Wer war Papst Johannes Paul II?

Zum Tod des Papstes

Hunderttausende aus aller Welt pilgerten zum Petersplatz in Rom/ Italien, als der Papst im Sterben lag, Millionen kamen zu seiner Beisetzung am 8. April. Nach dem Tod von Papst Johannes Paul II, und somit dem Ende seiner 26jährigen Amtszeit als weltweites Oberhaupt der katholischen Kirche, würdigten Regierungsoberhäupter – von dem brasilianischen Präsidenten Lula, der 7 Tage Staatstrauer für sein Land anordnete, über Fidel Castro auf Kuba, die palästinensische Hamas bis hin zu den Führern der islamistischen Taliban – und sämtlicher Religionen den Verstorbenen als einen „unermüdlichen Anwalt für den Frieden“ (UN-Generalsekretär Kofi Annan), „Verfechter der Freiheit“ (US-Präsident Bush) und Vermittler zwischen den Religionen.

von Nelli Tügel, Berlin

Neben den Millionen von Menschen, die nach Rom reisten, ließen 200 Staatschefs, hohe Amtsträger der verschiedenen Religionsgemeinschaften und andere Prominente es sich nicht nehmen, an der Beisetzung des Verstorbenen teilzunehmen und den Schein zu erwecken, als eine die Trauer um den toten Papst sie allen Konflikten zum Trotz. Ohne Zweifel war der Papst auch ein politischer Papst und ein Medienereignis, wie sich zuletzt in seinem öffentlichen Sterben zeigte. In den 26 Jahren seiner Amtszeit war der Papst Johannes Paul II in der Lage, mehr Länder als jeder andere vor ihm zu besuchen und vor mehr Menschen als jeder vor ihm zu sprechen. 17,8 Millionen Menschen nahmen an seinen Messen teil. Doch was hat Papst Johannes Paul der II, der der erste polnische Papst überhaupt und der erste nicht-italienische Papst seit 1523 war in seiner 26jährigen Amtszeit tatsächlich bewirkt und welche Auffassungen hat er vertreten?

Wenn man in den letzten Tagen die Berichterstattung verfolgt, gewinnt man häufig den Eindruck, Johannes Paul II sei ein besonders fortschrittlicher Papst gewesen. Immer wieder ist von seinem Engagement für Freiheit, Frieden und Versöhnung unter den Religionen die Rede. Kaum kritische Stimmen werden in diesen Tagen laut. Dabei war der verstorbene Papst vielmehr ein Vertreter der extrem-konservativen Teile der katholischen Kirche.

Frauen

Besonders reaktionär war die Haltung des Papstes zur Rolle von Frauen in der Gesellschaft und auch innerhalb der Institution der katholischen Kirche. Er hat mit der Verbreitung seiner Auffassungen einen aktiven Beitrag zur Einschränkung des Selbstbestimmungsrechtes von Frauen über ihren Körper gespielt und andererseits die Rolle von Frauen innerhalb der katholischen Kirche immer klein gehalten, indem er sich z.B. vehement gegen die Priesterweihe von Frauen wehrte.

In seinem Anfang des Jahres erschienenen Buch „Erinnerung und Identität – Gespräche an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden“ spricht sich der Papst nochmals sehr scharf gegen Abtreibung aus, indem er diese nicht nur als Mord bezeichnet, sondern sogar mit der Massenvernichtung an Juden unter dem Faschismus vergleicht. So, schreibt er, habe die Vernichtung der Juden nach dem Sturz des Nazi-Regimes zwar aufgehört, doch dauere die legale Vernichtung ungeborener menschlicher Wesen an. Diese drastische Haltung der katholischen Kirche zur Frage der Abtreibung hat zur Folge, dass Katholikinnen überall auf der Welt aus Angst, etwas zu tun, was nicht im Sinne ihrer Religion ist, oder sogar aus ihrer Religionsgemeinschaft ausgeschlossen zu werden, zusätzlich zu ohnehin erschwerten Bedingungen und oftmals existierenden gesetzlichen Verboten, ihres Selbstbestimmungsrecht darüber, ob und wann sie Kinder haben wollen, beraubt werden.

