Krise, Krach, Kahlschlag…

…und Klassenkonflikte

Gerade mal zwei Monate nach der Vereidigung der nur mit extrem knapper Mehrheit im Amt best?tigten rot-gr?nen Bundesregierung drohte Kanzler Schr?der seinen R?cktritt an. Im SPD-Parteivorstand erkl?rte Schr?der am 10. Dezember: ?Wer glaubt, dass er es besser kann, der soll es machen.? Eine Woche zuvor hatte er sich bereits lautstark ?ber die ?Kakophonie? (Misskl?nge) in der Koalition beklagt.
Wirtschaftskrise, Pleiten- und Entlassungswelle, Rekordverschuldung, Finanzkollaps der L?nder und Kommunen, Warnstreiks und Streikvorbereitungen im ?ffentlichen Dienst, Demonstrationen und Proteste gegen Aufr?stung und Kriegspl?ne. In den Betrieben und Gewerkschaften, an Schulen und Universit?ten g?rt es. Gleichzeitig befinden sich Regierung und Kapital im offenen Konflikt ?ber ein einheitliches Vorgehen. Es ist mehr als fraglich, ob die Bundesregierung diese Legislaturperiode ?berstehen wird. Noch nie zuvor in der Geschichte der BRD ist eine Regierung in so kurzer Zeit so tief ins Schlamassel geraten.

von Aron Amm, Berlin
 
Nachdem die ArbeiterInnen und Jugendlichen in Italien, Spanien und anderen Teilen von Europa in den letzten zw?lf Monaten eindrucksvoll die B?hne des Klassenkampfes wieder betreten haben, beschleunigt sich auch in Deutschland die Klassenpolarisierung. Der heutigen abgehobenen und privilegierten Gewerkschaftsf?hrung wird es immer weniger gelingen, die Kampfbereitschaft im Zaum zu halten und Gegenwehr abzuw?rgen. Schon in der laufenden Tarifrunde im ?ffentlichen Dienst sahen sich Bsirske und Co. gezwungen, klassenk?mpferische T?ne anzuschlagen und mussten die Weichen auf Streik stellen.


Wirtschaftskrise

„Wenn mehr Jungen als M?dchen geboren werden, sagten fr?her die Alten, dann gibt es Krieg. Wenn die Theater Brecht spielen, dann ist: Krise. Derzeit erlebt der Mann der Zigarre, der vor ein paar Jahren, zum 100. Geburtstag zu Tode abgefeiert schien, eine kr?ftige Renaissance“ (Theaterkritiker R?diger Schaper im Feuilleton des Berliner Tagesspiegels vom 16.12.02).
Im kommenden Jahr wird die deutsche Wirtschaft bei der Steigerung des Bruttoinlandsproduktes zum vierten Mal in Folge Schlusslicht in der Europ?ischen Union sein. Die Talfahrt auf dem B?rsenparkett stellt die Einbr?che in allen anderen f?hrenden Industriestaaten in den Schatten: Von Januar bis Oktober b??te der Deutsche Aktienindex (Dax) 48 Prozent ein; auch wenn der Dax sich seitdem leicht erholte, konnte er diese Verluste bis Dezember bei weitem nicht wieder wett machen.
Seit mehr als zwei Jahren schrumpfen die Investitionen in Deutschland. 2001 brach mit dem Konsumsektor die zweite S?ule des Aufschwungs ein. Einzig der Au?enhandel hat die stagnierende deutsche Wirtschaft bislang von einer tiefen Rezession bewahrt. Ein Drittel der BRD-Wirtschaft h?ngt am Tropf des Exportmarktes. In der Autoindustrie mit 750.000 Besch?ftigten sind es sogar 70 Prozent. Damit ist die BRD in besonderem Ma? von der US-Konjunktur abh?ngig.
Nachdem die deutsche Wirtschaft bereits letztes Jahr eingebrochen war, droht in diesen Monaten ein erneuter Absturz in die Rezession. Die Industrieproduktion ging im Oktober um 2,1 Prozent zur?ck (das gr??te Minus seit M?rz 2001), nachdem die Produktion bereits im September geschrumpft war. F?r das vierte Quartal wird mittlerweile ein ?Minuswachstum? in der Industrie erwartet. ?Immer mehr Volkswirte haben daher f?r die ersten sechs Monate des kommenden Jahres alle Hoffnungen aufgegeben. Bis Mitte 2003 stehe Deutschland bestenfalls vor einer Phase der Stagnation, die durchaus in einen neuen Abschwung m?nden k?nne. ?Von einer neuen Rezession ist Deutschland nicht mehr besonders weit entfernt?, sagt denn auch Robert Prior von der HSBC Group? (Handelsblatt vom 10.12.02).
Vor diesem Hintergrund werden im Jahr 2003 42.000 Firmenkonkurse erwartet. Schon in diesem Jahr gingen 37.000 Unternehmen bankrott, darunter Gro?unternehmen wie Kirch Media, Babcock, Fairchild Dornier und Herlitz. 650.000 Besch?ftigten kostete diese Pleitenwelle der Arbeitsplatz. Bei der Telekom sollen 54.000 Arbeitspl?tze abgebaut werden, bei der Bahn stehen 36.000 Stellen zur Disposition, Siemens plant weltweit 35.000 Jobs zu vernichten, Alcatel-SEL will in den n?chsten zwei Jahren 10.000 Besch?ftigte loswerden… Seit der Rezession Mitte der siebziger Jahre in Westdeutschland verdoppelte sich die Arbeitslosigkeit in der BRD in jeder Wirtschaftskrise.
„In den dunklen Wochen des Herbstes 2002 macht sich Angst vor der Deflation breit. Dieses ?konomische Krankheitsbild wird zu Recht als bedrohlich angesehen. In seiner Extremform, der Gro?en Depression, hat es in der deutschen Geschichte eine furchtbare Spur hinterlassen. Aber auch weniger starke Auspr?gungen sind sehr ernst zu nehmen. So ist die japanische Wirtschaft 1999 in die Deflation geraten, und sie hat sich davon ? trotz massiver wirtschaftspolitischer Therapieversuche ? bis heute nicht davon erholen k?nnen“ (Peter Bofinger und Heiner Flassbeck in der FAZ vom 30.11.02). Ausgel?st werden k?nnte eine deflation?re Spirale durch eine Kombination von dramatisch reduzierter Investitionst?tigkeit, einbrechender kaufkr?ftiger Nachfrage und Sparorgie des Staates. Deflation als Krisenzustand bedeutet ein allgemeiner Preisverfall: sinkende Gewinne, sinkende L?hne, sinkende Preise…
Die ?konomische Talfahrt der BRD, die zwanzig Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) der gesamten EU erwirtschaftet, gef?hrdet inzwischen ernsthaft die Zukunft der Europ?ischen W?hrungsunion. Die Neuverschuldung liegt in diesem Jahr deutlich ?ber der im Rahmen des EU-Stabilit?tspaktes vorgegebenen Grenze von drei Prozent gemessen am BIP. Im n?chsten Jahr w?rde diese Vorgabe nur bei einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent eingehalten werden, ein Wachstum, das mittlerweile alle Konjunkturforschungsinstitute f?r illusorisch halten. Nicht nur bei der Neuverschuldung sondern auch bei der Staatsverschuldung verst??t die Bundesregierung jetzt gegen die Konvergenzkritierien. Nach Griechenland, Italien und Belgien t?rmt Deutschland als vierter EU-Staat einen Schuldenberg von mehr als der maximal zugestandenen 60 Prozent vom BIP auf (die addierten Schulden belaufen sich 2002 auf 62 Prozent). Im Zuge des kapitalistischen Niedergangs hat sich die Staatsverschuldung in Deutschland, massiv zus?tzlich belastet durch die Kosten der Wiedervereinigung, in den neunziger Jahren auf 1,2 Billionen Euro weit mehr als verdoppelt. Von diesem Schuldenberg rollt bereits eine Lawine auf die SteuerzahlerInnen zu, 170 Millionen Euro Tag f?r Tag ? nur f?r Zinsen. In Anlehnung an das Bild vom „kranken Mann am Bosporus“ Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts schrieb die Financial Times am 17. November 2002 schon vom „kranken Mann in Berlin“.
?Das Geld ist nicht weg ? es ist ?nur? woanders?, war auf einem selbstgemalten Schild beim ersten Berliner Warnstreik anl?sslich der Tarifrunde im ?ffentlichen Dienst am 11. Dezember zu lesen. BMW beispielsweise verbuchte als gr??ter Industriekonzern M?nchens im vorletzten Jahr 1,1 Milliarden Euro Nettogewinn; gleichzeitig ist M?nchen bankrott. Angesichts massiver Zerfallserscheinungen ist nicht nur im Bund, sondern auch in L?ndern und Gemeinden „Sparen um jeden Preis“ – auf Kosten der arbeitenden Menschen – angesagt. So plant ein Landkreis wie Offenbach „nach britischem Vorbild“ 88 Schulen von privaten Firmen betreiben zu lassen und auf diesem Weg unter anderem die Ausgaben f?r die ?ffentlich Besch?ftigten r?cksichtslos zu reduzieren.

