WASG und L.PDS: Einheitsbrei statt Fusionsfieber

Wird DIE LINKE Rohrkrepierer oder Albtraum der Neoliberalen? Wie sollten sich sozialistische Linke zur neuen Partei verhalten?
von Sascha Stanicic
 

Mitte Juni soll es soweit sein: WASG und Linkspartei.PDS vereinigen sich. Obwohl die entscheidenden demokratischen Organe beider Parteien – die Bundesparteitage – bisher kaum die Gelegenheit hatten über Programm, Statut, Arbeitsweise, Selbstverständnis und Personal der neuen Partei zu debattieren, scheint alles klar: die neue Partei soll den Namen DIE LINKE tragen, Programm und Satzung sind ausgearbeitet, Vorsitzender wird Oskar Lafontaine und in Berlin wird die Partei weiter in der Regierung sein und Arbeitnehmerrechte mit Füßen treten. Die Opposition gegen die Vereinigung beider Parteien ist leiser geworden. Und auf der anderen Seite ist, trotz des vielen Geredes über die „historische Chance“, nichts von Aufbruchstimmung zu merken.

Die Gründung der WASG war ein Aufbruch für die linken Kräfte in Deutschland, der eine große Dynamik entfaltete und dem es gelang tausende AktivistInnen aus der Bewegung gegen Hartz IV und Agenda 2010 zu sammeln. Die WASG war zwar auch nicht widerspruchsfrei – sie war dominiert von älteren Herren, die Riege der Gewerkschaftsfunktionäre versuchte von Beginn an, bürokratische Strukturen zu etablieren und das Programm versuchte Arbeiterinteressen zu verteidigen ohne den Kapitalismus in Frage zu stellen- aber sie wirkte frisch, neu, unangepasst und prinzipientreu. Letzteres vor allem, weil sie unmissverständlich formulierte, dass für sie Regierungsbeteiligungen, die zu Sozialabbau und Privatisierungen führen, keine Option sind. Damit grenzte sie sich in der entscheidenden Frage auch von der L.PDS ab. Diese hatte sich weitgehend dem Kapitalismus angepasst, indem sie in ostdeutschen Kommunen, sowie in den Landesregierungen von Berlin und Mecklenburg-Vorpommern Sozialkürzungen, Arbeitsplatzvernichtung und Privatisierungen in Koalitionen mit der neoliberalen SPD exekutierten. Die Quittung für diesen Rechtskurs hatte die L.PDS bei den Bundestagswahlen 2002 erhalten, als sie weder die Fünf-Prozent-Hürde, noch drei Direktmandate schaffte und im Vergleich zu 1998 von 5,1 Prozent auf vier Prozent absackte.

Die Gründung der WASG war Ausdruck des in weiten Teilen der abhängig Beschäftigten und Erwerbslosen verbreiteten Bedürfnisses nach einer politischen Vertretung. Ohne große finanzielle Mittel oder einen starken Apparat konnte sie bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen im Mai 2005 auf Anhieb 2,2 Prozent erreichen und hier die L.PDS deutlich hinter sich lassen. Die WASG hatte das Potenzial, AktivistInnen aus Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und linken Organisationen zu sammeln und gleichzeitig in die Schichten der arbeitenden Bevölkerung vorzudringen, die bisher politisch nicht aktiv bzw. sogar skeptisch gegenüber der Linken waren. Letzteres auch, weil sie nicht mit 40 Jahren stalinistischer Herrschaft in der DDR in Verbindung gebracht wurde. Denn für eine linke Partei gilt in Ost wie West: ohne eine deutliche und glaubwürdige Distanzierung vom Stalinismus wird sie keine aktive Massenbasis erlangen können.

Dieses Potenzial ist nicht genutzt worden. Als Gerhard Schröder Neuwahlen ausrief, betrat Oskar Lafontaine wieder die politische Bühne und bot seine Kandidatur für eine aus WASG und L.PDS bestehende gemeinsame linke Kandidatur an. Das kam einer Erpressung gleich, doch in der WASG fanden sich keine relevanten Kräfte, die sich dem entgegen gestellt hätten.

Seitdem rollt der Vereinigungszug und er konnte auch durch die Rebellion des Berliner Landesverbandes der WASG nicht gestoppt werden. Dieser hatte sich gegen den WASG-Bundesvorstand durchgesetzt und war bei den Abgeordnetenhauswahlen im September 2006 eigenständig gegen die Berliner Senats-L.PDS angetreten. Mit 52.000 Stimmen erreichte die WASG mit ihrer Spitzenkandidatin Lucy Redler einen Achtungserfolg. Es reichte aber nicht zum Einzug ins Landesparlament und die Rückwirkungen in die Bundes-WASG blieben begrenzt.

