Feuerwehrstreik bindet britische Armee

Interview mit Bill Mullins, gewerkschaftspolitischer Sprecher der Socialist Party, Schwesterpartei der SAV in England und Wales.
 

Die b?rgerliche Presse in Deutschland sagt, dass die Feuerwehrleute f?r den Tod von sieben Menschen verantwortlich seien, die w?hrend dem 48-st?ndigen Streik starben. Was passierte?

Alle Feuerwehrleute bedauern es, wenn jemand bei einem Brand stirbt. Aber die Regierung und die Arbeitgeber zusammen mit der Presse sind nur zu bereit, jede Chance zu nutzen, um den Kampf der Feuerwehrleute in Misskredit zu bringen.
Im Durchschnitt sterben zwei Menschen t?glich bei Br?nden. Wenn es jetzt mehr waren, sind die Regierung und die Bosse schuld, die diese Lage herbeigef?hrt haben. Die Privatisierung des Eisenbahnnetzes hat direkt zu einer Zunahme der Unf?lle w?hrend den letzten Jahren gef?hrt, einschlie?lich vier gr??eren Unf?llen, in den ?ber 80 Menschen starben.
Die berechtigte Forderung der Gewerkschaft ist 30.000 Pfund [etwa 50.000 Euro] im Jahr, weil Feuerwehrleute eine viel kompliziertere Arbeit als in der Vergangenheit haben, viel mehr Qualifikation brauchen und immer kompliziertere Ger?te verwendet werden, um Menschenleben zu retten.

Worin liegt die politische Bedeutung des Feuerwehrstreiks?

Seit dem Bergarbeiterstreik [1984-85] gab es keinen so wichtigen Kampf wie den landesweiten Streik der Feuerwehrleute f?r angemessene Bezahlung. Ihr Mut, die Beendigung von Niedrigl?hnen auf einen Schlag zu fordern, hat ihnen die Bewunderung durch die k?mpferischsten Elemente der Arbeiterklasse gebracht. Das Gegenst?ck zu dieser Bewunderung ist der Klassenhass, den die k?ufliche und monopolisierte britische Presse gegen?ber den Feuerwehrleuten zeigt.

Wie ist die Lage, nachdem der Streik durch einen 48-st?ndigen Streik begonnen wurde?

Es war eine Feuerprobe f?r beide Seiten. Aus dieser ersten Kraftprobe sind die Feuerwehrleute klar als Punktsieger gegen?ber der Regierung hervorgegangen. Aber jetzt tritt der Kampf in eine Periode ein, die f?r die Feuerwehrleute viel gef?hrlicher ist. Die Regierung drohte den Feuerwehrleuten, die L?schz?ge zu ?requirieren?. Das hei?t sie wollen die Polizei und eventuell sogar die Armee in die Feuerwachen zu schicken, um die L?schz?ge zu beschlagnahmen. Momentan bleiben die Feuerwehrleute w?hrend den Streiktagen innerhalb der Feuerwachen und auf Streikposten drau?en. Tony Blair hat seine Emp?rung ?ber dieses Beispiel von Arbeiterkontrolle ?ber den Arbeitsplatz gezeigt und gefordert, dass etwas dagegen unternommen wird.
Wenn das passiert, wird die ganze Lage schnell eskalieren, mit Blockaden von Feuerwachen und Solidarit?tsstreiks durch andere ArbeiterInnen. Selbst wenn der Regierung die modernsten L?schger?te zur Verf?gung stehen, k?nnte sie sie nicht nutzen, weil die Soldaten nicht die notwendigen Qualifikationen haben. Aber der Hauptgrund, warum die Regierung die L?schz?ge einkassieren will besteht darin die Feuerwehrleute zu demoralisieren.

Was w?rde das f?r den Streik bedeuten?

Die Beschlagnahme der L?schz?ge w?rde praktisch eine ?Aussperrung? der Feuerwehrleute bedeuten. Dann w?rde es nicht darum gehen, acht Tage zu streiken und dann zur Arbeit zur?ckzukehren und zu sehen, wie die Regierung reagiert. Der Kampf w?rde sich auf einem h?heren Niveau bewegen.
Und unter diesen Umst?nden muss auch die Reaktion der gesamten Gewerkschaftsbewegung viel gr??ere Ausma?e annehmen.

