Studiengebühren gemeinsam abwehren

Auf die Ankündigung der neuen Nordrhein-Westfälischen Landesregierung, ab dem Sommersemester 2005 generelle Studiengebühren von 500 Euro pro Semester von den Studierenden zu verlangen, reagieren die Betroffenen mit Streiks und Protesten an mehreren Universitäten in NRW.
 
Der Angriff auf die freie Hochschulbildung wurde lange vorbereitet: Es begann Ende der neunziger Jahre. Als die Unterfinanzierung der Hochschulen nicht mehr zu leugnen war und die Studierenden sich 1997 mit Bundesweiten Streiks und Protesten gegen die Zustände im Bildungswesen wehrten, brachten Konservative „Experten“ und Lobbyisten wie die Bertelsmann Stiftung Studiengebühren in die Diskussion. Angeblich um die finanzielle Ausstattung der Hochschulen zu verbessern.
Die Studierendenproteste zogen sich durch das Wahljahr 1998 und veranlassten SPD und Grüne dazu ein Bundesweites Verbot von Studiengebühren für den Fall eines Rot-Grünen Wahlsiegs zu versprechen.
Dieses Verbot von Studiengebühren ließ dann vier weitere Jahre auf sich warten. Erst im folgenden Bundestagswahlkampf erinnerten sich SPD und Grüne an ihr Versprechen und beschlossen ein Hochschulrahmengesetz das Gebühren verbot. Allerdings nur für das Erststudium und nur für die Regelstudienzeit.
In der Zwischenzeit waren die Landesregierungen nicht untätig gewesen: Sie hatten sich überlegt wie man Studierende zur Kasse bitten kann ohne dies als Studiengebühren zu bezeichnen: Da gab es Semesterbeiträge, Verwaltungsgebühren, Rückmeldegebühren und schließlich Gebühren für „Langzeitstudenten“ die als „Studienkonten“ getarnt wurden.
Im Februar dieses Jahres kippte das Bundesverfassungsgericht das bundesweite „Verbot“ von Studiengebühren. Die Landesregierungen jubelten. Unabhängig davon ob sie schwarz-gelb, schwarz-rot oder rot-grün gefärbt sind. Der Kampf um freie Bildung geht in eine neue Runde.

Wie immer wenn es um Angriffe auf die Rechte breiter Bevölkerungsteile geht wurde versucht die Betroffenen zu spalten und gegen einander aus zu spielen:
Geringverdiener gegen Studierende; Schnellstudierende gegen Langzeitstudenten.
Wenn man den Befürwortern von Studiengebühren glauben darf, dann machen die Gebühren praktisch jeden glücklich: Die Geringverdiener, weil sie nicht mehr mit ihren Steuern für das Kostenlose Studium des Chefarztsohnes aufkommen müssten. Und die Studenten, weil das Geld den Hochschulen zu gute käme und sie als Zahlende „Kunden“ von den Unis in Zukunft Qualität erwarten könnten.

Die gründlich verdrängte Realität sieht anders aus: Für Kinder aus sozial schwachen Familien wird die Aufnahme eines Studiums zusätzlich erschwert, denn wer neben dem Studium jobben muss, braucht länger und wird durch Studiengebühren egal in welcher Variante besonders getroffen. Kinder von Besserverdienern werden sich auch Studiengebühren leisten können. Umso lieber als sie in Zukunft die Unis für sich alleine haben.
Die Steuern für Geringverdiener wurden durch die Studiengebühren bis heute nicht gesenkt. Wie auch? Das Geld sollte ja den Hochschulen zu gute kommen.
Aber die bekamen von dem Geld ebenfalls nichts. Im Gegenteil die Staatlichen Bildungshaushalte wurden wie gewohnt weiter zusammen gestrichen.
Freuen durften sich andere: In dem Jahr, in dem die Rot-Grüne Regierung in Nordrhein-Westfalen „Langzeitstudiengebühren“ einführte überwies sie im Zuge der Steuerreform 3,2 Milliarden Euro an die Konzerne in NRW. Was auch erklärt, warum immer dann, wenn es um soziale Aufgaben des Staates geht gerade die Kassen leer sind.

Die Erhebung von fünfhundert Euro Studiengebühren pro Semester ist nicht das Ende der Angriffe sondern erst der Anfang. In den folgenden Jahren wird es um höhere Gebühren gehen. Aber es geht um mehr als 500 Euro: Es geht um die Privatisierung der Bildung. Und nicht nur der Bildung.
Privatisierungen von Öffentlichen Gütern finden in allen Bereichen statt. Bei Gesundheit, Alterssicherung, Kultur und Verkehr. Immer erleben wir die gleichen Angriffe. Immer mehr Öffentliche Aufgaben werden dem Markt geöffnet um dem Kapital neue Anlagemöglichkeiten und Profitquellen zu eröffnen. Die Opfer dieser Profitlogik sind die Beschäftigten und alle Menschen die diese Güter benötigen.

Deshalb ist es nötig und möglich, dass die Betroffenen dieser Raubzüge gemeinsam den Kampf für die Verteidigung ihrer Rechte führen. Da Studierendenstreiks keinen Wirtschaftlichen Druck entfalten besteht die Gefahr, dass die Bewegung an Dynamik verliert und der Widerstand verpufft wenn es nicht gelingt, die Kämpfe der Studierenden und Schüler mit den Kämpfen von Arbeitnehmern und Arbeitslosen
zusammenzuführen. Als nächste Schritte sind deshalb gemeinsame Aktionen aller Opfer der Angriffe von Regierung und Konzernen erforderlich. In dieser Richtung sind bereits erste Schritte gemacht, wie die heutige Demonstration in Köln zeigt zu der Asta und DGB gemeinsam aufriefen. Diesen Gemeinsamen Widerstand gilt es fort zu setzen und aus zu weiten um die Angriffe zurück zu schlagen.

von Philipp Lührs, Köln