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Bis Ostern soll die Rente mit 67 vom Bundestag beschlossen sein. Neben der Anhebung des gesetzlichen Rentenalters auf 67 Jahre ab 2012 soll der Beitragsatz auf 19,5 Prozent und dann nochmals 2007 auf 19,9 Prozent angehoben werden
von Ronald Luther, Berlin
Geburtsjahrgänge ab 1964 können künftig nur noch dann ohne Abschläge in die Rente oder Pension gehen, wenn sie 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Sonderregelungen sind lediglich bei Schwerbehinderten, Bergleuten und Witwen geplant. „Erwerbsgeminderte“ sollen erst mal verschont werden, aber ab 2024 wird dann auch für sie die Grenze auf 40 Beitragsjahre erhöht.
Absturz Rente
Nach einer Studie der Deutschen Rentenversicherung gehören vor allem Frauen, schwer körperlich Arbeitende und Akademiker zu den Verlierern der Rente mit 67. Für sie beständen aufgrund ihrer Erwerbsbiografie bereits jetzt kaum Chancen, abschlagsfrei in den Ruhestand zu gehen. Gerade auf sie würden sich die geringen Beschäftigungschancen Älterer auswirken.
Derzeit erhalten nur 10,7 Prozent der Frauen und 29,8 Prozent der Männer eine Rente ohne Abschläge. Schützen wird in Zukunft weder Münteferings Initiative „50plus“ oder das Vorhaben der Bundesregierung, Eltern nicht zu benachteiligen, indem Kindererziehungszeiten bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes bei der Rente mit 67 berücksichtigt werden.
Stattdessen droht Millionen Durchschnittsverdienern Altersarmut. „Mit 960 Euro Monatsrente nach aktueller Kaufkraft dürfte ein heute 40-Jähriger nach der Studie ganze 60 Euro über der künftigen Sozialhilfe-Grenze liegen“, so eine Capital-Studie.
Die Gewerkschaftsspitze lehnt die Vorhaben der Regierung zwar ab. Leider nimmt sie aber – genauso wie SPD und CDU – die Position ein, die sozialen Sicherungssysteme seien nicht mehr finanzierbar. Ein IG-Metall-Funktionär kritisierte kürzlich auf einer Veranstaltung in Stuttgart: „Anstatt über die Verteilungsfrage zu diskutieren, wird in den Gewerkschaften über Demografie diskutiert.“
Von Russland lernen…
Nicht nur in Deutschland wird von den Herrschenden propagiert, das wachsende Lebensalter oder steigende Ausgaben bei der Rente seien schuld an den leeren Rentenkassen. Gleichzeitig wird überall die private Vorsorge vorangetrieben. In Wahrheit führen steigende Arbeitslosigkeit und die Umverteilung von unten nach oben dazu, dass die Sozialversicherungssysteme immer weniger Einnahmen zu verzeichnen haben.
In anderen Ländern gab es Massenproteste gegen dortige Renten„reformen“. So beteiligten sich in Frankreich am 13. Mai 2003 bis zu zwei Millionen an 115 Demonstrationen, die sich hauptsächlich gegen die Anhebung des Rentenalters im öffentlichen Dienst auf das Niveau von 40 Beitragsjahren in der Privatwirtschaft und auf bis zu 42 Jahre ab 2020 für alle Beschäftigten richteten.
Russland wurde Anfang 2005 von einer Protestwelle der RentnerInnen regelrecht überrollt. Zehntausende RentnerInnen wehrten sich wochenlang mit wütenden Demonstrationen und Straßenblockaden gegen die faktische Abschaffung des alten Sozialversicherungssystems, das zahllose Vergünstigungen für RentnerInnen, Kriegsveteranen, Behinderte und andere beinhaltete. So gab es für sie Anspruch auf freie Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs, verbilligte öffentliche Versorgungsleistungen und kostenlose medizinische Betreuung. Schließlich musste der russische Präsident Putin einen teilweisen Rückzieher machen, um eine Ausweitung auf andere Teile der unzufriedenen Bevölkerung zu verhindern. Das ist nur ein kleiner Auszug an Protesten, die sich in den letzten Jahren weltweit gegen Rentenkürzungen richteten. Sie sind ein Spiegelbild künftiger Entwicklungen – auch für Deutschland.