Zu den Wahlen vom 13. Juni

Europa, Deutschland und der Erfolg für die SAV in Rostock
 
Die EU-Wahlen haben die wachsende Kritik am und Ablehnung des Establishments in allen EU-Ländern gezeigt. Überall mussten die Regierungsparteien starke Verluste hinnehmen. Der Protest drückte sich in einer insgesamt niedrigen Wahlbeteiligung und der Wahl von Oppositions- und Protestparteien aus. Die vorherrschende Stimmung bei der EU-Wahl war: ?Die machen ohnehin, was sie wollen? und ?die da oben sind alle gleich?. Europaweit gingen gerade einmal 44,2 % zur Wahl. Besonders niedrig war die Wahlbeteiligung in den neuen EU-Staaten. Am geringsten fiel sie in der Slowakei mit 16,5 % aus. Nur in den Niederlanden, Finnland, Irland, Luxemburg, Griechenland, Italien, Zypern und Malta lag die Wahlbeteiligung bei über 50%.

Internationale Erfolge von SozialistInnen

Das Komitee für eine Arbeiterinternationale, dem die SAV angeschlossen ist, hatte Wahlerfolge in Irland, Belgien und Schweden bei den EU-Wahlen und in Deutschland, Irland und England bei Regionalwahlen.
In Irland erzielte die Socialist Party (Irische Schwesterpartei der SAV) mit Joe Higgins, Kandidat der SP, in seinem Wahlkreis in Dublin 23.218 Erststimmen (5,5 Prozent). Bei den gleichzeitig stattfindenden Regionalwahlen kam die SP auf vier Sitze. Bei den Regionalwahlen hatte die SP zwischen 17 und 20 Prozent der Stimmen erhalten.
In Belgien erhielt die Linkse Socialistiche Partij(LSP)/Mouvement pour une Alternative Socialiste(MAS) (belgische Schwesterpartei der SAV)bei ihrer ersten Kandidatur in beiden Teilen Belgiens zur Europawahl 19.841 Stimmen, davon 14.166 Stimmen (0,35 Prozent) im flämischen und 5.675 Stimmen (0,23 Prozent) im wallonischen Teil.
In England trat die Socialist Party (englische Schwesterpartei der SAV) mit insgesamt 48 KanidatInnen in 34 Wahlkreisen bei den Komunalwahlen an. Die GemeinderätInnen der SP, Dave Nellist (1.586 Stimmen) and Karen Mackay (1.449 Stimmen) wurden wiedergewählt, insgesamt kam die Socialist Party (die wegen undemokratischer Manöver dort als ?Socialist Alternative? und nicht unter dem Namen ?SP? kandidieren musste) auf 16,787 Stimmen. Insgesamt wurde sehr gute Ergebnisse erzielt: In Lincoln erhielt Ryan Hayward 16 Prozent, in Deptford Jess Leech 13 Prozent, in Stoke waren es 12 Prozent oder in der Merseyside 23 Prozent für die SP.
In Schweden hat die Rättvisepartiet Socialisterna (RS) (Schwesterpartei der SAV in Schweden zu den Europawahlen kandidiert. Das Ergebnis liegt bislang noch nicht vor, es konnten aber bisher 21 neue Mitglieder und über 200 neue AbonnentInnen für die Wochenzeitung Offensiv gewonnen werden.