Die Fusion in der konzipierten Form sollte abgelehnt und bei der anstehenden Urabstimmung mit Nein votiert werden. Denn die Vereinigung lässt eine Partei entstehen, die zwar voller Widersprüche sein wird, deren dominierender Teil aber den Kurs der bisherigen L.PDS folgt und auf Armutsverwaltung statt Armutsbekämpfung setzt. Regierungsbeteiligungen werden ein konstitutiver Bestandteil der strategischen Ausrichtung der neuen Partei, so wie es schon bei der L.PDS der Fall ist. Das wird unter den Voraussetzungen des Kapitalismus über kurz oder lang dazu führen, dass auch die neue Partei da landet, wo die Berliner L.PDS sich schon befindet – auf der falschen Seite der Klassenlinien in der Gesellschaft. Ob dies durch eine innerparteiliche Opposition verhindert oder auch nur verzögert werden kann, wie es viele linke AktivistInnen hoffen, die der Partei beitreten werden, ist unwahrscheinlich. Aus diesen Gründen war die SAV in den Debatten um die Frage der Vereinigung von WASG und L.PDS immer gegen eine bedingungslose Einheit und hat sich dafür ausgesprochen, dass die WASG bestimmte Mindestbedingungen an die L.PDS formuliert. Vor allem die Ablehnung von Regierungsbeteiligungen, die zu Sozialabbau und Privatisierungen führen und der Austritt aus der Berliner Senatskoalition.

In der WASG gab und gibt es viel Unmut gegen Form und Inhalt der Vereinigung mit der L.PDS. Dieser drückt sich aber weniger in organisierter Opposition, als im Rückzug einer Schicht von AktivistInnen, Austritten und der Einstellung der Beitragszahlungen von einigen tausend Mitgliedern aus. Das Selbstbewusstsein, dass es einen eigenständigen Weg für die WASG noch geben könne, haben die meisten verloren. Nicht zuletzt, weil die eigene Führung seit Monaten predigt, dass es „keinen Platz für zwei linke Parteien gibt“ und keine Finanzen da sind. Vor allem aber, weil viele der sich nun aus der Aktivität zurückziehenden Mitglieder selber keine politische Vorstellung von einem Programm und einer Methode haben, mit der die WASG eigenständig zu einer erfolgreichen Partei aufgebaut werden könnte. Gerade die „neuen“ AktivistInnen der Anti-Hartz-Bewegung ziehen sich zurück. Sie waren weitgehend ohne politische Erfahrungen in die WASG gekommen und von den bürokratischen Methoden ebenso angewidert, wie von der politischen Anpassung an die L.PDS. Um den Frust zu verhindern, der sich breit machte, als die Bundestagsfraktion zum politischen Machtzentrum wurde, von der die entscheidenden politischen Impulse und Positionsbestimmungen ausgehen, hätte es in der Breite der neuen Mitglieder ein sozialistisches Verständnis der Entwicklungen und eine sozialistische Vision für die Ziele des politischen Engagements geben müssen. Dass die meisten der „neuen“ AktivistInnen dieses in so kurzer Zeit nicht entwickeln konnten, kann nicht verwundern. So wurden viele passiv oder verließen die Partei. Es ist Beleg des Verlusts von Anziehungskraft der WASG, dass die Partei trotz der gestiegenen öffentlichen Wahrnehmung Mitgliederverluste hat und 3.500 Mitglieder trotz schriftlicher Aufforderun keinen Beitrag zahlen. Diese werden vorsorglich vor der Urabstimmung zur Fusion aus der Mitgliedschaft gestrichen, schließlich ist hier das Potenzial für Nein-Stimmen wahrscheinlich am größten.

Die Vereinigung wird also sehr wahrscheinlich von der Mehrheit der Parteitagsdelegierten und Mitglieder nicht abgelehnt werden.

Aussichten und Charakter der neuen Partei

Welchen Charakter wird die fusionierte Partei annehmen und was sind ihre Entwicklungsperspektiven? Es ist davon auszugehen, dass die Partei in Ost- und Westdeutschland von Zusammensetzung, Wahrnehmung und gesellschaftlicher Rolle große Unterschiede aufweisen wird.

