Neue Partei für Beschäftigte, Erwerbslose, Jugendliche und RentnerInne

Beilage in der Solidarität Nummer 26 (Juni 2004)

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Brauchen wir eine neue Partei?
Die Frage sollte man anders stellen: Warum haben wir noch immer keine neue Partei? Heute haben wir nur die Wahl zwischen Pest und Cholera

In den letzten Monaten entstanden mehrere Initiativen für den Aufbau von Wahlalternativen zum Einheitsbrei der etablierten Parteien. Von überregionaler Bedeutung sind die „Wahlalternative“ und die Initiative „Arbeit und soziale Gerechtigkeit“, an denen sich vor allem Funktionäre von ver.di und IG Metall beteiligen. Diese beiden Initiativen haben sich inzwischen zusammengetan. In Chemnitz, Sachsen, haben Betriebsräte und der örtliche IG-Metall-Bevollmächtige die „Wahlalternative Perspektive“ gegründet. Außerdem treten einige weitere linke Wahlbündnisse bei den anstehenden Kommunalwahlen an.
Für die SAV ist der Aufbau einer neuen Partei längst überfällig – schon lange vor der Agenda 2010. Unserer Meinung nach muss die neue Partei eine Arbeiterpartei sein.
Was verstehen wir unter einer Arbeiterpartei? Eine Partei, die kompromisslos die Interessen aller Arbeiterinnen und Arbeiter vertritt: IndustriearbeiterInnen, Angestellte, die meisten Beamten – alle, die gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen.
Ein Problem ist, die meisten können sich unter einer Arbeiterpartei nicht viel vorstellen. Kein Wunder, denn die Zeiten, als die SPD eine Arbeiterpartei war, liegen im vorletzten Jahrhundert. Fast das gesamte letzte Jahrhundert war sie nur noch eine Partei mit Arbeiterbasis aber bürgerlicher Führung. Heute ist sie eine durch und durch kapitalistische Partei. Das sagt sie natürlich nicht und liegt damit auch in diesem Punkte auf einer Linie mit CDU / CSU, FDP und Grünen. Alle tun so, als suche man nach der richtigen Politik zum Wohle des ganzen Volkes, für Unternehmer und Beschäftigte.
Man streitet sich nur noch darum, ob man den Spitzensteuersatz in zwei oder drei Schritten senkt oder ob man die Arbeitszeit erst auf 41 oder gleich auf 42 Stunden erhöht. Alle sagen: am Ende, wenn die „Reformen“ ihre Wirkung entfaltet haben, winken bessere Zeiten – und zwar für alle. Doch das Ergebnis ist das Gegenteil: die Wirtschaft stagniert oder rutscht noch tiefer in die Krise, die Arbeitslosigkeit steigt, die Reichen werden reicher, alle anderen ärmer.

Klassengesellschaft
In Wahrheit machen die etablierten Parteien nämlich ihre Politik nur im Interesse eines kleinen Teils der Bevölkerung. Im Interesse der Besitzenden, der Banken, Konzerne, Großaktionäre, Millionäre, Milliardäre. Die Interessen dieser Schicht, genauer dieser Klasse, sind aber den Interessen der Beschäftigten, Erwerbslosen, Armen entgegengesetzt.
Die Behauptung, dass das nicht so wäre, stand am Beginn der Rechtsentwicklung von SPD, Grünen und PDS.
Unsere Gesellschaft ist geteilt, im wesentlichen in zwei Klassen mit unterschiedlichen Interessen, die man nicht unter einen Hut bringen kann. Streik für höhere Löhne, Finanzierung des Gesundheitswesen und der Rente, die Frage der Besteuerung: das sind kein Streitfragen um den besten Weg für beide Seiten. Es ist ein Streit um die Frage: wer bekommt welchen Anteil von dem, was die Beschäftigten erwirtschaftet haben.
Aus dieser Erkenntnis, dass nämlich die ArbeiterInnen ihre Interessen haben und die Unternehmer ganz andere, ist ja die SPD als Arbeiterpartei gegründet worden.
Eine Partei, die von sich behauptet die Interessen aller Teile unserer Gesellschaft zu vertreten, ist ein Widerspruch in sich. Partei kommt von pars, dem Teil. In einer geteilten Gesellschaft kann keine Partei und hat noch nie eine Partei zum Wohle aller gehandelt.