Deutschland

Das Ergebnis der Europawahl in Deutschland macht einmal mehr klar, wie nötig es ist, eine neue Arbeiterpartei aufzubauen. Nur 40 Prozent gingen zur Wahl. Zu Hause blieben vor allem die, die von Rentenbesteuerung, Privatisierung und Sozialabbau betroffen sind und keinen Unterschied mehr sehen zwischen CDU, SPD, Grünen und FDP. Sowohl CDU wie SPD haben Stimmen verloren. Die SPD hat vor allem unter Arbeitnehmer/innen, Erwerbslose, Rentner/innen, Jugendliche und sozial Schwache stark verloren. Signifikant ist der Anstieg der Stimmen für sonstige Parteien, die insgesamt rund zehn Prozent erhielten.
Die PDS hat zwar insgesamt besser abgeschnitten als bei den letzten Wahlen, aber in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, wo sie selbst aktiv an Privatisierungen und Sozialabbau beteiligt ist, verloren. Dort waren zum Teil dramatische Einbrüche sowohl in der Wahlbeteiligung als auch in den Stimmen für die PDS zu verzeichnen.
Besorgnis erregend sind die Erfolge für faschistische Organisationen, die in Sachsen oder dem Saarland in kleineren Gemeinden teilweise bis zu 25 Prozent erzielten und sogar in Dresden den Einzug in den Stadtrat schafften.

