NATO im Konflikt

Die North Atlantic Treaty Organisation ist niemals ein Verteidigungsbündnis gewesen. Seit ihrer Gründung im Jahre 1949 bestand die Aufgabe der NATO darin, die gemeinsamen politischen und wirtschaftlichen Interessen der Banken und Konzerne ihrer Mitgliedsstaaten auf außenpolitischem Gebiet durch militärische Stärke zu unterstützen oder durchzusetzen.

von Johannes Bauer, Köln

Während des Kalten Krieges, als die Weltpolitik vom Gegensatz der beiden Supermächte USA und Sowjetunion bestimmt wurde, wurde die Option des atomaren Erstschlags zur Militärdoktrin für das gesamte Bündnis. Bis heute ist das dominierende NATO-Land USA das einzige Land, das während eines Krieges Atomwaffen zum Einsatz brachte.
Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, geriet die NATO in eine Rechtfertigungskrise. Das Feindbild, das die westliche Propaganda über Jahrzehnte aufgebaut hatte, existierte nicht mehr.
Im Jahre 1991 erweiterte die NATO auf ihrer Konferenz in Rom ihren Aufgabenbereich offiziell. Damals verrieten viele Formulierungen des Vertragstextes noch Unsicherheiten in der Einschätzung der kommenden historischen Periode. Im Konzept von Rom fand sich aber auch der Hinweis auf eine Bedrohung durch ?die Unterbrechung der Zufuhr lebenswichtiger Ressourcen? (Rom, Ziffer 10-13).
Auf der NATO-Jubiläumskonferenzkonferenz von Washington 1999 wurde diese Stoßrichtung fortgesetzt.

Krieg gegen Serbien

1999 wurde der Krieg gegen Jugoslawien von der NATO geführt. Dies wurde für die NATO-Staaten notwendig, nachdem die Wiedereinführung des Kapitalismus zum Aufbrechen Jugoslawiens entlang nationalistischer Linien und zu barbarischen Zuständen geführt hatte. Die deutsche Regierung unterstützte verschiedene Teile der ehemaligen stalinistischen Bürokratie, die auf Nationalismus setzten. Der IWF setzte die Wirtschaft Jugoslawiens massiv unter Druck. Erst als die blutigen Zustände außer Kontrolle zu geraten drohten, griffen die NATO-Staaten ein ? um Friedhofsruhe herzustellen.

Konflikte in der NATO

Ende der neunziger Jahre zeigten sich erstmals Risse in der Außendarstellung der NATO. Hervorgerufen wurden diese Spannungen durch die unterschiedlichen wirtschftlichen Bedürfnisse der wichtigsten NATO-Staaten. Während des Kalten Krieges blieben diese unter der Oberfläche verborgen oder wurden von gemeinsamen Interessen überlagert.
Die deutschen Herrschenden leiteten nach der Wiedervereinigung aus der wirtschaftlichen Rolle Deutschlands mehr und mehr politischen Führungsanspruch in Europa ab, der nicht mehr von der verschämten Bescheidenheit nach den verlorenen Weltkriegen gebremst wurde.
Frankreich und Deutschland sind die treibenden Kräfte hinter den geplanten europäischen Interventionstruppen; die Bundeswehr selbst wird zur Interventionsarmee umgerüstet und soll weltweit zum Einsatz kommen.
Auf dem letzten NATO-Gipfel, der von starken Protesten aus der Bevölkerung begleitet im November 2002 in Prag stattfand, wurde aber außerdem die Gründung einer 21.000 Mann starken NATO-Response-Force beschlossen, die die NATO in die Lage versetzen soll, innerhalb weniger Tage an jedem Ort der Erde militärisch eingreifen zu können.
Dieses Projekt steht in Konkurrenz zu den unabhängigen europäischen Bestrebungen, da es ein Großteil der dafür zur Verfügung stehenden Mittel beanspruchen würde.
Auf dem Prager Gipfel waren die Spannungen innerhalb der NATO so deutlich sichtbar wie niemals zuvor. Der amerikanische Verteidigungsminister Rumsfeld sagte, dass in Zukunft die Mission das Bündnis bestimmen werde, und nicht umgekehrt. Er machte damit deutlich, dass die US-Amerikaner die NATO mit ihren derzeit 19, bald aber schon 26 Mitgliedsländern nicht um ihre Zustimmung für militärische Operationen bitten werde.
Die Interessen der Herrschenden der führenden NATO-Staaten gehen ausein-ander. Die Rolle der NATO könnte deshalb sinken. In ihren Reihen wird die NATO dann aber immer noch die weltweiten Kriegstreiber führen. In München bei der NATO-?Sicherheits?-Tagung Anfang Februar wird diese Welt-Kriegs-Elite beisammen sitzen.