Regierungskrach

Noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik hat eine Regierung in den ersten 100 Amtstagen in solch einem dramatischen Ausma? an Unterst?tzung verloren: Laut Meinungsforschungsinstitut Forsa vom 4. Dezember w?rde die Sozialdemokratie nur noch 27 Prozent bekommen, wenn am n?chsten Sonntag Bundestagswahlen w?ren (bei den Wahlen am 22. September erhielten sie noch 38 Prozent der Stimmen). ?Die Gerd-Show? des Gerd Schr?der-Stimmenimitator Elmar Brandt belegt seit Wochen die obersten Pl?tze in den deutschen CD-Charts. ?Ich bin froh, wieder in Berlin unter der K?seglocke zu sein, im Wahlkreis werde ich ja nur beschimpft?, so dr?ckte der SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Grotthaus aus Oberhausen den Zorn in den Wahlkreisen aus (Spiegel vom 9.12.02). 40 Prozent derjenigen, die im September SPD gew?hlt haben, w?rden heute den Wahlurnen fernbleiben ? damit h?tte eine Abkehr von den Sozialdemokraten keinen gr??eren Zulauf f?r die Christdemokraten zur Folge.
Neben Hessen stehen am 2. Februar 2003 Landtagswahlen in Niedersachsen an. „Geht in der aktuellen Lage auch noch das Kanzler-Heimatland verloren, schrillen in Berlin die Alarmglocken. Schr?der m?sste sich darauf einrichten, den Rest der Legislaturperiode gegen einen unionsdominierten Bundesrat ank?mpfen zu m?ssen. Nicht wenige in der Hauptstadt glauben deshalb, dass Schr?der in diesem Fall gleich bei CDU/CSU anklopfen und zur Durchsetzung der noch notwendigen Reformen eine Gro?e Koalition versuchen w?rde“ (Handelsblatt vom 13.12.02).
Wachsende Teile der Arbeiterklasse sind inzwischen vom Krisenbewusstein erfasst. L?ngst macht sich eine Stimmung breit, vom politischen Establishment im allgemeinen und von SPD und Gr?nen im besonderen belogen und betrogen worden zu sein.
Die Regierung Schr?der/Fischer hat sich nicht nur in der Innenpolitik (in der Frage der leeren Staatskassen und des steigenden sozialen Fiebers) in die Krise geritten, sondern auch in der Au?enpolitik. Auch wenn Rot-Gr?n den USA bei der Nutzung der Milit?rbasen und in Sachen ?berflugrechte freie Hand gibt und ihnen bei den fortgesetzten Kriegsvorbereitungen weiter entgegenkommt, kann ihr au?enpolitischer Kurs, der deutschen Bourgeoisie nicht gefallen. ?Die Lage war lange nicht so ernst. Es war nur ein Halbsatz des Herrn Wolfowitz, dass die USA im Fall eines Angriffs auf den Irak auch Hilfe von Awacs-Aufkl?rern der Nato erwarten; es reicht ein H?steln, und schon reagiert Rot-Gr?n mit Fiebersch?ben (…) wenn die Regierung so weitermacht, wird sie als Partner nicht mehr ernst genommen. Vom Partner in der F?hrung ist l?ngst keine Rede mehr? (Berliner Tagesspiegel vom 11. Dezember 2002).
Die rot-gr?ne Bundesregierung agiert nicht einheitlich. Die SPD-Rechte um den Seeheimer Kreis in der Partei er?rterte bereits die M?glichkeit einer Gro?en Koalition ? ohne Schr?der, sondern mit dem derzeitigen SPD-Wirtschaftsminister Clement an der Spitze. Die verschiedenen Minister fallen sich gegenseitig in aller ?ffentlichkeit in den R?cken. Die Gr?nen haben auf ihrem Parteitag Anfang Dezember ihre Parteivorsitzenden abgeschossen. Das sind allesamt keine souver?nen Handlungen zweier gerade im Amt best?tigter Regierungsparteien.