Im Osten wird sie eine Fortsetzung der L.PDS sein, dominiert von Kommunal- und Landtagsabgeordneten und hauptamtlichen FunktionärInnen. Eine solche Partei wird nicht die geringste Anziehungskraft oder Dynamik entwickeln. Sie wird von einer Mehrheit der Arbeiterklasse als etablierte Kraft betrachtet, die sie auf kommnaler Ebene vielfach und zumindest schon in zwei Bundesländern als Regierungspartei erlebt hat. Ist sie in der Opposition, wird sie – mangels Alternative – bei Wahlen den einen oder anderen Erfolg erzielen können.

Im Westen gibt Oskar Lafontaine der zukünftigen Partei ein anderes Gesicht und dort ist sie noch nicht so weitgehend in den Parlamentarismus und Staatsapparat integriert wie im Osten. Lafontaine hat viele Auftritte vor GewerkschafterInnen und kämpfenden Belegschaften absolviert, gibt radikale Stellungnahmen ab, fordert das Recht auf Generalstreik und gibt sich ein antikapitalistisches Image. Auch wenn er tatsächlich eine Politik des kleineren Übels unterstützt, wird er als Oppositions-Führer auf Bundesebene wahrgenommen.

Auf der Wahlebene wird es bundesweit und in den meisten Bundesländern keine substanzielle linke Alternative neben der zukünftigen fusionierten Linkspartei geben und diese wird Wahlerfolge erzielen können. Dies wird bis zu den Bundestagwahlen 2009 dadurch unterstützt, dass sie sehr wahrscheinlich außer in Brandenburg (siehe aktuelle Debatten um eine Regierungsumbildung) und in Thüringen im Frühjahr 2009, keine Gelegenheit haben wird in eine Landesregierung einzutreten und sich dadurch weiter zu diskreditieren. Aber Wahlerfolge führen nicht automatisch zu Mitgliederwachstum. Und selbst ein gewisses Mitgliederwachstum führt nicht automatisch zu mehr AktivistInnen, wie das Beispiel der Sozialistischen Partei in den Niederlanden zeigt. Erfolg für eine linke Partei muss sich letztlich daran messen, ob sie einen Beitrag dazu leistet den Widerstand der Arbeiterklasse und Jugend zu stärken und deren Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verteidigen. Die Berliner L.PDS ist das beste Beispiel dafür, dass Wahlerfolge auf Sand gebaut sind, wenn sie nicht dazu genutzt werden: nach dem großen Wahlerfolg 2001 führte die Regierungsbeteiligung zum Verlust von 50 Prozent der Wählerstimmen im Jahr 2006.

Aber auch im Westen ist nach der Fusion erst einmal mit keiner großen Dynamik für die neue Partei zu rechnen. Es ist unwahrscheinlich, dass sie allein durch ihre Gründung eine größere Anzahl von kämpferischen ArbeiterInnen und Jugendlichen organisieren wird, aber sie wird den parteipolitischen Raum links von der SPD für die nächste Zeit besetzen. Dabei ist ein Mitgliederwachstum nicht auszuschließen. Ein Wahlerfolg in Bremen könnte dazu führen, dass Hoffnungen und Erwartungen in die neue Partei unter einer Schicht in der Arbeiterklasse steigen. Eine Quelle davon könnten GewerkschaftsfunktionärInnen der mittleren Ebene und weitere Übertritte von SPD-Mitgliedern sein. In diesem Zusammenhang sollten man nicht unterschätzen, dass die Existenz der Linken innerhalb der Gewerkschaften die Kontrolle der sozialdemokratischen Bürokratie über die Gewerkschaften helfen kann, zu lockern. Gerade wenn die Konflikte zwischen der SPD und den Gewerkschaften, auch der Gewerkschaftsbürokratie, zunehmen, wird für eine wachsende Schicht von Gewerkschaftsfunktionären die neue Partei eine Alternative auf der politischen Ebene darstellen.

Ebenso kann nicht ausgeschlossen werden, dass der geplante Hochschulverband auf einige Studierende eine gewisse Anziehungskraft ausüben kann, wenn er sich denn nicht vor allem als Parteiorganisation versteht und präsentiert.