Aufgaben einer neuen Partei
Die breite Masse der Bevölkerung hat keine politische Interessenvertretung. Bei öffentlichen Debatten, in den Medien und bei Abstimmungen in den Parlamenten kommen die Bedürfnisse, Anliegen und Nöte der Beschäftigten, Erwerbslosen und ihrer Angehörigen nicht vor. In welcher Zeitung, Talkrunde, Parlamentsdebatte hat jemand die Tatsache bekannt gemacht, dass ein Einkommensmillionär durch die weitere Senkung des Spitzensteuersatzes ab nächstem Jahr 8.800 Euro im Monat geschenkt bekommt, während Arbeitslosenhilfebezieher ab dem selben Zeitpunkt von 345 (West) beziehungsweise 331 Euro (Ost) im Monat leben sollen?
Was müsste, was könnte eine neue Partei tun? Sie müsste zu aller erst mal die Interessen der breiten Mehrheit zum Ausdruck bringen. Sie müsste eine umfassende Antwort auf die neoliberale Ideologie anbieten.
Sie müsste Alternativen zur jetzigen Politik aufzeigen. Sie sollte in ihren Reihen über gesellschaftliche Alternativen zum kapitalistischen Krisensystem diskutieren. Die Mitglieder einer neuen Partei sollten auf regelmäßigen Treffen über politische Fragen sprechen und Antworten erarbeiten. Sie könnte ihre Gegenvorschläge bekannt machen: unter Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz, im Bekanntenkreis, vor dem Arbeitsamt, an Infoständen in den Stadtteilen. Sie könnten ihre Argumente und Alternativen in Betriebsversammlungen, auf Vertrauensleutekonferenzen und Gewerkschaftsversammlungen vorbringen. Sie sollte bei allen Wahlen kandidieren und damit den gordischen Knoten (verliert die SPD, dann gewinnt die CDU) zerschlagen.
Sie müsste gesellschaftliche Gegenmacht aufbauen und Druck erzeugen. Sie sollte selbst zu einer Kraft in den Kämpfen in der Gesellschaft, zum vorwärtstreibenden Teil von Protestbewegungen und Klassenkämpfen werden.
Die SAV ist der Ansicht, dass diese Fragen von zentraler Bedeutung für die Zukunft des Projektes „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ sind. Nur wenn der Widerstand gestärkt wird, die heutigen Machtverhältnisse grundlegend in Frage gestellt werden und ArbeiterInnen und Jugendliche in großer Zahl einbezogen sind, dann könnten die Privatisierer, Deregulierer und Umverteiler auf Dauer erfolgreich geschlagen werden.
von Georg Kümmel, Köln

99 Prozent Kampf – Wie weiter für die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit?
Die Bundesrepublik Deutschland hat eine neue politische Formation: die  „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“.

Dazu haben sich die beiden Gruppen Wahlalternative 2006 und Initiative Arbeit und soziale Gerechtigkeit zusammengeschlossen. Beide Gruppierungen waren im März mit der Idee an die Öffentlichkeit getreten, eine neue wählbare politische Alternative zu bilden. Seitdem haben dutzende lokale Versammlungen stattgefunden, an denen tausende Menschen teilgenommen haben. 3.000 haben den Aufruf der Initiative ASG unterschrieben, über 10.000 den Newsletter der Wahlalternative abonniert und dadurch ihr Interesse und ihre Unterstützung bekundet. Die Debatte geht weiter: Wie soll eine neue linke Partei aussehen? Welches Programm soll sie annehmen? Wie soll sie aufgebaut sein?
Die InitiatorInnen sind einerseits Gewerkschaftsfunktionäre und Noch-SPD-Mitglieder, andererseits vor allem ehemalige und Noch-PDS-Mitglieder. Dazu gehören unter anderem der Schweinfurter IG-Metall-Bevollmächtigte Klaus Ernst, Uwe Hiksch, ehemaliger PDS-Bundesgeschäftsführer, und linke Wissenschaftler, wie zum Beispiel Herbert Schui. Sie vollziehen eine Entwicklung nach, die ein großer Teil der abhängig Beschäftigten, Erwerbslosen und Jugendlichen schon hinter sich hat: sie wenden sich von SPD und PDS ab.
Das ist richtig und wichtig, denn SPD- und PDS-Führung haben durch ihre Regierungspolitik im Bund beziehungsweise auf Landesebene unter Beweis gestellt, dass sie für Sozialkahlschlag, Privatisierungen und Lohnraub stehen. Ihre Politik orientiert sich an den Profitinteressen der Banken und Konzerne, nicht an den Lebensinteressen der Mehrheit der Bevölkerung. Es ist längst überfällig, dass eine starke Partei gebildet wird, die die Interessen der Mehrheit gegen die Profitinteressen der Minderheit vertritt.
Dazu ist die Bildung der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit eine Chance. Doch nicht nur Ottmar Hitzfeld weiß, dass man Chancen auch vergeben kann.
Kämpfen oder wählen?
Auf einer Veranstaltung zum Thema in Berlin schloss sich Uwe Hiksch einem SAV-Vertreter an, der sagte, die neue Partei müsse zu 99 Prozent aus Kampf und zu einem Prozent aus parlamentarischer Tätigkeit bestehen. Ein solches Selbstverständnis wäre eine wichtige Grundlage für den Erfolg einer neuen Partei. Jedoch ist dies unter den InitiatorInnen umstritten.
Liest man viele ihrer Aussagen und Positionen, wird klar, dass sie in erster Linie eine wahlpolitische Perspektive haben. Gerne wird dann vom „parlamentarischen Arm sozialer Bewegungen“ gesprochen. Dies impliziert aber eine Trennung von Bewegung und parlamentarischer Vertretung, die es nicht geben darf.
Eine neue Partei muss sich zum Ziel setzen, Massen zu organisieren. Die Massen, die heute schon in Gewerkschaften und sozialen Bewegungen aktiv sind. Die Massen, die an den Großdemonstrationen vom 3. April teilgenommen haben. Und die Massen, die heute noch voller Wut und mit geballter Faust in der Tasche die Tagesschau ansehen.
Nur wenn dies gelingt, kann eine neue Partei mit Bewegungen und Kämpfen (also mit den ArbeiterInnen und Jugendlichen, die diese tragen) verschmelzen und wirklich politischer, und dann auch parlamentarischer Ausdruck, dieser Kämpfe und Bewegungen werden. Dazu muss sie selber Teil, und zwar vorwärtstreibender Teil, solcher Kämpfe werden. Das bedeutet auch in den Gewerkschaften für wirkliche Kampfmaßnahmen einschließlich Streiks einzutreten und das Co-Management konsequent abzulehnen.

