Stoppt die Lohnräuber! Ein Streik im Öffentlichen Dienst ist notwendig

„Sollte es tatsächlich zu einem hohen Abschluss kommen, sind auch betriebsbedingte Kündigungen kein Tabu mehr“ – so droht einer der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Bochums OB Stüber. Schily redet von einer „Nullrunde“. Doch die Beschäftigten haben es satt, mit ihren Löhnen für die Steuergeschenke an die Reichen und Superreichen und die daraus resultierenden leeren Kassen zu haften. Die Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst werden hart, ein Streik ist möglich. Doch das Misstrauen in die ver.di-Führung ist – zu Recht – groß.

von Ursel Beck, Stuttgart

 
Die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst arbeiten immer härter und haben immer weniger Geld in der Tasche. Die Lohnerhöhungen in den letzten Jahren lagen unter der Inflationsrate. Seit der Einführung des Euro gab es null Lohnerhöhung. Und wenn es nach den PolitikerInnen der etablierten Parteien einschließlich der PDS geht, soll es in der Tarifrunde 2002/03 eine Nullrunde für die Beschäftigten geben. Bei steigenden Preisen und Abgaben heißt das real eine Minusrunde.
Die Träger der öffentlichen Krankenhäuser fordern sogar den Ausstieg aus dem Flächentarifvertrag des Öffentlichen Dienstes und wollen eine zehn bis 20 prozentige Absenkung der Löhne für die Pflegekräfte in den Krankenhäusern. Der Berliner Senat will 1,75 Milliarden Mark bis zum Jahr 2006 im öffentlichen Dienst kürzen. Das Urlaubsgeld soll ganz gestrichen werden. Beim Weihnachtsgeld soll auf die Hälfte verzichtet werden. Auf die Erhöhung der Monatsgehälter soll künftig ganz verzichtet werden.

„Deutlich über drei“

Angesichts solcher Dreistigkeiten müsste ver.di längst ihre Mitglieder mobilisieren. Aber es zeigt sich wieder einmal, dass die Gewerkschaftsführung den Nöten und Sorgen der PolitikerInnen näher steht als denen ihrer Mitglieder. Die Tarifforderungen aus den Gliederungen und Bezirken wurden gleich zu Beginn der Tarifrunde auf „deutlich über drei Prozent“ heruntergeschraubt. Damit wird im Voraus akzeptiert, dass die Löcher in den Staatskassen nicht von den Reichen und Superreichen gestopft werden sollen, sondern von der arbeitenden Bevölkerung.
Warum sollten Bund, Länder und Kommunen angesichts dieses Zurückweichens ihre harte Linie aufgeben? Und so wird es wohl dazu kommen, dass selbst zur Durchsetzung dieser minimalen Forderung ein Streik geführt werden muss. Die Begeisterung, für eine Forderung zu streiken, die noch nicht einmal die steigenden Lebenshaltungskosten ausgleicht, wird sich in Grenzen halten.
Grenzenlos dagegen ist die Wut in den Betrieben auf die Politik von Lohnraub, Privatisierung und steigendem Arbeitsstress. Und mehr denn je gibt es Misstrauen in die eigene Gewerkschaftsführung. Nach den Erfahrungen der letzten Jahren kann jetzt schon vorhergesagt werden, dass die Gewerkschaftsführung ohne Druck von unten die „Ziellinie“ noch weiter nach unten verschiebt. Druck der Basis ist gefordert.
Das Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di und die Arbeitsgruppe Tarifpolitik der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken wollen eine Rolle dabei spielen, diesen Druck zu organisieren. Das oppositionelle ver.di-Netzwerk hat bereits bei der Sitzung der Großen Tarifkommission Flugblätter an die TeilnehmerInnen verteilt und eine offensive Tarifrunde eingefordert.

Ursel Beck ist gewerkschaftspolitische Sprecherin der SAV

Unser Programm zur Tarifrunde
-Erhöhung der monatlichen Löhne, Gehälter und Bezüge um 250 Euro für alle.
-30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich.
-Herabsetzung des Rentenalters bei voller Rente auf 58 Jahre.
-Sofortige tarifliche Gleichstellung der Ost-KollegInnen durch volle Anhebung auf West-Niveau.
-Kampf gegen Ausgründungen, Privatisierung und Tarifflucht.
-Verteidigung des BAT. Weg mit den 100-Punkte-Vorschlägen der ver.di-Führung.
-Weg mit Budgetgrenzen bei Krankenhäuser und allen anderen budgetierten öffentlichen Einrichtungen. Volle Refinanzierung von Tariferhöhungen.
-Keinerlei Gewerkschaftsbeteiligung an einer Neuauflage des „Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit“.
-Demokratische Diskussion und Entscheidung über Kampfmaßnahmen.
-Voller Einsatz der gewerkschaftlichen Kampfkraft. Vollstreik statt Nadelstichtaktik
-Nein zu Schlichtungsverhandlungen.
-Begrenzung der Laufzeit auf 12 Monate.
-Kein Tarifabschluss ohne mehrheitliche Zustimmung per Urabstimmung.
-Jederzeitige Rechenschaftspflicht, Wähl- und Abwählbarkeit für alle FunktionärInnen.
-KeinE GewerkschaftsfunktionärIn darf mehr verdienen als den durchschnittlichen Lohn der in der Gewerkschaft organisierten Mitglieder.

Um diese Forderungen durchzusetzen ist ein organisiertes Eingreifen der Gewerkschaftslinken in die Tarifrunde und der Aufbau einer innergewerkschaftlichen Opposition als politische und personelle Alternative zur heutigen, völlig abgehobenen Gewerkschaftsspitze nötig.