Afrika und die Ausbreitung von HIV/ Aids

Im Laufe der Amtszeit des verstorbenen Papstes hat sich die Zahl der Katholiken auf dem afrikanischen Kontinent am deutlichsten vermehrt. Die Geschichte der Institutionen des Christentums in Afrika ist v.a. eine Geschichte von Grausamkeiten, Unterdrückung und Ausbeutung. In den letzten Jahrzehnten kam eine neue Tragödie, bei der die katholische Kirche eine unrühmliche Rolle spielt, hinzu – HIV/ Aids. Indem der Papst die Verwendung von Kondomen als „Kultur des Todes“ bezeichnete und unterstellte, Verhütung sei Kindsmord, bewirkte er, dass Millionen von Katholiken in Afrika sich aufgrund ihres Glaubens und der Loyalität ihrer Kirche gegenüber nicht vor einer Ansteckung mit dem HI-Virus schützten bzw. schützen. Selbst in den seltenen Fällen, in denen Kondome kostenlos zur Verfügung gestellt und verteilt werden, lehnen viele diese ab. 2004 litten in den Ländern südlich der Sahara 20 % aller Erwachsenen an Aids oder waren mit dem HI-Virus infiziert.

Homosexualität

In den vergangenen 26 Jahren konnten viele Rechte für Schwule, Lesben und Bisexuelle erkämpft werden. Diese gesellschaftlichen Veränderungen sind nicht spurlos an der katholischen Kirche vorbeigegangen und haben auch dort zu einer Diskussion geführt. Während viele Anhänger des Katholizismus gegen die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Sexualität sind, war die Haltung des Papstes zu Homosexualität reaktionär und kommt wohl am deutlichsten in seiner Aussage, Homosexualität sei eine Krankheit, zum Ausdruck.

Repressionen innerhalb der Kirche/ Verhältnis zur Befreiungstheologie

Weltweit zählt die katholische Kirche rund eine Milliarde Mitglieder. Damit ist ziemlich klar, dass es sich nicht um eine homogene Gemeinschaft handelt, sondern auch innerhalb der katholischen Kirche verschiedene Auffassungen aufeinandertreffen.

Papst Johannes Paul II stellte sein Pontifikat auch unter den Kampf gegen progressivere Ideen in der katholische Kirche. Dies wird vor allem an seiner Politik in Lateinamerika deutlich. Zu seinem Amtsantritt befand sich der gesamte Kontinent in Bewegung, was sich auch in der „Befreiungstheologie“ ausdrückte, die sich durchaus als Teil der revolutionären Bewegung verstand.

Johannes Paul II sah daher auch eine seiner wichtigsten Aufgaben darin, die „Befreiungstheologie“ zu bekämpfen. Bei seiner ersten Auslandsreise nach Mexiko stellte er fest: „Es steht zum Glauben der Kirche im Widerspruch zu meinen, dass Jesus politisch engagiert gewesen sei, gegen die römische Herrschaft und die Mächtigen gekämpft habe und sogar in einen Klassenkampf verwickelt gewesen sei.“ Statt für eine bessere Welt zu Lebzeiten zu kämpfen, sollte man lieber fromm leben und nach dem Tod ins Paradies gelangen.

Befreiung von Armut und Unterdrückung könne nur durch den Glauben an Gott erlangt werden.
Damit unterstützte er die Rechte in ganz Lateinamerika. Dies bekräftigte er durch Besuche bei Pinochet 1988 oder später durch seine Unterstützung der Militärdiktatur in Brasilien.