Die aktuellen Arbeitsniederlegungen und Proteste gegen die Rente mit 67 zeigen, dass Wut und Kampfbereitschaft in der Abeiterklasse ausgeprägt sind. Früher oder später werden sie sich, auch gegen die Blockadehaltung der Gewerkschaftsbürokratie Bahn brechen. Der Umgang von WASG und L.PDS mit diesen Protesten zeigt aber auch, dass die Führungen beider Parteien keine Anstalten machen, solche Kämpfe zu beeinflussen. Außer verbaler Solidarität und begrenzten Unterstützungaksaktionen wie Unterschriftensammlungen geschieht wenig – vor allem keine politische Kampagne mit Vorschlägen zur erfolgreichen Organisierung der Auseinandersetzung. Lafontaine spricht viel und gerne über das Recht zum Generalstreik. Die unmitelbare und praktische Notwendigkeit einen solchen gegen die Rentenpläne der Regierung zu organisieren, spricht er nicht aus. Als SAV-Mitglieder im WASG Bundesvorstand am 3. Februar 2007 und im WASG-Länderrat am Tag darauf einen entsprechenden Antrag einbrachten, wurde dieser mit dem Hinweis abgelehnt, die WASG dürfe sich nicht in gewerkschaftsinterne Angelegenheiten einmischen. Mit einer solchen Nachtrabpolitik gegenüber den Gewerkschaftsführungen wird auch die fusionierte Partei wenig Anziehungskraft auf AktivistInnen und kämpfende ArbeiterInnen ausüben. Trotzdem wäre es ein Fehler, eine solche Entwicklung für die Zukunft gänzlich auszuschließen, denn der Druck von Massenkämpfen kann sich auch in de zukünftigen Partei niederschlagen. Mangels einer starken linken Alternative ist es dann nicht ausgeschlossen, dass sich zukünftige größere Klassenkämpfe in der neuen Linkspartei auch in Form einer Belebung und von Eintritten von ArbeiterInnen, Erwerbslosen und Jugendlichen niederschlagen können. Wenn sich eine neue Schicht von ArbeiteraktivistInnen in den Betrieben und Gewerkschaften entwickelt und Teile davon auf der Basis verallgemeinerter Kämpfe und Bewegungen die Schlussfolgerung ziehen, auch auf der politischen Ebene aktiv zu werden, könnten sie den Schritt in die fusionierte Partei gehen, wenn es dazu keine Alternative gibt und diese Partei, und insbesondere Oskar Lafontaine als Gallionsfigur, als Oppositionskraft in Erscheinung tritt.

Sicher ist: das Potenzial für die Bildung einer bundesweiten „sechsten“ Partei im Falle einer Fusion von WASG und L.PDS existiert zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Eine solche Gründung würde die daran beteiligten Mitglieder isolieren und zu Frustration und Resignation führen. Einzige Ausnahme stellt in dieser Frage Berlin dar. Hier hat der WASG-Landesverband eine größere soziale Verankerung, mehr aktive Mitglieder und einen größeren Bekanntheitsgrad als links-oppositionelle Partei. Die Fortsetzung des SPD/L.PDS-Senats, der die arbeitnehmerfeindliche und unsoziale Politik der letzten fünf Jahre weiter führt, wird den Spielraum für die WASG hier weiter vergrößern.

Berlin

Die Frage ist: wird die Berliner WASG diese Chance nutzen? Nach den Abgeordnetenhauswahlen hatte auch hier eine Phase der Verunsicherung und Orientierungslosigkeit unter vielen AktivistInnen eingesetzt. Trotz der erlangten 14 Mandate in sieben Bezirksverordnetenversammlungen und dem guten Wahlergebnis, waren doch viele Mitglieder enttäuscht, dass der Einzug ins Abgeordnetenhaus nicht geklappt hatte – auch weil die Resonanz in den vielen Wahlkampfgesprächen auf der Straße hervorragend war. Die anstehende Fusion beider Parteien auf Bundesebene wird zurecht als ein Rückschlag gesehen und die Berliner WASG steht erst einmal ohne eine starke bundesweite Struktur und ohne einen Apparat da, auf den sie sich stützen könnte.

Mit stadtweiten Aktionen vor den Jobcentern und koordinierten Anträgen in den Bezirksverordnetenversammlungen für ein „Weihnachtsgeld“ für ALG II-EmpfängerInnen gelang der WASG Berlin aber im Dezember ins politische Geschehen zurück zu kehren. Nun wird eine Kampagne gegen die Privatisierung der Berliner Sparkasse vorbereitet.