Ist die Gewerkschaftsbewegung dazu bereit oder besteht die Gefahr, dass die Feuerwehrleute wie die Bergarbeiter 1985 schlie?lich isoliert sind und besiegt werden?

Der Hauptunterschied jetzt ist, dass die Bergarbeiter vor allem einen Abwehrkampf zur Verteidigung ihrer Arbeitspl?tze und Reviere f?hrten. Die Feuerwehrleute sind Teil Offensivbewegung f?r Gehaltserh?hungen im ?ffentlichen Dienst. Die Wirtschaft w?chst momentan noch und die Reichen zahlen sich hohe Geh?lter, w?hrend sie den ArbeiterInnen Zur?ckhaltung predigen. Der Unterschied ist daher, dass, selbst wenn die Feuerwehrleute nicht alles erreichen, was sie fordern, die Streikwelle die derzeit in Britannien stattfindet, nicht beendet ist.

Die Nachrichtenagentur Reuters hatte die Schlagzeile: ?Feuerwehrstreik stellt die gr??te gewerkschaftliche Krise f?r Blair dar?. Stimmt das?

F?r die Regierung steht in dem Arbeitskampf praktisch ihr ganzes Wirtschafts-, politisches und Sozialprogramm auf dem Spiel. Wenn die Feuerwehrleute gewinnen, dann k?nnte Blair das zusammen mit der Massenopposition gegen seine Unterst?tzung f?r einen Krieg gegen den Irak aus dem Amt treiben, so wie es Thatcher durch die Massenbewegung gegen die Poll Tax geschah.

Wie wirkt sich der Feuerwehrstreik auf die Kriegsvorbereitungen gegen den Irak aus?

Sehr. 20.000 Milit?rangeh?rige sind schon mit dem Streik besch?ftigt, indem sie Milit?r-L?schz?ge durch die St?dte fahren. Ein Viertel der Marine wurde in den H?fen gelassen, damit die Brandschutz-Crews der Schiffe auf dem Land eingesetzt werden k?nnen. Auch 37 Luftwaffenstaffeln bleiben am Boden. Es wird berichtet, dass das Oberkommando des Milit?rs tobt, dass sich Blair in diese Lage gebracht hat und Gener?le haben gesagt, dass sie nicht zulassen werden, dass ihre Truppen als Streikbrecher eingesetzt werden.

Was ist die Rolle der Socialist Party im Arbeitskampf der Feuerwehrleute?

Die Socialist Party stellt die notwendigen Forderungen auf, um den Streik zu gewinnen, einschlie?lich der Notwendigkeit von Solidarit?tsaktionen. Wenn der [Gewerkschaftsdachverband] TUC das nicht macht, dann fordern wir die neu gew?hlten linken F?hrungen von wichtigen Gewerkschaften auf, an seiner Stelle zu handeln und jetzt ein landesweites Komitee zur Unterst?tzung der Feuerwehrleute zu bilden und die [Feuerwehrgewerkschaft] FBU nicht den z?rtlichen H?nden der rechten TUC-F?hrung zu ?berlassen.
Ortsgruppen in ganz Britannien haben die Feuerwehrleute unterst?tzt. GenossInnen haben ?ber 100 Streikposten besucht (einschlie?lich 41 in London) und wurden von den Feuerwehrleuten gut aufgenommen. Unsere GenossInnen in den Gewerkschaften einschlie?lich der Londoner U-Bahn haben Kampagnen gemacht, dass es gef?hrlich ist, in Geb?uden und an Arbeitspl?tzen ohne ordentliche Feuerwehrbereitschaft zu arbeiten. Letzte Woche war ein gro?er Teil des Londoner U-Bahn-Systems aufgrund mangelnden Feuerschutzes nicht in Betrieb, was drei Millionen PendlerInnen betraf.

Das Interview f?hrte Ursel Beck.