Wo Katholiken als Teil der Linken auftraten, wurden sie von Johannes Paul II bekämpft. So zum Beispiel die Basisgemeinden in Nicaragua oder Bischof Romero, der offen auf die verbrecherische Rolle des US-Imperialismus hinwies. Papst Johannes Paul II besprach seine Besuche in Lateinamerika immer mit Vertretern der US-Regierung, um so zur Verteidigung der herrschenden Ordnung von Ausbeutung und Repression beizutragen.

Zwar hat er tatsächlich einige Schritte unternommen, um symbolisch auf andere Religionsgemeinschaften zuzugehen, indem er zum Beispiel als erster Papst eine Synagoge besuchte, doch innerhalb seiner eigenen Institution galt er vielmehr als unnachgiebig. Der viel gelobte „Kämpfer für die Freiheit“ hat innerhalb der katholischen Kirche auf Hierarchie und undemokratische Strukturen gepocht und jede Form der Opposition bekämpft.

Sturz des Stalinismus

Ein Journalist des Guardian, Tomothy Garton Ash, brachte in einem Kommentar auf den Punkt, was viele dieser Tage über die Rolle des Papstes beim Sturz des Stalinismus behaupten, indem er sagte: „Ohne den polnischen Papst, keine Solidarność Revolution in Polen 1980, ohne Solidarność keine dramatischen Veränderungen in der sowjetischen Politik in Bezug auf Osteuropa unter Gorbatschow, ohne diese Veränderung, keine samtenen Revolutionen 1989.“ Einer solchen Betrachtung der Ereignisse, die zum Sturz des Stalinismus in den Ländern des ehemaligen Ostblocks führten, liegt die Methode zu Grunde, den Verlauf der Geschichte als eine Aneinanderreihung großer Taten einzelner Individuen zu sehen.

Papst Johannes Paul II hat seine Autorität zweifelsohne genutzt, um die Restaurierung des Kapitalismus voranzutreiben. Und gerade in Polen, seinem Heimatland, konnte er diese Autorität besonders geltend machen. Nichts desto trotz gab es schon lange vor dem Besuch des Papstes in Polen 1980 und der Solidarność-Bewegung Massenbewegungen in den Ostblockstaaten, die sich gegen die stalinistische Bürokratie und für einen demokratischen Sozialismus einsetzten, wie z.B. in der Tschechoslowakei 1968, in Ungarn 1956 und in Polen 1970/ 71. Als in Berlin 1989 die Mauer fiel, war das Ziel der Massenbewegung, die dies bewirkt hatte zunächst, einen besseren Sozialismus zu erschaffen und nicht die Wiedervereinigung auf kapitalistischer Grundlage. Doch genauso, wie in den restlichen Staaten des Ostblocks, fehlte eine politische Kraft in Form einer Partei, die diese Massenbewegungen zum Ziel hätte führen können.

Ein politischer Papst

Auf den immer wieder erwähnten über 200 Auslandsreisen des Papstes, besuchte dieser die Mächtigen dieser Welt aller möglicher Couleur. Natürlich war der Papst kein vermittelnder Neutraler, wie oftmals der Eindruck erweckt wurde – im Gegenteil, hinter dem politischen Wirken des Papstes steckten mehr als christliche Nächstenliebe.

Die Amtszeit des Papstes fiel zusammen mit einer Zeit der weltweiten Reaktion. Nach den Befreiungsbewegungen in der neokolonialen Welt, den revolutionären Bewegung in Lateinamerika und Europa auf der einen und der ersten weltweiten Rezession 1974, die damit das Ende des Nachkriegsaufschwungs einläutete auf der anderen Seite, begann die Ära des Neoliberalismus, die sich zum Beispiel in der Wahl Reagans zum Präsidenten der USA und der Wahl Thatchers zur Premierministerin Großbritanniens manifestierte. Mit dem Sturz des Stalinismus im ehemaligen Ostblock und der Restaurierung des Kapitalismus in diesen Ländern ging die weltweite Arbeiterbewegung durch den Wegfall des anderen Systems in die Defensive und die Kapitalisten konnten sowohl ökonomisch als auch politisch voll in die Offensive gehen.