Sozialkahlschlag

?Die beiden M?nner, die das Land f?hren, Gerhard Schr?der und Joschka Fischer, k?nnen sich nicht entscheiden, wie. H?chst gegens?tzliche Botschaften senden sie ins Volk. Die eine lautet: Die Lage ist ernst, wir m?ssen ein paar harte Sachen machen, aber vor grundlegenden Ver?nderungen bewahren wir euch. Deutschland kann im Prinzip so bleiben, wie es ist, der Verzicht ist ein vor?bergehendes Ph?nomen. Das ist das gewerkschaftlich-sozialdemokratische Signal. Das andere lautet: Die Lage ist ernst, wir m?ssen ein paar harte Sachen machen, aber die wirklich grundlegenden Reformen kommen erst noch. Deutschland wird nicht mehr so sein, wie es war, der ? m??ige ? Verzicht wird dauerhaft sein? (Berliner Tagesspiegel vom 11. Dezember 2002). Tats?chlich f?hrte Verzweiflung ? angesichts der Haushaltskrise und der EU-Stabilit?tspakt-Zwangsjacke ? die Feder bei den ersten Gesetzesvorlagen der neuen alten Regierungskoalition.
Dennoch haben die Kapitalisten das Kabinett Schr?der mittlerweile da, wo sie es haben wollten. Als willf?hrige Diener in die Knie gezwungen treibt die Unternehmerschaft Schr?der, Eichel und Schmidt vor sich her. ?Das Wunder ist normalerweise keine Kategorie der Politik. Doch was gerade in Deutschlands Sozialdemokratie geschieht, sprengt alle Alltagserfahrungen des Berliner Politikbetriebs. Pl?tzlich geht all das mit der SPD, was seit Jahren als kapitalistisches Teufelszeugs gegolten hatte. Ein Niedriglohnsektor, bisher vehement bek?mpft (…) ein Arbeitnehmer-Schutzgesetz wie das gegen die Scheinselbstst?ndigkeit wird wie im Vorbeigehen auf den M?ll deutscher Sozialgeschichte gekippt. Minijobs sind nicht l?nger nur in Form weniger Stunden akzeptabel, die eine Hausfrau im Kaufhaus jobbt (…) Sogar der ideologische Popanz, dass doch auch Geringverdiener an den Segnungen einer eigenst?ndigen Rentenversicherung teilhaben und deshalb auch als Minijobber ein Recht auf eine Rente haben m?ssen, scheint sich in Luft aufzul?sen? (Handelsblatt vom 13.12.02). Das, was das Sprachrohr der mittelst?ndischen Unternehmer als ?Wunder? bezeichnet, ist nur die Best?tigung der Analyse, dass die SPD inzwischen zu einer durch und durch kapitalistischen Partei verkommen ist.
Rot-Gr?n hat l?ngst die Weichen daf?r gestellt, die Krise des kapitalistischen Systems auf dem R?cken der Arbeiterklasse auszutragen. Es geht nicht um ?m??igen Verzicht?, sondern um ma?lose K?rzungen, um ein K?rzungsmassaker. Wenn die Pl?ne des Kapitals Wirklichkeit werden sollten, dann wird Deutschland in der Tat ?nicht mehr so sein, wie es war?. Alle erk?mpften sozialen Rechte stehen unter Beschuss, der ?Sozialstaat?, oder das, was von ihm noch ?brig ist, soll zerschlagen werden. Ausgerechnet f?r das Handelsblatt gab Schr?der am 16. Dezember eine ganzseitige Erkl?rung unter einer ?berschrift ab, die einem Versprechen gleichkommt: „Wir werden Leistungen streichen“.
Die Debatte ?ber die Wiedereinf?hrung der Verm?genssteuer wurde von Schr?der nicht nur abrupt f?r beendet erkl?rt, sondern mit einer Niedrigsteuer f?r Kapitaleink?nfte beantwortet. W?hrend die Koalitionsvereinbarung noch die Schlie?ung von Steuerschlupfl?chern versprach, ist jetzt auch sogar eine gro?z?gige Amnestie f?r Steuerfl?chtlinge geplant.
Vor dem letzten Adventssonntag machte das Kanzleramt den Konzernchefs ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. In einem 23-Seiten-Strategiepapier gaben sie das Versprechen, den Wunschzettel der Kapitalistenklasse in erh?htem Tempo abzuarbeiten: K?rzung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf ein absolutes Minimum, mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen verbunden mit einer Ausdehnung der Eigenleistungen, weitere Rentenabsenkungen, neue Liberalisierungsschritte beim Ladenschluss. „Das ist doch unser Regierungsprogramm. Im Wahlkampf wurde ich daf?r als sozialer Kahlschl?ger kritisiert“ (Horst Seehofer, fr?herer CSU-Gesundheitsminister).
Die Vorhaben der rot-gr?nen Bundesregierung gingen den deutschen Kapitalisten noch l?ngst nicht weit genug. Trotzdem ist die arbeitende Bev?lkerung bereits jetzt nicht nur einzelnen Angriffen ausgesetzt, sondern in den wenigen Wochen seit dem Wahltag schon mit einer Angriffswelle konfrontiert (die sp?testens nach den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen am 2. Februar 2003 noch versch?rft wird):
?Sparpaket? in H?he von 13 Milliarden Euro: Mehrwertsteuererh?hungen, K?rzungen bei der Eigenheimzulage, Erh?hung von Arbeitslosen- und Rentenversicherungsbeitr?gen etc.
Umsetzung der Pl?ne der ?Hartz-Kommission?: Verrechnung des Arbeitslosengeldes mit dem Einkommen des Lebenspartners, drastische Ausdehnung der Leiharbeit mit Lohnabschl?gen von 20-30 Prozent in den ersten Wochen sowie einem Wegfall des K?ndigungsschutzes etc.
Einrichtung der ?R?rup-Kommission?: Ziel sind eine Aufteilung in Wahl- und Pflichtleistungen im Gesundheitswesen und eine Anhebung des Renteneinstiegsalters.
Rentenbetrug: Erh?hung der Beitr?ge zur Rentenversicherung von 19,1 auf 19,5 Prozent.
?Notpaket? im Gesundheitswesen: Nullrunde f?r ?rztInnen und Krankenh?user, Halbierung des Sterbegeldes etc., um 3,5 Milliarden Euro zus?tzlich einzusparen.
Aush?hlung des Ladenschlussgesetzes: Ausdehnung der ?ffnungszeiten an den Samstagen von 16 auf 20 Uhr.
Tarifrunde im ?ffentlichen Dienst: Drohung mit Nullrunde seitens der Arbeitgeber beziehungsweise Forderung nach Lohnabsenkungen, K?rzungen bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Arbeitszeitverl?ngerungen und Entlassungen.
Aushebelung von Fl?chentarifvertragen: ?ffnungsklauseln beim Bundesbesoldungsrecht f?r Beamte, Diskussionen ?ber Austritte der St?dte und Gemeinden aus dem kommunalen Arbeitgeberverband des ?ffentlichen Dienstes.
Sozialkahlschlag in der Bundeshauptstadt Berlin: Ausgerechnet der Senat von SPD und PDS spielt bundesweit Vorreiter ? mit dem Ausstieg Berlins aus dem kommunalen Arbeitgeberverband Anfang 2003 und der K?ndigung der Tarifvertr?ge f?r Angestellte bis Ende 2003, Arbeitszeitverl?ngerungen f?r BeamtInnen und LehrerInnen ab Februar 2003 um zwei Stunden, Streichung von 950 ErzieherInnen-Stellen bei den Kindertagesst?tten etc. Das Motto des Regierenden B?rgermeisters Klaus Wowereit (SPD) lautet dementsprechend: „Sparen bis es quietscht“.