Welches Programm?
Die neue Partei muss konsequent Partei ergreifen – für die abhängig Beschäftigten, die Erwerbslosen, SozialhilfeempfängerInnen, Jugendlichen und RentnerInnen. Sie muss aber auch die Interessen der Frauen und ImmigrantInnen und anderer im Kapitalismus diskriminierter Teile der Bevölkerung vertreten.
Oberstes Gebot muss sein, keine Maßnahmen zu unterstützen, die sich gegen die Interessen dieser Mehrheit richten: keine Kompromisse, wenn es um Sozialabbau, Lohnraub, Arbeitszeitverlängerung, Privatisierungen, Entlassungen, Abbau demokratischer Rechte und ähnliches geht!
Statt dessen sollte die neue Partei ein Programm von Forderungen aufstellen, das darauf abzielt, den vorhandenen gesellschaftlichen Reichtum für die Mehrheit der Bevölkerung nutzbar zu machen.

Zentrale Forderungen eines solchen Programms könnten sein:
– Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich
– Drastische progressive Besteuerung von Gewinnen und Vermögen
– Ein milliardenschweres öffentliches Investitionsprogramm in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Verkehr, Umwelt und Soziales
– Rückführung privatisierter Betriebe und Einrichtungen in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die Beschäftigten
– Für öffentliche und kostenlose Bildungs- und Gesundheitswesen
– Für eine Mindestsicherung von 750 Euro netto plus Warmmiete und einen Mindestlohn von 2.000 Euro beziehungsweise 12 Euro brutto pro Arbeitsstunde
– Drastische Abrüstung und Stopp der Auslandseinsätze der Bundeswehr

Die Umsetzung solcher Forderungen wäre eine Mindestvoraussetzung, um die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen und Schritte in Richtung soziale Gerechtigkeit zu erreichen.
Sie können nur durch eine massenhafte Bewegung der Arbeitenden und Erwerbslosen durchgesetzt werden. Massendemonstrationen, ziviler Ungehorsam, Streiks und Generalstreiks werden nötig sein, wenn wir dies erreichen wollen.
Aber im Rahmen der kapitalistischen Macht- und Eigentumsverhältnisse sind diese Forderungen nicht dauerhaft umzusetzen. Es ist nicht nur die Gier und Arroganz der Kapitalisten und ihrer Vertreter in den Regierungen und Parlamenten, die zu Sozialkahlschlag und Arbeitslosigkeit führen. Es ist die Logik und die Krisenhaftigkeit des Systems selber. Die sich permanent verschärfende Weltmarktkonkurrenz zwingt die Kapitalisten eines jeden Unternehmens dazu immer kostengünstiger zu produzieren – und Kosten sind aus Sicht des Kapitals vor allem die Beschäftigten.