Der Landesparteitag vom November 2006 hatte beschlossen, dass die Berliner WASG unter den gegebenen Bedingungen nicht mit der Berliner L.PDS fusionieren wird und einen eigenständigen Weg weiter gehen wird. Die SAV tritt in diesem Zusammenhang für die Bildung einer unabhängigen Regionalorganisation ein, die sich in politischer Kontinuität zur WASG Berlin versteht und als aktiver Bestandteil der gewerkschaftlichen und sozialen Bewegungen in der Stadt eine politische Alternative zu den Regierungssozialisten darstellt. Dies müsste mit der Perspektive verbunden sein, sich auf eine neuerliche alternative, linke Kandidatur bei den nächsten Abgeordnetenhauswahlen vorzubereiten – die dann hoffentlich mit weiteren Kräften aus Gewerkschaften und sozialen Bewegungen organisiert werden kann. Die Arbeit der für die WASG gewählten Bezirksverordneten würde durch eine solche Regionalorganisation begleitet und in einen politischen Rahmen gestellt. Ebenso sollte diese Organisation die politische Kontrolle über die Mandatsträger ausüben. Auf dieser Basis könnte eine aktive und kämpferische Berliner Organisation entstehen, die neue Mitglieder aus Gewerkschaften und sozialen Kämpfen heraus gewinnt. Eine weitere wichtige Voraussetzung dafür ist sicherlich, dass die Debatte um das politische Selbstverständnis und Programm fortgesetzt und intensiviert wird und die Organisation Alternativen zur bestehenden kapitalistischen Gesellschaftsordnung diskutiert und entwickelt.

Netzwerk Linke Opposition

Die linken Strömungen in der WASG haben es nicht geschafft, ein geschlossenes Handeln zu entwickeln. Während es beim Bundesparteitag im November 2006 noch gelang ein gemeinsames linkes Kandidaten-Tableau ins Rennen zu schicken – von den elf KandidatInnen wurden allerdings nur Lucy Redler und Thies Gleiss gewählt -, gibt es keine gemeinsame Haltung zur Vereinigung und zu dem, was danach kommt.

Die Antikapitalistische Linke (AKL) beschränkt sich darauf programmatische Forderungen zu stellen, ohne aber reale Mindestbedingungen für eine Zustimmung zur Fusion aufzustellen. Damit haben sie jegliches Druckmittel freiwillig aus der Hand gegeben und agieren nicht als wirksame Opposition.

Viele Hoffnungen hatten sich im letzten Jahr auf das Netzwerk Linke Opposition (NLO) gerichtet, an dessen Gründung die SAV maßgeblich mit beteiligt war. Leider hat sich im NLO ein sektiererischer Kurs durchgesetzt. Das NLO hat Positionen festgeschrieben, die den Austritt aus der vereinigten Partei schon jetzt festlegen und den Aufbau einer Konkurrenzorganisation auf Bundesebene ankündigen. Das ist aber zum Scheitern verurteilt, weil das NLO nicht die nötige Basis in Gewerkschaften und sozialen Bewegungen hat, um als eine ernstzunehmende Alternative zur Partei DIE LINKE wahrgenommen zu werden. Um eine solche Alternative zu entwickeln muss man aber an den Debatten und Auseinandersetzungen in der Linken teilnehmen und darf sich nicht denjenigen gegenüber verschließen, die darauf setzen anti-kapitalistische Positionen in der neuen Partei zu vertreten. Genau das macht das NLO aber. Faktisch sind oppositionelle Mitglieder der zukünftigen vereinigten Partei nicht willkommen. Dieser Vorwurf wird zwar von VertreterInnen des NLO als Unterstellung zurück gewiesen, aber die politische und strukturelle Ausrichtung des Netzwerks lässt doch keine andere Schlussfolgerung zu. Besonders deutlich wurde das bei einem Beschluss des Berliner NLO, in dem das bundesweite NLO als offen für die verschiedensten Kräfte bezeichnet wurde – nur nicht für links-oppositionelle Mitglieder der vereinigten Partei. Darin heißt es: „Diese (das NLO, A.d.A) soll sowohl für jene Mitglieder, die aus der WASG getrieben werden/wurden und die Fusion mit der PDS nicht mitmachen wollen, wie auch AktivistInnen, Gruppen, Organisationen aus der radikalen Linken, von MigrantInnen, den sozialen Bewegungen etc. offen sein, die am Aufbau einer klassenkämpferischen, anti-kapitalistischen, sozialistischen und internationalistischen politischen Alternative zu einer weiteren sozialdemokratischen, systemtreuen Partei interessiert sind.“