?Anf?nge des Klassenkampfes?

Im Tarifkonflikt f?r die Besch?ftigten von Bund, L?ndern und Gemeinden sah sich ver.di-Vorsitzender Frank Bsirke auf Grund der Stimmung an der Basis bei den Warnstreiks dazu gezwungen, klassenk?mpferische T?ne anzuschlagen. So erkl?rte: ?Was wir nicht brauchen, ist Sparen f?r Gloria (von Thurn und Taxis) und zu Gunsten der Familie Holtzbrinck mit einem gesch?tzten Familienverm?gen von f?nf bis sechs Milliarden Euro.? Als Roland Koch, CDU-Ministerpr?sident von Hessen, das „eine neue Form von Stern auf der Brust“ nannte, kommentierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 13. Dezember: ?Dies ist ein ungeh?riger Vergleich, weil die Judenverfolgung der Hitler-Zeit keinen Vergleich ertr?gt. Die sp?tere Entschuldigung Kochs war zwingend. Wer aber meint, ?Parallelen zu anderen Zeiten? m?ssten grunds?tzlich verboten sein, der beschneidet die Kraft der Geschichte als Lehrmeisterin heutiger Politik. H?tte Koch an die Anf?nge des Klassenkampfes erinnert, h?tte sich niemand aufregen d?rfen, schon gar nicht in jenen Parteien, denen einschl?gige Absichten nicht ganz fremd sind. Auch jener Kampf fing mit Vorw?rfen an Reiche an.? Die Reaktionen der B?rgerlichen zeigen, dass ihre Zuversicht zu schwinden beginnt.
Zu ?Anf?ngen des Klassenkampfes? kam es in Deutschland auch schon vor der Tarifrunde im ?ffentlichen Dienst. ?ber das ganze Jahr 2002 hinweg war in einer Branche nach dem anderen eine Zunahme von Warnstreiks (im Einzelhandel, im Druckgewerbe, im Bankensektor, bei Post und Telekom) und Streiks (in der Metallindustrie und auf dem Bau) zu verzeichnen. Diese Kampfma?nahmen sind um so bemerkenswerter, weil sie in Zeiten von Wirtschaftskrise und unmittelbar vor einer Bundestagswahl stattfanden. Besonders die Arbeitsniederlegungen im Baugewerbe stechen heraus, weil in diesem Fall eine Branche, die seit Mitte der neunziger Jahre in einer tiefen Krise steckt, von einem Streik erfasst wurde.
In den Betrieben und Gewerkschaften prallen heute enorm gesteigerte Kampfbereitschaft seitens der Lohnabh?ngigen und der Ausverkauf gewerkschaftlicher Grundpositionen seitens der Gewerkschaftsb?rokratie massiv aufeinander. Die Begrenztheit der bisherigen K?mpfe ist nicht auf eine mangelnde Wut und Entschlossenheit zur?ckzuf?hren, sondern ist im Gegenteil vielmehr das Ergebnis einer um sich greifenden Angst der Gewerkschaftsspitze, gr??ere Auseinandersetzungen nicht l?nger unter Kontrolle halten zu k?nnen.
In der Tarifrunde des ?ffentlichen Dienstes haben die Besch?ftigten nicht nur weitere Einschnitte im Lebensstandard zu f?rchten. Wenn die Arbeitgeber mit ihren Pl?nen durchkommen sollten, dann geraten Hunderttausende in eine Situation, sich privat verschulden zu m?ssen, wenn sie ihren Kindern weiterhin eine vern?nftige Ausbildung erm?glichen wollen oder wenn sie mit einem schweren Krankheitsfall in der Familie konfrontiert sein sollten. Bei weiteren Verschlechterungen im Bezug auf die Arbeitsbedingungen werden immer mehr vor der Frage stehen, ob sie ihren Job auf Dauer weiter nach gehen k?nnen.
Ein Streik im ?ffentlichen Dienst k?nnte zu einem Katalysator f?r K?mpfe gegen Betriebsschlie?ungen und Entlassungen, gegen kommunale K?rzungen und weitere Angriffe auf die Sozialversicherungen werden. Auch wenn ein fauler Kompromiss in letzter Sekunde nicht ausgeschlossen werden kann, sieht sich die Gewerkschaftsspitze einer enormen Erwartungshaltung gegen?ber. Bsirske hat Verlauf und Ergebnis der Tarifrunde stark mit seiner Person verkn?pft. „Der Mann ist nicht zu beneiden“ oder „In seiner Haut m?chte ich nicht stecken“ ? so ?u?ern sich Spitzenfunktion?re anderer Gewerkschaften. In der ver.di-Vorg?ngergewerkschaft ?TV hat Unmut der Basis ?ber Tarifergebnisse Vorsitzende Monika Wulf-Mathies und Herbert Mai zumindest indirekt ihre ?mter gekostet“ (Handelsblatt vom 10.12.02). In der Tat mussten in den letzten zehn Jahren beide Vorg?nger von Bsirske auf Grund der Wut ?ber die Tarifabschl?sse 1992 (Wulf-Mathies) und 2000 (Herbert Mai) vorzeitig zur?cktreten. W?hrend sich Wulf-Mathies seinerzeit nach knapp zwei Wochen Streik ?ber das mehrheitliche Votum der Basis nach Ablehnung des Kompromisses und damit nach Streikfortsetzung hinwegsetzte, spielte bei Mai auch noch mit rein, dass die b?rokratisch vollzogene Fusion mehrerer Gewerkschaften des ?ffentlichen Dienstes zur „Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di“ vor zwei Jahren auf erheblichen Widerstand von gro?en Teilen der Mitgliedschaft stie?. Allein im letzten Jahr verlor die neue Gewerkschaft 80.000 Mitglieder. Die Ereignisse der letzten Jahre zwangen Bsirske in seinen Reden w?hrend der Warnstreiks Bezug auf die Tarifrunde 2000 zu nehmen, und sich ein St?ck weit vom Vorgehen des damaligen Vorsitzenden Mai zu distanzieren.
Der Spiegel erinnerte in seiner Ausgabe vom 9. Dezember bereits an den Arbeitskampf im ?ffentlichen Dienst von 1974, der entscheidend zum R?cktritt des damaligen Bundeskanzlers Brandt (SPD) beitrug. „Unvergessen die legend?re Tarifrunde 1974, als der schwergewichtige Gewerkschaftsboss Heinz Kluncker f?r den ?ffentlichen Dienst eine Lohnerh?hung von elf Prozent durchdr?ckte ? und damit den politischen Niedergang von Willy Brandt einleitete.“