Sozialismus?
Aus diesem Grund argumentiert die SAV dafür, dass eine neue Partei die kapitalistische Profitlogik nicht übernehmen darf und auf der Grundlage eines sozialistischen Programms agieren sollte.
Dem wird von den InitiatorInnen der Wahlalternative entgegen gehalten, es gehe darum eine möglichst breite Front gegen den Neoliberalismus zu schaffen und dabei auch bisherige AnhängerInnen der CDU / CSU einzubinden. Die Überwindung des Kapitalismus stehe nicht auf der Tagesordnung und antikapitalistische Verbalradikalität schrecke nur ab.
Dahinter steckt der Gedanke, im Rahmen des Kapitalismus, zumindest für eine gewisse Periode, den Neoliberalismus zurückzudrängen und soziale Reformen im Interesse der Beschäftigten und Erwerbslosen durchzusetzen. So heißt es in einem Papier der Wahlalternative: „Die entscheidende Frage ist nicht, ob eine politische Kraft den Kapitalismus abschaffen will, sondern welche Politik und Interessen sie hier und heute vertritt. Es geht darum, die vorherrschende sozial reaktionäre und aggressive Entwicklung des Kapitalismus aufzuhalten und eine andere Politik und Entwicklungsrichtung durchzusetzen. Voraussetzung dafür sind veränderte gesellschaftliche Kräfteverhältnisse, die auch neue soziale Kompromisse ermöglichen. Die Geschichte hat gezeigt, dass dies im Rahmen kapitalistischer Verhältnisse möglich, aber zugleich immer begrenzt und gefährdet ist.“
Diese Argumentation ist falsch, denn sie lässt außer acht, in welcher Phase sich der Kapitalismus befindet. „Soziale Kompromisse“, also soziale Errungenschaften, konnte sich die Arbeiterklasse entweder in kapitalistischen Aufschwungperioden erkämpfen oder sie waren Nebenprodukt revolutionärer Kämpfe, wie die Erkämpfung des Acht-Stunden-Tages als Produkt der deutschen Novemberrevolution. In der heutigen Strukturkrise der kapitalistischen Weltwirtschaft ist der ökonomische Spielraum für weitgehende und dauerhafte „soziale Kompromisse“ einfach nicht gegeben.
Es ist auch falsch zu behaupten, die Frage „welche Politik und Interessen sie hier und heute vertritt“ sei von der Frage des programmatischen Charakters und Selbstverständnisses einer Partei zu trennen. Letztlich stellt sich die Frage, ob man die kapitalistischen Macht- und Eigentumsverhältnisse, also den kapitalistischen Staat mit all seinen Institutionen und Gesetzen, die Marktwirtschaft und das Privateigentum an den Banken und Konzernen, als Rahmen der eigenen Politik betrachtet oder ob man bereit ist, über diesen Rahmen hinaus zu gehen.
Zwei Beispiele: Die Beschäftigten des Waggonbauers Bombardier in Halle (Saale) kämpfen gegen die Schließung ihrer Fabrik. Diese ist wahrscheinlich nur dauerhaft zu retten, wenn die Eigentümer enteignet werden und der Betrieb in öffentlicher Hand fortgeführt wird. Gleichzeitig wäre es nötig einen Produktionsplan aufzustellen, der auf öffentlichen Investitionen im Verkehrswesen beruht. Im Rahmen des Kapitalismus: nicht machbar.
Zweites Beispiel: Berlin ist pleite. Die Banken verdienen sich dumm und dämlich an den Zinszahlungen des Landes. Der Senat garantiert die Gewinne für die Investoren bestimmter Fonds bei der Bankgesellschaft, die Zeche zahlt die Allgemeinheit durch Sozialkürzungen und Lohnraub im öffentlichen Dienst. Ein Ausweg aus dieser Situation ist nur denkbar, wenn die Macht der Banken gebrochen wird. Die Zinszahlungen müssten eingestellt werden, die Banken in öffentliches Eigentum überführt werden.
Sozialistische Politik bedeutet nicht nur die Perspektive einer grundlegenden Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu haben, sondern auch und insbesondere hier und heute entschieden und konsequent die Interessen der Lohnabhängigen und Erwerbslosen zu vertreten und sich in keiner Situation auf die kapitalistische Logik einzulassen. Die Notwendigkeit hier und heute mit kapitalistischen Prinzipien zu brechen ergibt sich aus den zu führenden Kämpfen.

Was schreckt ab?
Die jahrzehntelange Präsentation der stalinistischen Diktaturen in Russland und der DDR als „real existierendem Sozialismus“ hat den Sozialismus in den Augen vieler Menschen diskreditiert. Natürlich gibt es heute noch keine Mehrheit in der arbeitenden Bevölkerung für „den Sozialismus“.
Das bedeutet aber nicht, dass sozialistische Parteien keine große Unterstützung gewinnen können. Viele internationale Erfahrungen sprechen eine andere Sprache: die niederländische Sozialistische Partei hat zehntausende Mitglieder gewonnen und ist im Parlament vertreten. Die Schottische Sozialistische Partei hat bei den letzten Wahlen sechs Prozent erzielt. In Frankreich haben bei den Präsidentschaftswahlen im vorletzten Jahr verschiedene KandidatInnen trotzkistischer Organisationen zusammen zehn Prozent der Stimmen erreicht. In Dublin (Irland) wurde Joe Higgins als Kandidat der dortigen Schwesterpartei der SAV ins nationale Parlament gewählt.
Wenn die KollegInnen in den Betrieben, die MieterInnen in den Stadtteilen, die Studierenden an den Hochschulen die Erfahrung machen, dass es die SozialistInnen sind, die Seite an Seite mit ihnen kämpfen und ihre Forderungen unterstützen, dann werden sie auch bereit sein, sie zu unterstützen, bevor sie selber zu überzeugten SozialistInnen geworden sind.

