Klinikum Kassel: Schlacht geschlagen &#x96 der Kampf geht weiter

von Steffi Nitschke

Vertrauensleutesprecherin im Klinikum Kassel und Mitglied im Sprecherrat des "Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di" (Angaben nur zur Kenntlichmachung der Person)


 

Die seit 10 Jahren dauernde Auseinandersetzung um die Privatisierung der ehemals städtischen Kliniken ging am 1. September in eine neue Phase. 1992 erreichten die Beschäftigten und ihre kämpferischen Betriebsräte und Vertrauensleute, dass es bei der Umwandlung in einen Eigenbetrieb zur Bildung einer gemeinnützigen Gmbh kam. Die Stadt blieb hundertprozentiger Eigentümer. Verbesserte Mitbestimmungrechte, ein Beschäftigungssicherungsvertrag und der Erhalt des Flächentarifvertrags des öffentlichen Dienstes konnten durchgesetzt werden. Obwohl die damals verantwortlichen städtischen SPD-Politiker eine Privatisierung ausschlossen, ging es bereits 1995 los mit ständigem Stellenabbau und Teilprivatisierungen. 1999 wollte der SPD-geführt Stadtrat das Klinikum ganz verkaufen.
Unsere ÖTV-Betriebsgruppe organisierte unter dem Motto "Kein Verspielen der Kasseler Gesundheitspolitik &#x96 Hände weg vom Klinikum Kassel" eine beispiellose Kampagne, die weit über Kassel hinaus Beachtung fand. Politisch unterstützt wurde die Kampagne von der SAV und der örtlichen PDS. So kam es zum Beispiel zum Entsetzen der SPD-Funktionäre zu einer Protestdemo, organisiert von ÖTV, SAV und PDS vor dem SPD-Unterbezirksparteitag, bei dem der Verkauf beschlossen werden sollte. Unter dem Druck der Demo kam nur eine sehr knappe Mehrheit für den Verkauf zustande.
Dass es trotzdem bis heute nicht zum Totalverkauf kam, liegt einzig und allein an der aufopferungsvollen und dem extrem engagierten Einsatz des Betriebsrats, der Vertrauensleute und Aktivisten im Betrieb. In einer absolut nervenaufreibenden Auseinandersetzung mussten wir vor allem in den letzten 2 Jahren der zugespitzten Auseinandersetzung eine Attacke nach der anderen abwehren. Immer wieder musste die Belegschaft zu Betriebsversammlungen und Aktionen im Betrieb, auf der Straße, vor und im Rathaus mobilisiert werden. Flugblätter und Betriebszeitungen, Plakate und Unterschriftensammlungen mussten geschrieben werden. Eine der größten Angriffe, die es abzuwehren galt, war dabei der Ausstieg aus dem BAT.
Nach einem langen zermürbendem Kampf kam es jetzt zu einem Kompromiss. Es wurde eine rein privatrechtliche "Gesundheitsholding Nordhessen AG" gegründet, in die das Klinikum Kassel zusammen mit 3 Krankenhäusern aus dem Landkreis aufgeht. Die Gemeinnützigkeit wurde abgeschafft. Das Klinikum wird dem kommerziellen Aktienrecht ausgeliefert. Es wurde eine kommunale Mehrheit von mindestens 51% für die nächsten 10 Jahre vereinbart. Oder anders ausgedrückt: bis zu 49% der Aktien dürfen in den nächsten 5 Jahren an private Anleger verkauft werden. Nach 5 Jahren besteht für die Stadt ein außerordentliches Kündigungsrecht, wenn das Klinikum in eine wirtschaftliche Notlage gerät. Allerdings muss dann erst wieder verhandelt werden.
Wir haben damit also den geplanten Totalverkauf unseres Krankenhauses verhindert, konnten aber einen weiteren Schritt in Richtung Privatisierung nicht abwehren. Als Erfolg für uns ist aber zu werten, dass alle Tarifverträge für die derzeit 3.500 Beschäftigten und für künftig Neueingestellte, alle Betriebsvereinbarungen und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen übernommen werden müssen. Betriebsbedingte Kündigungen sind ausgeschlossen. Die neue Gesellschaft bleibt Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband. CDU und FDP im Stadtrat haben am Schluss noch versucht einen Teil der Zugeständnisse zu verhindern. Sie warfen der SPD vor, "die Gewerkschaft habe zu erfolgreich verhandelt." Und Fakt ist auch, dass die SPD die Zugeständnisse auch nur machte, weil wir soviel politischen Druck durch unsere Kampagne ausgeübt haben.
Diesen Kampf so lange durchzustehen ist keine Selbstverständlichkeit, schon gar nicht für eine Krankenhaus. Denn die Arbeitsbelastung ist auch im Klinikum Kassel, wie in allen Krankenhäusern in den letzten Jahren, ins Unerträgliche gesteigert worden. Und obendrauf mussten viele KollegInnen ungemein viel Freizeit und Nerven opfern für unseren Abwehrkampf. Auf sich alleine gestellt gab es zu diesem Kompromiss keine Alternative. Wir können uns damit aber nicht zufrieden geben. Vielmehr muss ver.di endlich einen bundesweiten Kampf gegen die Kahlschlagspolitik im Gesundheitswesen und gegen Privatisierung führen. Wir sind ja kein Einzelfall. In ganz Deutschland gibt es Krankenhäuser, die Privatisierungsbestrebungen ausgesetzt sind.
Deshalb hat der ÖTV-Kreisvorstand Kassel zusammen mit den Kolleginnen der Abteilung Krankenhäuser der ÖTV Stuttgart-Böblingen bereits Ende 2000 eine bundesweite Konferenz von Vertrauensleuten, Betriebs- und Personalräten gefordert, um einen gemeinsamen Kampf gegen Privatisierung und Tarifflucht zu organisieren. Der damalige ÖTV-Vorstand hat das mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt.
Unser Vertragsabschluss ist alles andere als eine Entwarnung für die Belegschaft. Der Zwang zur Gewinnerzielung bei gleichzeitiger Einführung von Fallpauschalen und quasi stagnierenden Budgets wird den Druck auf die Kasseler KollegInnen und alle Krankenhäuser weiter erhöhen. Unser hart erkämpfter Absicherungsvertrag wird jetzt durch einen bundesweiten Vorstoss der Krankenhausträger in Frage gestellt. Sie wollen die Ausgaben für Löhne um 10 bis 20% absenken. So fordern sie z.B. einen zuschlagsfreien Arbeitszeitkorridor von 48 Stunden in der Woche. Damit ist es jetzt höchste Eisenbahn für bundesweite Gegenwehr.
Und die ist auch notwendig um das Vertrauen in die Gewerkschaft insgesamt wieder herzustellen. Denn eines ist hier auch klar geworden. Unser Kampf war die beste Mitgliederwerbekampagne, die wir jemals hatten. Über 200 KollegInnen konnten wir neu für die ÖTV/ver.di gewinnen. Wenn die ver.di-Spitze mit ihrer Politik so weitermacht, wird die Mitgliederentwicklung in die andere Richtung weitergehen. Unser Mitglieder sagen sich dann: "Zum Verzichten brauche ich keine Gewerkschaft". Und sie haben recht damit. Deshalb müssen wir den Druck auf die Führung massiv erhöhen und eine starke innergewerkschaftliche Opposition aufbauen.