In welchem Ma? sich die Stimmung bereits radikalisiert hat, zeigt auch die Kampfbereitschaft der BeamtInnen in dieser Tarifrunde. Der gr??te Teil der LehrerInnen, PolizistInnen oder Feuerwehrleute z?hlt in Deutschland als „Staatsdiener“ ohne Streikrecht. Der „Deutsche Beamtenbund“, der weniger als Arbeitervertretung denn als „Standesorganisation“ in Erscheinung tritt und nicht dem Deutschen Gewerkschaftsbund angeh?rt, rief f?r den 14. Dezember zu einer bundesweiten Demonstration von 40.000 BeamtInnen in Berlin auf. Forderungen nach Streikrecht f?r BeamtInnen wurden auf den verschiedenen Demonstrationen in den vergangenen Wochen laut. Auf der ersten gr??eren bundesweiten Demo in Bremen verteilten Gewerkschaften sogar eine symbolische Urkunde mit der Aufschrift: „Hiermit verleihen wir der Beamtin/dem Beamten ____ mit sofortiger Wirkung das Streikrecht auf Lebenszeit“. Es ist durchaus m?glich, dass sich BeamtInnen in k?nftigen Tarifauseinandersetzungen in bestimmten F?llen ?ber das Streikverbot hinwegsetzen.
In jedem Fall stehen die Zeichen im ?ffentlichen Dienst auf Sturm. Streikma?nahmen w?rden den Besch?ftigten wichtige Erfahrungen geben, das Klassenbewusstsein heben und k?nnten die Kampfbereitschaft in anderen Bereichen f?rdern. Falls die Gewerkschaftsb?rokratie einen Streik doch noch abw?rgen sollte, h?tte dieser Schritt ? vor dem Hintergrund der innergewerschaftlichen Konflikte im ?ffentlichen Dienst in den letzten zehn Jahren ? mit Sicherheit eine enorme Polarisierung innerhalb von ver.di zur Folge.
Auf Grund des Ausma?es der Wirtschaftskrise und des Umfangs von Angriffen auf alle Bereiche des Lebensstandards ? verbunden mit den Erfahrungen, die mit der Gewerkschaftsf?hrung und mit Rot-Gr?n gemacht wurden ? wird sich das Bewusstsein gro?er Teile der Arbeiterklasse sprunghaft entwickeln. Die internationalen Arbeitsk?mpfe, welche die Gewerkschaftsf?hrung bei den j?ngsten Demonstrationen bewusst nicht aufgegriffen hat, k?nnen eine bedeutende Ermutigung darstellen. Auf der bundesweiten Demonstration von ver.di am 5. Dezember in Bremen trugen Feuerwehrleute ein selbstgemaltes Transparent mit der Aufschrift: ?Englischer Arbeitskampf ist auch bei uns m?glich! Wir sind soweit. Versprochen!? Einen Warnstreik vom K?chenpersonal im Klinikum Stuttgart beschlossen die streikenden KollegInnen mit dem Lied: ?Avanti Popolo?.
Dar?ber hinaus kann auch der Unmut ?ber die Kriegspolitik Thema werden. Deutschland ist ? noch ? nicht Frankreich. Dennoch k?nnten sich auch deutsche ArbeiterInnen und Jugendliche bei ihren sozialen Protesten ebenso ?ber die Aufr?stung erz?rnen wie ihre franz?sischen NachbarInnen: ?ber eine Gro?demo von Zehntausenden LehrerInnen, Sch?lerInnen und Eltern in Paris berichtete die FAZ am 9. Dezember: ?Lehrer, aber auch Elternverb?nde und Sch?ler bef?rchten, dass die gewachsenen Ausgaben zugunsten der Verteidigung und der inneren Sicherheit zu Lasten des Erziehungswesens gehen werden.?
Die Gewerkschaftsreden auf der ver.di-Demonstration am 5. Dezember in Bremen wurden wiederholt von ?Eichel muss weg?-Sprechch?ren unterbrochen. Diese Schlachtrufe gegen den SPD-Bundesfinanzminister Hans Eichel lassen Erinnerungen an die ?Kohl muss weg?-Rufe Mitte der neunziger Jahre wach werden. Damals gipfelten die Proteste gegen die Umverteilungspolitik unter Kohl in einen 500.000 ArbeiterInnen starken Marsch auf Bonn im Sommer 1996, spontanen Arbeitsniederlegungen von 100.000 MetallerInnen zur Verteidigung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall im Herbst 1996 und Stra?en- und Br?ckenblockaden der Bergarbeiter an Rhein und Ruhr 1997. Seinerzeit gelang es der Gewerkschaftsb?rokratie die Bewegung abzuw?rgen, in dem sie auf einen Regierungswechsel bei den anstehenden Bundestagswahlen 1998 vertr?stete. Auch wenn die Gegenwehr in diesen Tagen noch am Anfang steht, fehlt der F?hrung der Gewerkschaften heute der gleiche Spielraum zum Man?vrieren.
Die rot-gr?ne Bundesregierung steht mit dem R?cken zur Wand. Neue Hiobsbotschaften in Sachen Betriebsschlie?ungen, Massenentlassungen bei einem Gro?konzern wie bei Fiat in Italien, eine Firmenpleite wie k?rzlich bei der US-amerikanischen United Airlines, ein Krieg gegen den Irak oder eine Eskalation im Tarifkampf des ?ffentlichen Dienstes ? jede dieser m?glichen Entwicklungen k?nnte das Fortbestehen der rot-gr?nen Regierung ernsthaft gef?hrden. Mangels der Existenz einer Arbeiterpartei auf bundesweiter Ebene k?nnen bei den kommenden Landtagswahlen verheerende Niederlagen f?r SPD und Gr?ne mit vor?bergehenden Stimmenzuw?chsen f?r die CDU einhergehen. Trotz aller Wut und Entt?uschung im Bezug auf die PDS-Regierungspolitik in den Kommunen und auf L?nderebene (Berlin und Mecklenburg-Vorpommern) kann auch eine ?berwiegend passive Zunahme der Unterst?tzung f?r die PDS nicht ausgeschlossen werden. Allerdings wird sich in der n?chsten Phase das Interesse nach klassenk?mpferischen und antikapitalistischen Ideen bei gr??eren Schichten von ArbeiterInnen und Jugendlichen erh?hen. Da jedoch gegenw?rtig keine Ansatzpunkte auf der parteipolitischen Ebene f?r die Arbeiterklasse bestehen, wird sich die Radikalisierung verst?rkt in betrieblichen, gewerkschaftlichen und sozialen K?mpfen ausdr?cken. Denkbar sind auch gleichzeitig stattfindende Proteste gegen Sozialk?rzungen und gegen die Kriegspolitik. Falls sich die US-Regierung doch gezwungen sehen sollte, ihre Angriffspl?ne gegen den Irak zur?ckzustellen, k?nnte die soziale Frage die Antikriegsbewegung in den n?chsten Monaten in Deutschland ?berschatten. In jedem Fall werden diese Entwicklungen die Bewegung gegen die kapitalistische Globalisierung und Organisationen wie Attac nachhaltig beinflussen. Vor diesem Hintergrund ist es m?glich, dass Deutschland in den n?chsten Wochen ein „hei?en Winter“ bevorsteht. Auf Basis der kommenden K?mpfe wird auch die Idee vom Aufbau einer neuen Arbeiterpartei auf gr??ere Zustimmung sto?en.