Offene Debatten nötig
Die InitiatorInnen der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit haben unmissverständlich deutlich gemacht, dass sie keine sozialistische Partei gründen wollen – und das, obwohl sich viele von ihnen selber als SozialistInnen verstehen. Das ist ein Fehler. Die Akzeptanz der Marktwirtschaft erhöht die Gefahr, dass eine neue Partei den selben Weg geht, wie SPD, Grüne und PDS.
Die SAV tritt für eine offene und demokratische Debatte über das Programm der neuen Partei ein. Aufgabe von SozialistInnen in einer solchen Debatte ist es, geduldig zu erklären, was ein sozialistisches Programm bedeutet und wie dafür Unterstützung zu gewinnen ist. Gleichzeitig ist die Annahme eines sozialistischen Programms für die SAV keine Bedingung für unsere konstruktive Mitarbeit in einer neuen Partei, wenn diese tatsächlich keine Neuauflage der Vor-Agenda-2010-SPD wird, wenn sie kämpferisch ist und wichtige Teile der AktivistInnen und der Arbeiterklasse organisiert.
von Sascha Stanicic, Berlin

Good bye, Gregor
PDS – Über das Scheitern einer trügerischen Hoffnung

Lothar Bisky, PDS-Bundesvorsitzender, und Gregor Gysi, immer noch bekanntester PDS-Politiker, können sich trösten: Die PDS hat es geschafft, sie hat die Aufholjagd an die SPD fast gewonnen. Zwar nicht hinsichtlich der Wahlergebnisse, aber zumindest hinsichtlich der prozentualen Verlustraten bei der Mitgliederentwicklung. Alleine im ersten Quartal 2004 verlor die PDS alleine durch Austritte schätzungsweise rund 1.800 Mitglieder. Bereits im letzten Jahr verließ nahezu die gesamte „Arbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft“ des Düsseldorfer PDS-Kreisverbandes die Partei, in Bremen trat faktisch fast der gesamte ehemalige Landesvorstand aus.
Überraschen kann diese Entwicklung nicht, ebenso wenig, dass die PDS bei den brandenburgischen Kommunalwahlen rund 42 Prozent der WählerInnen verloren hat und auch bei den Wahlen in Hamburg dort, wo sie unter eigenem Namen antrat, völlig unterging.
Die PDS verliert nicht nur in immer größerem Ausmaß Mitglieder, sie wird von den Menschen, die immer stärker in Bewegung geraten und auf der Suche nach einer Alternative sind, nicht als eine solche zu den herrschenden neoliberalen Einheitsparteien angesehen.

Antikapitalistisch?
Entgegen allen Wünschen und Hoffnungen vieler, die in und bei der PDS aktiv waren, war die PDS nie eine tatsächliche grundlegende Alternative zu den Parteien der Banken und Konzerne. Sicher gab es, gerade in den ersten Jahren und gerade in den westlichen Verbänden, positive Ansatzpunkte. Gleichwohl hatte die Partei zu keinem Zeitpunkt einen klaren Bruch mit ihrer SED-Vorgängerpartei und auch nicht mit dem kapitalistischen System vollzogen.
Das neue Programm bringt es noch deutlicher als das alte zum Ausdruck: Für die PDS ist der Sozialismus, also eine sozial gerechte und emanzipatorische Gesellschaft, keine Alternative zur kapitalistischen, auf Ausbeutung und Ausgrenzung beruhenden Gesellschaft. Für sie ist Sozialismus eine nebulöse „Vision“, eine schwammige „Bewegung“ innerhalb des Kapitalismus – aber nicht um ihn zu überwinden, sondern um ihn „humaner zu gestalten“. Gleichzeitig bekennt sie sich zu „unternehmerischem Handeln“ und dazu, dass „alle sparen müssen“, also auch Sozialhilfeberechtigte, RentnerInnen, Beschäftigte, Erwerbslose und so weiter.
Regierungspolitik
Diese programmatische Ausrichtung findet ihre praktische Auswirkung in der realen PDS-Politik. Die Politik der PDS in der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern und vor allem im Berliner Senat ist logisch, konsequent und folgerichtig im Sinne ihres eigenen Programms, das in der Logik des Kapitalismus verhaftet ist und diese bejaht. Gerade in Berlin ist die PDS heute zu einem Synonym für Sozialraub geworden – Kürzung des Blindengeldes um 30 Prozent, Streichung des Sozialtickets im öffentlichen Personennahverkehr, Kita-Gebührenerhöhungen, Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst bei gleichzeitiger Lohnkürzung sind die Ergebnisse des SPD/PDS-Senats, bei gleichzeitiger Risikoabsicherung für Spekulanten („Schweinefondsbesitzer“).