Diese Positionierung des NLO ergibt sich aus der ebenfalls in diesem Text enthaltenen Einschätzung, dass „alle unbotmäßigen Linken, aber auch Arbeitslose und vor dem politisch nicht organisierte AktivistInnen, die in den letzten Jahren gewonnen wurden, aus der Partei getrieben werden – und zwar im gesamten Bundesgebiet.“ Diese Einschätzung, dass in Westdeutschland nur angepasste und systemtreue Sozialdemokraten in die fusionierte Partei gehen werden, entspricht einfach nicht der Realität. Diese scharfe Art der Ab-, ja faktisch sogar Ausgrenzung, ist aber ein absoluts Hindernis um ein Netzwerk aufzubauen, das diesen Namen verdient. Dies wurde auch schon bei dem letzten bundesweiten Treffen des Netzwerks deutlich, als die Mehrheit nicht bereit war einen Kompromiss und Konsens mit einem Drittel der TeilnehmerInnen zu finden und ihre Positionen „durchgezogen“ hat. Aus dem NLO wird, wenn es nicht an seinen reichlich vorhandenen inneren Widersprüchen zerfällt, nur eine weitere relativ kleine linksradikale Gruppe werden, in der sich einige Einzelpersonen und Kleinstgruppierungen zusammen finden ohne ein Angebot für eine breitere Schicht von oppositionellen AktivistInnen aus WASG und L.PDS zu sein. Aus diesen Gründen hat sich die SAV aus dem NLO zurück gezogen.

Die SAV tritt auch weiterhin für eine Arbeiterpartei mit sozialistischem Programm ein. Wir gehen aber nicht davon aus, dass zur Zeit eine solche einfach ausgerufen werden kann oder eine Art „Organisation zur Bildung einer neuen Partei“ erolgreich gebildet werden kann. Der Kampf für eine solche Partei ist vor allem ein politischer und muss auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Strukturen geführt werden. Denn es ist davon auszugehen, dass eine solche Partei erst nach einer Phase von Klassenkämpfen und auch von Differenzierungen innerhalb der vereinigten Linkspartei entstehen und sich aus verschiedenen Quellen speisen wird. Um dies vorzubereiten sollte ein tatsächlich antikapitalistisches Netzwerk gebildet werden, dass unterschiedliche Gruppen, Strömungen und Einzelpersonen zusammen bringt – unabhängig davon, ob diese in der vereinigten Partei sind oder nicht.

Aufgaben von SozialistInnen

Die Frage der Arbeiterpartei ist von großer Bedeutung für den Wiederaufbau der Arbeiterbewegung, aber sie ist nicht die einzige Frage. Für SozialistInnen stellt sich nach der Vereinigung von WASG und L.PDS eine kompliziertere Lage dar. Das erste Kapitel beim Aufbau einer neuen Arbeiterpartei geht zu Ende, das Buch selber ist aber aufgeschlagen, sprich: die Frage der politischen Vertretung der Arbeiterklasse steht im Raum.

Die neue Partei sollte an ihren Ansprüchen gemessen und einem Praxistext unterzogen werden. Gewerkschaftliche Gruppen, soziale Bewegungen und linke Gruppierungen sollten ihr Angebote zur Aktionseinheit machen und mit ihr da kooperieren, wo es für gemeinsame Forderungen möglich ist.

Da, wo es Möglichkeiten gibt, die neue Partei zu beeinflussen bzw. diese ein von ArbeiterInnen und Jugendlichen geprägtes lebendiges Innenleben hat, sollten SozialistInnen in ihr agieren. Das wird nur in Teilen Westdeutschlands der Fall sein. Sollten in Zukunft größere Schichten der Arbeiterklasse und der Jugend ihren Weg in diese Partei finden, sollten SozialistInnen dort sein und mit ihnen gemeinsam für eine sozialistische und kämpferische Umgestaltung der Partei eintreten. Solange dies aber nicht der Fall ist, wäre es fatal, sich auf unfruchtbare innerparteiliche Auseinandersetzungen zu konzentrieren. Stattdessen sollten die Kräfte auf den Aufbau von Widerstandsbewegungen, Kämpfen und kämpferischen Strömungen in den Betrieben und Gewerkschaften konzentriert werden. Und auf den Aufbau der SAV als einer marxistischen Organisation, die – je stärker sie sein wird – zukünftige Anläufe zur Bildung einer Arbeiterpartei wird beeinflussen und zum Erfolg verhelfen können.

Sascha Stanicic ist Bundessprecher der SAV und Mitglied im Länderrat der WASG. Er ist verantwortlicher Redakteur von sozialismus.info und lebt in Berlin.