Gr?nde f?r die Krise der Sozialversicherungssysteme

Seit geraumer Zeit werden die Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung von Regierung und Unternehmern systematisch kaputt geredet und gemacht. Ihr Ziel ist nicht die „Reform“ sondern die Zerschlagung der Sozialversicherungssysteme.
Die geplanten Angriffe richten sich gegen eine historische Errungeschaft der deutschen Arbeiterbewegung. Unter gr??ten M?hen und Opfern begann die Arbeiterklasse in der zweiten H?lfte des 19. Jahrhunderts Streik- und Organisationsrecht sowie erste soziale Absicherung gegen die kapitalistischen Ausbeutungsverh?ltnisse durchzusetzen. Mit Repressalien und Verbotsma?nahmen wie dem „Sozialistengesetz“ 1878-90 versuchte Reichskanzler Bismarck damals die Bewegung zu schw?chen. Dennoch musste die Reichsregierung in den Jahren nach der Kaiserlichen Botschaft 1881 einige sozialpolitische Ma?nahmen ergreifen. Invaliden-, Unfall- und Krankenversicherung wurden geschaffen. In K?mpfen wie dem spontanen Massenstreik der Bergarbeiter im Ruhrgebiet und Hamburger ArbeiterInnen gegen Aussperrung 1889 wurden den Herrschenden weitere Zugest?ndnisse abgetrotzt: Arbeitszeitverk?rzung, Reallohnerh?hungen und Fortschritte bei der Sozialversicherung.
Seit der Einf?hrung der Sozialversicherungssysteme werden sie parit?tisch finanziert, sprich zu gleichen Teilen vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer getragen. Allerdings werden sie ausschlie?lich auf abh?ngige Einkommen erhoben. Andere Einkommensarten wie Kapitaleinkommen werden nicht, selbstst?ndige Einkommen nur bis zu einer bestimmten H?he herangezogen. Mit der Parit?t ist es heute nicht mehr weit her. Die bisherigen Gesetzes?nderungen haben schon dazu gef?hrt, dass die lohnabh?ngig Besch?ftigten inzwischen zwei Drittel, die Arbeitgeber ein Drittel aufbringen m?ssen.
Die angebliche „Kostenexplosion“ ist in erster Linie ein Einnahmenproblem. Es ist richtig, dass den Krankenkassen im Jahr 2002 knapp zwei Milliarden Euro, den Rentenkassen sogar bis zu vier Milliarden fehlen. Es ist aber auch richtig, dass die Ausgaben weitgehend konstant geblieben sind, w?hrend die Einnahmen sinken. Der Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagniert seit Mitte der siebziger Jahre in der Bundesrepublik bei rund einem Drittel des BIP. W?hrend in den USA, das den Rogowskis und Hundts als Vorbild dient, die Gesundheitsausgaben in den letzten Jahren drastisch angestiegen sind, liegen sie in der BRD seit 25 Jahren konstant um die elf Prozent. (Die gestiegenen Ausgaben in den USA setzen sich zusammen aus den Mehrkosten f?r B?rokratie und Marketing sowie den Gewinnen der Anbieter im Zuge der Privatisierung).
In die Krise geraten sind die Sozialversicherungssysteme durch die wegbrechende Beitragsbasis. Das hat seine Ursache in der Massenarbeitslosigkeit, der kapitalistischen Wiedervereinigung (und damit erh?hte Ausgaben bei weiter steigender Arbeitslosigkeit), sinkender Lohnquote und der Zunahme von Teilzeit- und Billiglohnjobs. W?hrend die arbeitende Bev?lkerung geschr?pft wurde und daher weniger in die Sozialkassen einzahlt, tragen die Reichen und Superreichen, deren Verm?gen rasant vermehrt wurde, nichts zu ihrer Finanzierung bei.
Als Hauptursache wird vom Establishment der demographische Faktor ins Feld gef?hrt. Die Zahl der ?ber 65 Jahre alten Menschen soll von heute 13 Millionen (eine Relation von 1:4 gemessen an der Gesamtbev?lkerung) auf 20 Millionen 2050 (eine Relation von 1:2) steigen. Die angeblich explodierenden Mehrkosten im Gesundheitswesen sind zun?chst einmal eine M?r: „Da jeder Mensch nur einmal stirbt und ein hoher Mehraufwand dem letzten Lebensjahr zugerechnet werden muss, w?chst dieser nicht dadurch, dass das Sterbealter sich erh?ht“ (Schweizer Studie zitiert in Braun/K?hn/Rehmers: „Das M?rchen von der Kostenexplosion“, 1998). Das Bruttoinlandsprodukt wuchs zwischen 1960 und 2000 real um 206 Prozent. Damit schaffen die Produktivit?tssteigerungen die Voraussetzungen, um die Gesundheitsf?rsorge noch zu verbessern und einem gr??eren Teil der Bev?lkerung ihren Lebensabend finanzieren zu k?nnen.
Die Sozialversicherung steht schon lange unter Beschuss. Die lange Kette von Angriffen ? bislang in Form einer Salamitaktik ? geht in die siebziger Jahre zur?ck, angefangen mit verschiedenen Zuzahlungen zu Rezepten, zu Krankenhausaufenthalten etc. Versch?rft wurde die Einschr?nkung der Sozialausgaben unter der Kohl-Regierung seit Anfang der achtziger Jahre. Mit der Einf?hrung der Pflegeversicherung 1995 wurde das Prinzip der parit?tischen Finanzierung zum ersten Mal au?er Kraft gesetzt. Zwar zahlen auch hier Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils die h?lfte der Beitr?ge, die Unternehmerseite wurde aber mit der Streichung eines gesetzlichen Feiertags (Bu?- und Bettag) entsch?digt.
Riester-Rente, Hartz-Konzept und die Pl?ne der R?rup-Kommission markieren eine neue Qualit?t bei der Demontage der Sozialversicherungssysteme. Nicht die angebliche „Kostenexplosion“ sondern die Kapitalinteressen sind die Ursache daf?r, dass Leistungen zusammengestrichen, Beitr?ge (f?r das Unternehmerlager) reduziert und neue Profitquellen durch Privatisierungsschritte erschlossen werden sollen. Auf der Tagesordnung steht die Zerschlagung der Sozialversicherung: Drastische K?rzungen beim Arbeitslosengeld, Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, Absenkung der Sozialbgaben durch eine massive Ausweitung des Niedriglohnsektors, Runterfahren der gesetzlichen Gesundheitsversorgung auf das „notwendige Mindestma?“, Aufteilung in Wahl- und Pflichtleistungen, Einstieg in die Privatisierung der Altersvorsorge, Anhebung des Renteneinstiegsalters bei K?rzung der Bez?ge…