Innerparteiliche Opposition?
Der zweite wichtige Aspekt ist, dass in der PDS in der Realität nicht die Mitglieder das Sagen haben, sondern der bürokratische Apparat der hauptamtlichen Funktionäre, ein „Küchenkabinett“ weniger „führender Funktionäre“ – ohne demokratische Legitimation und Kontrolle durch die Basis. Sie lenken die Partei an der Basis vorbei und kontrollieren die Medien und Informationsmöglichkeiten innerhalb der Partei.
Ein grundlegender Kurswechsel ist nicht zu erwarten. Die letzten Parteitage, ob im Bund oder zum Beispiel in Berlin, haben gezeigt, dass die Parteispitze sicher im Sattel sitzt. Kritische Mitglieder wenden sich individuell von der PDS ab. Die Opposition ist zu schwach und perspektivlos, um einen entschlossenen Kampf gegen die heutige Ausrichtung aufzunehmen.
Aufgrund ihrer inneren Verfasstheit, ihrer programmatischen Ausrichtung und ihrer politischen Praxis bietet die PDS den Menschen keine Perspektive. Im Kampf für eine gerechtere Gesellschaft hat sie keine Alternativen zu den herrschenden Zuständen und verfügt über keine Strategien zu deren Veränderung.
von Jörg Fischer, Köln

Warum wir die SAV aufbauen
Über das Verhältnis der SAV zur neuen Linkspartei

Seit Mitte der neunziger Jahre tritt die SAV für den Aufbau einer neuen Partei für die arbeitende und erwerbslose Bevölkerung ein. Schon zu diesem Zeitpunkt, lange vor dem Amtsantritt der Schröder-Fischer-Regierung, der rot-grünen Kriegsbeteiligung und der Agenda 2010 waren wir der Meinung, dass wirkliche Veränderungen im Interesse der Lohnabhängigen mit der SPD und in der SPD nicht mehr zu machen sind.
Für uns stellte die PDS ebenfalls keinen Ansatzpunkt für eine gesamtdeutsche Partei dar, die konsequent für Beschäftigte, Erwerbslose, Jugendliche und RentnerInnen Partei ergreift und gemeinsam mit ihnen gegen die neoliberale Kürzungsorgie ankämpft.
Die Zukunft der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit ist offen. Die SAV bringt sich aktiv in die Debatten über politische Ausrichtung, Programmatik und Aufbaufragen ein. Falls dieses Projekt relevante Kräfte unter ArbeitnehmerInnen und Jugendlichen anspricht und einbezieht, dann werden sich SAV-Mitglieder in einer solchen neuen Formation engagieren. Gleichzeitig werden wir aber weiterhin die SAV aufbauen und diese Arbeit mit aller Kraft fortsetzen.
Für die SAV besteht der Ausgangspunkt unserer Politik in der Erkenntnis, dass die kapitalistischen Grundwidersprüche Ursache der heutigen brennenden Probleme sind.
Alle etablierten Parteien versprechen uns vor der Wahl, die Arbeitslosigkeit zu senken, die Lebensbedingungen zu verbessern und der Umweltzerstörung Einhalt zu gebieten. Nach der Wahl entpuppen sich diese Ankündigungen als leere Versprechen. Wir erleben sogar das Gegenteil, ganz gleich welche Partei die Regierungsgeschäfte übernimmt.

Kapitalismus
Das hat System. Das System heißt Kapitalismus. Dieses Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, das immer Ausbeutung und soziale Ungerechtigkeit bedeutet, steckt heute weltweit in einer tiefen Krise. Die SAV ist davon überzeugt: Erst wenn die kapitalistische Marktwirtschaft überwunden ist, werden Massenarbeitslosigkeit, Armut, Kriege und der Raubbau an der Natur der Vergangenheit angehören.
Um Profitstreben und Marktkonkurrenz zu beseitigen, müssen Wissenschaft und Technik planmäßig und den Interessen von Mensch und Umwelt entsprechend eingesetzt werden. Das wird nur zu verwirklichen sein, wenn die Wirtschaft von der großen Mehrheit der Bevölkerung kontrolliert wird.
Kontrollieren lässt sich allerdings nur das, was einem gehört. Aus diesem Grund tritt die SAV für die Überführung der Banken und Konzerne in Gemeineigentum bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitenden Menschen ein. An die Stelle der Marktwirtschaft sollte eine demokratische (nicht eine, wie im Ostblock, von einer privilegierten Clique beherrschte bürokratische) Planwirtschaft treten.

