Internationaler Frauentag

8 März 2002
Stellungnahme des Komitee für eine ArbeiterInnen-Internationale (KAI/CWI)
 
1. Der 8. März, der Internationale Frauentag, sollte dieses Jahr zu den Klängen der Cacerolazos gefeiert werden – leere Pfannen und Deckel werden lautstark aneinander geschlagen. Dieser Klang des Protests in Argentinien – speziell der argentinischen Frauen – ist Ausdruck ihrer Wut über ihre leeren Mägen und ihr Misstrauen gegenüber den Herrschenden.

2. Unterdrückte Menschen auf der ganzen Welt haben die beispielgebenden Nachrichten aus Argentinien erhalten. Eine Massenbewegung hat es innerhalb von zwei Wochen geschafft, fünf Präsidenten zum Rücktritt zu zwingen. Am Beispiel Argentinien zeigt sich, dass die Kraft der Massen Berge versetzen kann. Das Komitee für eine ArbeiterInnen-Internationale betont in seinen Grüßen an alle ArbeiterInnen im Kampf am Internationalen Frauentag diese Stärke, erkennt die Rolle der Frauen in diesem Kampf an und ruft zu einer Mobilisierung auf, die sich hinter den Ruf der Frauen für Gerechtigkeit stellt.

3. Der Auslöser der russischen Revolution 1917 war eine Demonstration von Frauen der ArbeiterInnenklasse am Internationalen Frauentag, auf der gefordert wurde: ‚Genug ist genug: es gibt kein Essen!‘ Auch in Argentinien sind Frauen und junge Menschen die Triebkraft der Bewegung. Frauen machen einen Anteil von 60- 70 Prozent derjenigen aus, die an den hunderten wöchentlich stattfindenden Volksräten in und um Buenos Aires teilnehmen.

4. Am Beispiel Argentinien zeigt sich, dass der Neoliberalismus, im Gegensatz zu dem, was Bosse und PolitikerInnen behaupten, keine Vorwärtsentwicklung bringt – nicht einmal für ein Land wie Argentinien, das einmal die siebent größte Wirtschaft der Welt war und dass die ärmsten schuldenbeladenen Länder allein gelassen werden. Und wie immer im Kapitalismus, sind es die argentinischen Massen (ein Großteil der sogenannten Mittelklasse inbegriffen), die die Last der Krise zu tragen haben. Nach einem Bericht der Internationalen Arbeits-Organisation (ILO) werden dieses Jahr weltweit 24 Millionen Jobs verloren gehen.

5. Einer der wesentlichsten gesellschaftlichen Trends der letzten Jahrzehnte war der Zustrom von Frauen auf den Arbeitsmarkt. Dies hat zu einer gewissen wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Frauen geführt und ihnen die Möglichkeit gegeben, ihre Stimmen zu erheben. Wird die Rezession daran etwas ändern? Der wirtschaftliche Zusammenbruch der ehemaligen stalinistischen Staaten (die bürokratisch geführten verstaatlichten Wirtschaften der ehemaligen Sowjetunion und Osteuropas) hat Frauen am härtesten getroffen und zu einem Absinken des Anteils von Frauen am Arbeitsmarkt geführt. Die Wirtschaftskrise in Lateinamerika während der 1980er Jahre hatte andere Auswirkungen. Es stimmt, dass auch Frauen ihre Jobs verloren haben, aber die neuen Jobs sind in einem größeren Ausmaß an Frauen gegangen, an neue Gruppen von Frauen, an jüngere Frauen, die noch schlechter bezahlt wurden – wodurch noch mehr Angehörige von ArbeiterInnenfamilien in die Lohnarbeit gezwungen wurden.

6. Dieser Trend war während der Zeiten wirtschaftlichen Wachstums besonders deutlich. Zwei Drittel der neuen Jobs in der EU, die zwischen 1994 und 1999 entstanden sind, gingen an Frauen. Wie auch immer, der große Anteil der neuen Jobs waren Teilzeitjobs. In der EU sind 80 Prozent der Teilzeitbeschäftigten Frauen, bei Vollzeitbeschäftigungen sind es nur ein Drittel. Die neu geschaffenen Frauenjobs sind schlecht bezahlt, unsicher, mit geringerem Stundenlohn und niedrigeren Pensionen. Es sind vor allem Frauen, die für unzureichende öffentliche Kinderbetreuung zahlen müssen. Mehr Frauen als je zuvor gelten als arm und Arbeitslosenstatistiken, die von der ILO Ende des 20 Jahrhunderts veröffentlich wurden, zeigen, dass in 73 Prozent jener Länder, die Daten zur Verfügung gestellt haben, ein größerer Anteil an Frauen im Verhältnis zu Männern arbeitslos sind.

7. Die kommende Rezession wird von neuen Kürzungen der Sozialausgaben begleitet sein. So führt das neue Verteidigungsbudget der USA schon zu Kürzungen im Gesundheitsbereich. Der Internationale Währungsfond (IWF), die Weltbank, und im speziellen die Budgetgrundsätze der Europäischen Währungsunion versuchen die Durchführung einer strikten „finanziellen Disziplin“. Reichen Familien wird es möglich sein, private Dienstleistungen für die Betreuung von Kindern, Alten und Kranken zu kaufen, während die andere kämpfen müssen um ihre ohnehin schon spärlichen Rechte zu verteidigen. ArbeiterInnen in Europa werden die Methoden der argentinischen Frauen anwenden und klarstellen müssen: „Es geht nicht an, dass die kommende Krise wieder durch die Verdoppelung der Anstrengungen von Frauen finanziert wird“.