SAV-Programm gegen Krise, Krieg und K?rzungspolitik

Vollstreik statt Nadelstichtaktik im ?ffentlichen Dienst gegen die Arbeitgeberprovokationen
Einbeziehung von BeamtInnen in einen Streik
Kein Tarifabschluss ohne mehrheitliche Zustimmung per Urabstimmung
Keine Nachverhandlungen ?ber Verschlechterungen im BAT oder die Absenkung in einzelnen Branchen, wie die Einf?hrung von Spartentarifvertr?gen

Ein M?llmann, verheiratet, ein Kind, verdient im Westen durchschnittlich 1.789,74 Euro brutto, im Osten inklusive Zusch?sse 1.579,31 Euro. F?r ArbeiterInnen, Angestellte und BeamtInnen im ?ffentlichen Dienst ist l?ngst das Ende der Fahnenstange erreicht. Nullrunde, Arbeitsplatzabbau, K?rzungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie eine weitere Aufweichung der Fl?chentarifvertr?ge m?ssen um jeden Preis verhindert werden. Stattdessen ist eine deutliche Reallohnerh?hung und eine sofortige Angleichung der Ostgeh?lter n?tig.
Wenn die 4,5 Millionen ArbeiterInnen, Angestellte und BeamtInnen im ?ffentlichen Dienst geschlossen die Arbeit niederlegen, dann l?uft nichts mehr. Die Warnstreiks im Dezember haben bewiesen, dass nicht Unternehmer und Politiker, sondern die arbeitende Bev?lkerung die m?chtigste Kraft in der Gesellschaft ist.

Weg mit den Hartz-Pl?nen
Gewerkschaften raus aus der R?rup-Kommission
Herabsetzung des Rentenalters auf 58 Jahren bei voller Rente
R?cknahme aller Sozialk?rzungen von Rot-Gr?n und Kohl-Regierung

W?hrend allein die hundert reichsten Privathaushalte 250 Milliarden Euro besitzen (das entspricht dem j?hrlichen Bundeshaushalt), sind die Herrschenden dabei das gesamte Sozialversicherungssystem zu demontieren. Die „Kostenexplosion“ ist eine L?ge. Das Problem sind die sinkenden Einnahmen. Und die brechen weiter ein, wenn die Hartz-Pl?ne umgesetzt werden. Die Kapitalistenklasse will mit ihrer „Reform“ bei der Sozialversicherung im kapitalistischen Niedergang nur ihre Profite und Verm?gen steigern ? auf Kosten der Arbeiterklasse.

Durchf?hrung einer bundesweiten Gro?demonstration ? eines Marsches auf Berlin ? durch die
Gewerkschaften gegen die Angriffe von Regierung und Kapital

Heute protestieren Erwerbslose gegen Hartz, Besch?ftigte des ?ffentlichen Dienstes gegen eine Nullrunde, Betroffene in verschiedenen St?dten und Stadtteilen gegen die Schlie?ung von Schwimmb?dern, Jugendclubs oder Seniorenheimen. Dieser getrennt von einander gef?hrte Widerstand ersch?pft. Wenn der Protest geb?ndelt w?rde, w?re viel effektivere Gegenwehr m?glich. Eine gemeinsame Gro?demonstration w?rde auch helfen, sich der eigenen St?rke bewusst zu werden.