Sozialistische Planwirtschaft
Um den Kapitalismus abzuschaffen und um eine sozialistische Demokratie zu erkämpfen, bedarf es einer revolutionär-sozialistischen Partei, die eine Massenbasis unter ArbeiterInnen und Jugendlichen hat. Das ist das Ziel, das sich die SAV auf die Fahnen geschrieben hat. Gemeinsam mit unseren Schwesterorganisationen, mit denen wir im CWI (englische Abkürzung für Komitee für ein Arbeiterinternationale) organisiert sind, wollen wir international solche Parteien aufbauen.
Wir kämpfen gegen ganz konkrete Verschlechterungen und engagieren uns aktiv für Reformen im Interesse der Masse der Bevölkerung. Allerdings zeigt die ganze Geschichte der Arbeiterbewegung, dass der Kapitalismus nicht über Reformen, sondern nur auf revolutionäre Weise gestürzt werden kann – um den Weg frei zu machen für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft.
Wir gehen nicht davon aus, dass die Mehrheit von ArbeitnehmerInnen, Jugendlichen und sozial Benachteiligten schon in der nächsten Zeit für ein solches revolutionär-sozialistisches Programm zu gewinnen ist (allerdings wird die Unterstützung für diese Ideen in den kommenden Jahren – im Zuge des Niedergangs des Kapitalismus und verschärfter Klassenkämpfe – deutlich zunehmen und kann Einfluss gewinnen). Vielmehr erwarten wir, dass immer mehr Beschäftigte und Erwerbslose erstmal offen sind für eine neue Partei, die anders als die etablierten Parteien ihre Interessen vertritt – in der aber verschiedene Ideen vorgebracht und diskutiert werden. Die Resonanz auf die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit und der Diskussionsbedarf darüber auf den Demos am 3. April oder am 1. Mai geben einen kleinen Hinweis darauf.

Neue Massenpartei
Eine neue Massenpartei für lohnabhängig Beschäftigte und Erwerbslose wäre ein großer Fortschritt, selbst wenn diese am Anfang nicht für ein sozialistisches Programm eintreten würde. Endlich könnte sich die arbeitende Bevölkerung unabhängig vom bürgerlichen Establishment politisch organisieren, kandidieren, Proteste vernetzen und Kämpfe führen. In einer solchen Partei könnten auch die Debatten über Ideen und Programme, darunter auch über die Frage der sozialistischen Alternative, intensiviert werden. Aus diesen Gründen würde sich die SAV daran aktiv beteiligen. Das ersetzt aber noch keine revolutionär-sozialistische Partei.
Die SAV tritt für den Aufbau einer neuen Arbeiterpartei ein. Gleichzeitig setzen wir alles daran, die SAV weiter zu stärken. Je einflussreicher konsequente, sozialistische Kräfte bei der Entstehung einer neuen Arbeiterpartei sind, desto besser sind die Entwicklungsmöglichkeiten für eine solche Formation. Je klarer Analyse, Programm und Politik, je stärker Kampf- und Kampagnenbereitschaft gegen die bestehenden Verhältnisse, desto größer die Erfolgsaussichten.

von Aron Amm, Berlin

Internationale Erfahrungen beim Aufbau einer neuen Arbeiterpartei
Der Kampf um eine Alternative zu Blairs New Labour

Europaweit betreibt die Sozialdemokratie heute Sozialkahlschlag. Ist es vor diesem Hintergrund möglich, eine neue politische Kraft zu schaffen? Diese Frage stellt sich derzeit in vielen Ländern. In England und Wales hat es bereits mehrere Versuche gegeben. Leider hat bisher keiner der Versuche dazu geführt, eine substanzielle und einflussreiche Alternative aufzubauen. Für die Diskussion in Deutschland kann es deshalb nur von Vorteil sein, aus den Erfahrungen in England und Wales zu lernen.
Der jüngste Versuch besteht in Form der Respect Unity Coalition, die bei den Europawahlen und bei den Londoner Bürgermeisterwahlen eine Wahlalternative zu New Labour anbietet. Sie formiert sich in der Hauptsache um den wegen seiner Antikriegshaltung aus New Labour ausgeschlossenen Parlamentsabgeordneten George Galloway, den Globalisierungskritiker Monbiot, muslimischen Organisationen und die Socialist Workers Party (Schwesterorganisation von Linksruck).
Grundsätzlich hat die Socialist Party (Mitglied im Komitee für eine Arbeiterinternationale, CWI) diesen Schritt mit großem Interesse verfolgt, da das Potenzial für eine neue Arbeiterpartei in England und Wales in den vergangenen Jahren enorm gewachsen ist. Insbesondere Blairs bedingungslose Unterstützung für den Irakkrieg sowie die Erhöhung von Studiengebühren haben dazu geführt, dass er bei weiten Teilen der Bevölkerung vollständig diskreditiert ist.

