber auch die Bedeutung einer marxistischen Organisation gezeigt. Die SAV konnte, trotz ihrer bescheidenen Kräfte, eine wichtige Rolle dabei spielen, den innerparteilichen Widerstand gegen den Anpassungskurs in der WASG zu formieren und die Debatte um die Frage der Regierungsbeteiligung ins Zentrum zu rücken. Je stärker und organisierter die MarxistInnen in der Zukunft sein werden, desto größer ist die Chance, dass die nächsten Anläufe zu einer kämpferischen linken Partei erfolgreich sein werden. Deshalb: unterstütze die SAV durch eine regelmäßige Spende oder ein Abonnement unserer Zeitung Solidarität – oder noch besser: mach bei uns mit!