Vorbereitung eines eint?gigen Generalstreiks

Generalstreik gegen Generalangriff. Die ganze Kampfkraft muss in die Waagschale geworfen werden. Wenn 24 Stunden alle R?der still stehen w?rden, w?re es m?glich, Regierung und Kapital zu zwingen, ihr K?rzungsmassaker einzustellen. Dann k?nnten die Lohnabh?ngigen von der Defensive in die Offensive kommen.

?ffnung der Gesch?ftsb?cher

In den neunziger Jahren wuchs das Bruttoinlandsprodukt insgesamt um 15 Prozent. Gleichzeitig verdoppelten sich die Nettogewinne, w?hrend die Lohneinkommen sanken. Wenn Banken und Konzerne ihre Finanzen offenlegen m?ssen, wissen wir wo die Profite der vergangenen Jahre hingegangen sind. Dann wird klar werden, dass unsere Forderungen nicht nur n?tig, sondern auch realisierbar sind.

F?r eine stark progressive Besteuerung von Gewinnen und Verm?gen

Die K?rperschaftssteuer ist unter Rot-Gr?n von einer Unternehmensbesteuerung zu einer Unternehmenssubvention verkommen: Im Jahr 2000 kassierte der Staat noch 25 Milliarden Euro, im Jahr 2001 zahlte der Fiskus unterm Strich sogar 400 Millionen Euro an die Gro?konzerne zur?ck. Eine Krankenschwester muss heute mehr Steuern abdr?cken als DaimlerChrysler. W?re der Anteil der Unternehmenssteuern am gesamten Steueraufkommen dagegen noch so hoch wie 1980, w?ren j?hrlich 50 Milliarden Euro mehr in den Staatskassen.
Mit der neuen Niedrigsteuer von 25 Prozent f?r Zinseink?nfte sind jetzt weitere massive Steuererleichterungen f?r private Verm?gende geplant. Damit l?ge die Besteuerung der Kapitaleink?nfte aus Zinsen unter der Besteuerung eines Arbeitnehmerhaushaltes.

Einf?hrung der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich als erster Schritt zu weiterer Arbeitszeitverk?rzung
?ffentliches Investitionsprogramm in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Soziales, Verkehr und Umwelt

Auf der einen Seite Stellenstreichungen und Entlassungen, auf der anderen Seite Arbeitshetze, Stress, ?berstunden ? und sogar Arbeitszeitverl?ngerungen. Das ist kapitalistischer Wahnsinn. Die vorhandene und gesellschaftlich notwendige Arbeit muss auf alle aufgeteilt werden. Au?erdem ist ein Ausbau statt ein Abbau bei Kinderg?rten, Schulen und Hochschulen n?tig, um gegen die Bildungsmisere vorzugehen. Und brauchen wir etwa nicht auch weitere und besser ausgestattete Jugendh?user, Kliniken, Altenheime oder Busse und Bahnen?

Geld f?r Arbeit und Bildung statt f?r R?stung und Krieg

F?r das Jahr 2003 wurde der R?stungshaushalt auf 24,4 Milliarden Euro erh?ht, 2,3 Milliarden kosten die Auslandseins?tze der Bundeswehr j?hrlich (zehnmal soviel wie vor der Regierungs?bernahme von SPD und Gr?nen 1998), mehr als 7 Milliarden sind f?r den Bau von 60 Milit?rtransportflugzeugen A400M veranschlagt. Gleichzeitig kostet jeder Prozentpunkt Lohnerh?hung im ?ffentlichen Dienst den Staat nur 1,5 Milliarden Euro. Eine deutliche Lohnerh?hung w?re allein mit einer Streichung der R?stungsprojekte locker finanzierbar.

Massive gewerkschaftliche Beteiligung an der bundesweiten Antikriegsdemonstration am 15. Februar in Berlin
Gemeinsamer internationaler Kampf gegen Sozialabbau und Kriegspolitik

Sozialkahlschlag und Kriegspolitik haben die gleichen Ursachen. Auf kapitalistischer Basis ist „Sparpolitik“ Umverteilungspolitik und dient der Profitmaximierung von Banken und Konzernen, die sich in den H?nden einer kleinen Minderheit von Reichen und Superreichen befinden. Kapitalismus bedeutet auch Konkurrenzkampf zwischen Unternehmern und zwischen Staaten um Macht, M?rkte und Rohstoffe.

F?r den Aufbau einer neuen Arbeiterpartei

ArbeiterInnen, Arbeitslose und Jugendliche haben heute keine eigene politische Interessenvertretung. Nicht nur SPD und B?ndnisgr?ne, auch die PDS beugt sich, ?berall wo sie Regierungsverantwortung ?bernimmt, dem Druck des Kapitals. Jede Wahl ist eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Darum sollten AktivistInnen die K?mpfe gegen b?rgerliche Krisen- und Kriegspolitik nutzen, um den Protest auf auch die politische Ebene zu bringen. Eine breite, demokratisch strukturierte Partei f?r GewerkschaftlerInnen, SozialistInnen in PDS und SPD, Globalisierungs- und KriegsgegnerInnen, AntifaschistInnen, UmweltaktivistInnen und Frauenrechtlerinnen, die der Unternehmerherrschaft konsequent Paroli bietet, ist das Gebot der Stunde.

?berf?hrung der Banken, Konzerne und Versicherungen in Gemeineigentum bei demokratischer
Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bev?lkerung

Wenn die Kapitalisten behaupten, der Konkurrenzkampf w?rde sie zu Werkschlie?ungen und Entlassungen zwingen, dann ist das kein Argument f?r Arbeitsplatzabbau, sondern gegen das Privateigentum. Damit der m?rderische Wettbewerb des Marktes jedoch nicht durch b?rokratische Misswirtschaft abgel?st wird, m?ssen die gro?en Unternehmen von der arbeitenden Bev?lkerung und demokratisch gew?hlten Organen selber kontrolliert und verwaltet werden.

Schluss mit der Profitwirtschaft

Schuld an den im Kapitalismus in aller Regelm??igkeit wiederkehrenden Krisen ist die Anarchie des Marktes und die Profitproduktion. Darum verbindet die SAV den Kampf f?r Reformen mit dem Kampf f?r eine sozialistische Gesellschaft, die ? ausgerichtet auf die Bed?rfnisse von Mensch und Natur – auf einer demokratisch geplanten Wirtschaft basiert.