Respect
Problematisch ist die programmatische Ausrichtung von Respect. So konzentriert sich Respect nicht darauf, ein politisches Angebot an GewerkschafterInnen und andere von Blairs neoliberaler Politik Betroffene zu richten. Darüber hinaus orientiert Respect sogar auf muslimische Organisationen. Es ist richtig, dass es insbesondere nach dem 11. September eine verstärkte Hetzkampagne gegen MuslimInnen gegeben hat, der die Linke entschlossen entgegentreten muss. Das sollte jedoch kein Grund dafür sein, sich opportunistisch konservativen muslimischen Organisationen anzubiedern.
In Preston kandidiert ein ehemaliger Labour-Stadtrat auf der Respect-Liste, der zuvor die Privatisierung von städtischen Wohnungen durchgeführt hat. Für die Mieter dieser Wohnungen wird das keine Ermutigung sein, Respect zu wählen.
In vielen Gewerkschaften finden derzeit Diskussionen statt, sich von New Labour zu lösen (in England, Wales und Schottland sind die Gewerkschaften organisch mit der Labour Party verbunden und zahlen Mitgliedsbeiträge an sie). In Schottland haben sich bereits einige Gewerkschaftsgliederungen der Scottish Socialist Party angeschlossen. Das ist ein historisch wichtiger Schritt. George Galloway bezieht zu diesem Loslösungsprozess von Labour jedoch keine eindeutige Stellung, was den Prozess verlangsamt.
Ein weiterer Grund für die Skepsis der Socialist Party gegenüber Respect besteht in den Erfahrungen mit der SWP in der Socialist Alliance. Ende der neunziger Jahre hatte die Socialist Party die Initiative ergriffen, Sozialistische Bündnisse/Allianzen zu gründen. Die örtlichen Sozialistischen Allianzen, die auch auf nationaler Ebene eine Struktur bekamen, sollten die Kräfte auf der Linken bündeln, aber vor allen Dingen auch ein Angebot an diejenigen sein, die wütend über die neoliberale Politik der Blair-Regierung sind. Nachdem sie zunächst gar nicht in der Socialist Alliance vertreten war, stand die SWP nach ihrem Eintritt für eine „top-down“ Herangehensweise. Durch ihre zahlenmäßige Überlegenheit gelang es ihnen das Bündnis zu dominieren und es in eine Socialist-Workers-Party-Frontorganisation zu verwandeln.
Die SWP hat ihre Herangehensweise bei Respect nicht geändert. Wir wurden zunächst nicht mal zu Gesprächen eingeladen, obwohl die Socialist Party mit fünf Stadträten in Coventry und London-Lewisham die einzige sozialistische Kraft in England und Wales mit parlamentarischer Vertretung ist. In Coventry organisierte Respect eine Veranstaltung, ohne die Stadträte der Socialist Party einzuladen. Dabei hätten diese durch ihren Bekanntheitsgrad und ihr Ansehen dazu beitragen können, der Veranstaltung zu einem größeren Erfolg zu verhelfen.

Erfolge für SozialistInnen
Dass ein konsequentes sozialistisches Programm Zustimmung findet, zeigen gerade die letzten Wahlerfolge der Socialist Party. In Coventry wird die Socialist Party seit mehreren Jahren mit jedes Mal verbesserten Stimmenergebnissen wiedergewählt. Voraussetzung für diese Wahlerfolge in London und Coventry ist eine konsequente Kampagnentätigkeit mit AnwohnerInnen gegen kommunale Kürzungen. Wenn SozialistInnen gemeinsam mit Beschäftigten, MieterInnen oder von Schließung ihrer Einrichtungen Betroffenen Widerstand leisten, effektive Kampfvorschläge machen und mit umsetzen, dann stellt der Sozialismus-Begriff im Parteinamen und im Programm kein Hindernis dar. Im Gegenteil. In der realen Auseinandersetzung steigt das Interesse, die Frage von grundlegenden Alternativen zum kapitalistischen System und seinen Folgen zu diskutieren. Das hilft zum einen, dem konkreten Kampf eine Perspektive zu geben und zum anderen, über diesen Konflikt hinaus eine Vorstellung zu haben, worauf hingearbeitet werden muss.
In England und Wales haben sich bislang erfolgsversprechende Ansätze für eine politische Alternative zu New Labour hinausgezögert. Dennoch wird diese Notwendigkeit immer klarer gesehen. Das zeigt sich nicht zuletzt an einem Aufruf aus Liverpool: Von 1983 bis ’87 gab es dort einen sozialistischen Stadtrat (CWI-Mitglieder hatten die dortige Labour Party für marxistische Positionen gewonnen), der die Sozialausgaben massiv steigerte, die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst bei vollem Lohn- und Personalausgleich senkte und dafür die Stadt gegen die konservative Thatcher-Regierung mobilisierte. Diese ehemaligen 47 sozialistischen Stadträte von Liverpool haben sich mit den Liverpooler Hafenarbeitern, die Mitte der neunziger Jahre einen jahrelangen Kampf von internationaler Bedeutung organisierten, zusammengetan. Gemeinsam rufen sie zum Aufbau einer neuen sozialistischen Arbeiterpartei auf.
von Tanja Niemeier, London