Großer Erfolg für sozialistische Liste bei Kommunalwahlen in Rostock

Das aber die jetzige Situation nicht automatisch Erfolge für Faschisten bedeutet zeigt das Ergebnis der Kommunalwahlen in Rostock: Die SAV / Liste gegen Sozialkahlschlag erhielt bei den Kommunalwahlen in Rostock 2,5 Prozent. Gegenüber den letzten Wahlen 1999 konnte die Anzahl der Stimmen verfünfacht werden. Damit zieht Christine Lehnert als Abgeordnete in die Bürgerschaft ein. Mit einem sozialistischen Programm verbunden mit dem Kampf gegen alle Angriffe auf die Masse der Bevölkerung gelang es, die Frustration über Arbeits- und Perspektivlosigkeit zumindest teilweise aufzubrechen.
Der enorme Zuspruch während der Kampagne spiegelt sich aber trotzdem nur teilweise im Wahlergebnis von 4.225 Stimmen (das entspricht etwa 2.000 Menschen, die ihre oder einen Teil ihrer Stimmen der SAV gegeben haben.) Viele Menschen teilten unsere Ansichten, waren aber der Meinung, dass Wählen nichts bringt oder wir keine Chance haben. Dies drückte sich auch in der sehr niedrigen Wahlbeteiligung von gerade Mal 35 Prozent aus. Die Resonanz drückt sich viel besser zum Beispiel in der Tatsache aus, dass wir ursprünglich vorhatten 500 Wahlprogramme zu verkaufen, es am Ende dann über 900 waren. In den bisherigen Tagen nach der Wahl erreichten uns zahlreiche Anrufe oder Emails mit Gratulationen von Leuten aus der Stadt.
Mit der Hilfe von vielen Leuten aus dem Umfeld der SAV war es uns möglich über 27.000 Faltblätter, einige tausend kleinere Flugblätter zu verteilen, über 700 Wahlkampfpappen und hunderte weitere Plakate zu kleben. Damit gelang es, unseren Bekanntheitsgrad in der Stadt weiter zu steigern. In den letzten Wochen vor der Wahl hatten wir es geschafft, dass sehr viele Menschen in Rostock schon Mal von uns gehört oder etwas gelesen hatten.
Eine Folge der kontinuierlichen und erfolgreichen Arbeit der letzten Jahre war, dass die SAV zu drei IG Metall-Versammlungen eingeladen wurde, um das Wahlprogramm vorzustellen. Die SAV hatte als einzige politische Kraft in Rostock bei allen Protesten von Gewerkschaften Unterstützung geleistet.
Wir haben zahlreiche soziale Vereine in Rostock besucht, um dort mit Beschäftigten und NutzerInnen über Widerstand gegen Sozialkahlschlag zu diskutieren.
Wir waren vor Schulen, Betrieben, der Universität und auf der Straße um mit Leuten zu diskutieren. Dabei haben wir vor allem in den Neubaugebieten, wie Lichtenhagen, Dierkow oder Schmarl, den Kontakt gesucht, was kaum eine der etablierten Parteien für nötig hielt. Wir waren täglich mit mehreren Infoständen, Verteilaktionen oder Unterschriftensammlungen in der Stadt präsent.
Wir haben unseren Wahlkampf in Rostock zu keinem Zeitpunkt nur als Wahlkampf für einen Sitz in der Bürgerschaft betrachtet. Im Gegensatz zu den etablierten Parteien führten wir eine Wahlkampagne, die aktiv die Menschen gegen Sozialkahlschlag mobilisierte.
Die Kampagne begann mit dem Einsatz für den Erhalt der Verbraucherzentrale, die geschlossen werden sollte. Wir nahmen Kontakt mit den Beschäftigten auf und diskutierten gemeinsam wie der Widerstand geleistet werden kann. Leider konnte die Schliessung nicht ganz verhindert werden, sondern nur, dass Anfang nächster Jahres mit verringerten Mittel neu angefangen wird.
Die SAV / Liste gegen Sozialkahlschlag wehrte sich gegen die Abzocke der Politiker, die sich dreist ihre eigenen Fraktionsgelder um insgesamt 130.000 Euro erhöhten. Während der Masse der Bevölkerung wird, den Gürtel enger zu schnallen, genehmigen sich die Politiker der Bürgerschaft Geld für Geburtstagsgeschenke, Jubiläen oder Ballkarten auf Kosten der Stadtkasse. Binnen drei Wochen konnten über 1400 Unterschriften gesammelt werden. Mit einer spektakulären Aktion wurde am 9. Juni die Sitzung des Kommunalparlamentes „gestürmt“. Arno Pöker, der Bürgermeister Rostocks, ergriff beim Eintreffen der Protestierenden sogleich die Flucht und verließ die Bürgerschaft. Der Bürgerschaftspräsident Friedrich weigerte sich die gesammelten Unterschriften entgegenzunehmen oder irgend eine Stellungnahme abzugeben. Kein Wunder: Wurde sein Etat doch dieses Jahr um satte 29,3 Prozent erhöht) Für sein Ehrenamt erhält er nun rund 1000 Euro pro Monat. Zusätzlich stehen ihm zum Beispiel noch 16.000 Euro pro Jahr für Taxifahrten zur Verfügung.
Letztlich war keines der Mitglieder der Rostocker Bürgerschaft bereit irgendeine Stellungnahme zu den geplanten Erhöhungen abzugeben, womit die Abgehobenheit der etablierten Politiker ein Mal mehr deutlich wurde.
Die SAV in Rostock wird sich mit dieser Aktion aber nicht zufrieden geben, sondern weiter für eine Rücknahme der Erhöhungen kämpfen. Wir haben deutlich gemacht, wie wir Arbeit in Parlamenten verstehen, nicht als Selbstzweck, sondern als Möglichkeit außerparlamentarische Proteste zu unterstützen.
Mit diesem 1.Sitz für die SAV in der Geschichte der Bundesrepublik werden wir den Widerstand gegen Sozialkahlschlag und Lohnraub weiter aufbauen können. Dies wird uns helfen, gemeinsam für die Interessen der Beschäftigten und Arbeitslosen, der Jugendlichen und Rentner zu kämpfen. Wir werden da weitermachen, wo wir in der Wahlkampagne aufgehört haben.
Nun geht es darum, sich gegen die jetzt publik gewordenen Geheimpläne zur Privatisierung der Südstadt-Klinik zu wehren. Jeder Versuch die Südstadtklinik zu privatisieren wird auf unseren entschiedensten Widerstand stoßen. Wir werden das einhalten, was wir versprochen haben. Wir werden jeden Sozialabbau konsequent ablehnen und ihn dadurch bekämpfen, in dem wir die Betroffenen mobilisieren.
Bei den Kommunalwahlen in Aachen und Köln am 26. September wollen wir an diesen Erfolg in Rostock anknüpfen.

von Holger Dröge

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Telefon: 0381-4996590 oder per Email: rostock@sav-online.de