Die Führung der katholischen Kirche hat in den letzten Jahren eher die Linie der Deutschlands und Frankreichs, als die der US Führung unterstützt. Der Besuch Fidel Castros auf Kuba 1998 war zum Beispiel Ausdruck dessen. Während die USA in Bezug auf Kuba nach wie vor auf Sanktionen setzen, versucht der EU-Imperialismus eher durch eine „sanftere“ Linie Einfluss zu gewinnen und auszubauen.

SozialistInnen und Religion

Weltweit zählt die katholische Kirche heute rund eine Milliarde Anhänger. Zu Beginn des Pontifikats von Johannes Paul II im Jahre 1978 wurden 749 Millionen Mitglieder gezählt. Damit ist zwar die absolute Zahl der Katholiken enorm gestiegen. Prozentual ging diese jedoch leicht zurück, da im selben Zeitraum die Weltbevölkerung um die Hälfte zunahm.

Obwohl das Zentrum der Katholischen Kirche in Europa liegt, beherbergt der Kontinent im Jahr 2005 nach Christi Geburt nur noch 25 Prozent aller Katholiken. Die meisten Glaubensanhänger, knapp eine halbe Milliarde Menschen, leben heute in Mittel- und Südamerika. Insgesamt werden von 6,5 Milliarden Menschen auf dieser Welt ca. 4,5 Milliarden einer der sogenannten Weltreligionen (Islam – 1 Milliarde, Christentum – 2 Milliarden, Judentum – 14 Millionen, Hinduismus – 800 Millionen, Buddhismus – 300 Millionen) zugerechnet. Ein sehr beträchtlicher Teil also.

Gerade in vielen Ländern der sogenannten 3. Welt und in Lateinamerika hat der Stellenwert von Religion und der Einfluss religiöser Führer zugenommen. Vor dem Hintergrund von Armut und Verelendung, sowie dem Mangel an politischen Alternativen, wenden sich viele dem Glauben zu in der Hoffnung, wenigstens nach dem Tod Frieden und Wohlstand zu finden.

Marx sagte einmal „Die Religion ist das Opium des Volkes“. Damit ist gemeint, dass die Herrschenden die Religion und ihre Institutionen nutzen, um die unterdrückten Klassen mit Verhaltensregeln einzuschüchtern und von den wirklichen Verhältnissen in der Gesellschaft abzulenken. Seit Jahrtausenden haben sich die verschiedene herrschenden Klassen der verschiedensten Arten von Religionen und ihrer Institutionen bedient, um die Ausbeutung des größten Teils der Menschen zu rechtfertigen und aufrecht zu erhalten.

Doch auch wenn dem Marxismus eine atheistische Weltanschauung zu Grunde liegt, betonte schon Engels, dass eine plumpe Kriegserklärung an die Religion falsch und schädlich sei und vielmehr der Klassenkampf selbst in der Lage sei, die sozialen Wurzeln der Religion zu beseitigen und damit „die unterdrückten Massen vom Joch der Religion wirklich zu befreien“ (Lenin „Über das Verhältnis der Arbeiterpartei zur Religion“). Auch solche Vorstellungen, wie das Verbot von Religion in einer sozialistischen Gesellschaft, lehnten MarxistInnen stets entschieden ab.

Außerdem unterscheiden wir zwischen Religion an sich und religiösen Institutionen. Religion ist Privatsache und jeder Mensch muss das Recht auf eine freie Ausübung seiner Religion haben, solange er andere damit nicht beeinträchtigt. Gleichzeitig haben SozialistInnen sich immer für eine strikte Trennung von Staat und Kirche und damit die Befreiung der Menschen durch die Geißelung durch religiöse Institutionen in allen Lebensbereichen eingesetzt.