8. Die Entschlossenheit, die wir heute ausdrücken, hat ihren Ursprung auch im Andenken an diejenigen, die ihr Leben für den Kampf der Frauenbefreiung geopfert haben. Eine derjenigen war Fadime Sahindal. Sie wurde am 21. Jänner 2002 von ihrem eigenen Vater vor den Augen ihrer Mutter und Schwester ermordet. Seit 1998 hatte Fadime die vielseitige Unterdrückung, der Mädchen aus ImmigrantInnenfamilien unterworfen sind, öffentlich aufgezeigt. Damals zeigte sie ihren Vater und ihren Bruder, die ihr gedroht und sie einzuschüchtern versucht hatten, bei der Polizei an. Während einer Pause im folgenden Prozess schrie ihr Bruder – im Gerichtsgebäude – „Ich werde diese verdammte Hure töten“ – ein Zwischenfall, der vom Fernsehen aufgenommen wurde. Für ihn war es ganz natürlich, seine Schwester eine Hure zu nennen, nicht um sie zu beschimpfen, sondern als Ausdruck für die Entschlossenheit ihrer Familie, über ihr Leben zu bestimmen. Fadime, die aus Kurdistan eingewandert war, hatte einen schwedischen Freund, der von ihrer Familie nicht akzeptiert wurde und der Grund für die Bedrohungen war.

9. Fadime war gezwungen, alle Verbindungen zu ihrer Familie abzubrechen und in eine andere Stadt zu ziehen, allerdings weigerte sie sich, im Untergrund zu leben. Nach allem wollte sie nur frei sein. Sie hatte jedoch immer Angst und erwartete Vergeltung. Fadime ist weder das erste noch wird sie das letzte Opfer sein, das um der sogenannten „Ehre“ willen ermordet wird und bei dem die Mörder, im Einverständnis mit der ganzen Familie, „die Familienehre wiederherstellen“ wollen. Nach einem Bericht der Vereinten Nationen (UN), gibt es pro Jahr 1500 – 5000 solcher Morde. Es gibt hunderte in Pakistan, Jemen, Bangladesch und der Türkei, und um die fünfzig jährlich im Iran, Irak, Ägypten und Palästina. Solche Morde werden auch in Brasilien, Mexiko, Uganda und im Libanon begangen.

10. Als Antwort auf Fadimes Tragödie hat die schwedische Sektion des KAI, Rättvisepartiet Socialisterna, eine Lawine rassistischer Kommentare zu beantworten. Auch die dänischen Medien und die dänische Regierung haben auf die Rassismuskarte gesetzt und Fadimes Fall angeführt, um Einwanderung zu erschweren und um die Bedingungen für ImigrantInnen zu verschlechtern.

11. MarxistInnen erklären, dass die Wurzel der Frauenunterdrückung in der patriachalen Kleinfamilie liegt, die auf Grundlage der Notwendigkeiten der sich entwickelnden Klassengesellschaft gewachsen ist und sich gemeinsam mit ihr gefestigt hat. Patriarchale Gesellschaften haben eine starke Kontrolle über die Sexualität der Frauen durchgesetzt, was zur unterschiedlichen Bewertung von männlicher und weiblicher Sexualität geführt hat. Frauen, die „Grenzen“ überschritten haben, werden seitdem auf unterschiedlichste Art und Weise attackiert und/oder schikaniert. Der Kapitalismus verwendet die Familie als Institution und Ideologie und hat sie an die Bedürfnissen industrieller Gesellschaften angepasst. In weniger industrialisierten Regionen ist die Familie als Machtstruktur noch wichtiger. In Ländern wo der Kapitalismus weiter entwickelt ist und wo es eine starke und organisierte ArbeiterInnenklasse gibt, hat der kollektive Kampf von ArbeiterInnen und Frauen zu wichtigen Siegen geführt – zum Sozialstaat und demokratischen Rechten.

12. KAI/CWI-Mitglieder in Britannien, die eine Kampagne gegen Gewalt in der Familie initiiert haben, erinnern uns daran, dass bis vor zwölf Jahren Vergewaltigungen innerhalb der Familie nicht als Verbrechen gehandhabt wurden. Das Schlagen der Ehefrauen wurde zwar 1896 in Britannien verboten, dennoch (wie ihr Kampagnenprogramm) aufzeigt: „heißt das nicht, dass die Vorstellungen, die dahinterstecken und die Tat selbst, jemals abgeschafft wurden.“

13. Genauso wie die Schüsse auf DemonstrantInnen in Göteborg am 15. Juni letzten Jahres, haben die Kugeln in Fadimes Kopf die Illusionen zerschmettert, dass Schweden ein Vorbild für Gerechtigkeit, soziale Sicherheit und Gleichheit ist. Schweden ist statistisch gesehen das Land mit der größten Gleichberechtigung der Welt, aber das KAI in Schweden ist davon überzeugt, dass Unterdrückung aufgrund des Geschlechts im Kapitalismus nicht abgeschafft werden kann. Einige Jahrzehnte wurde die Wirtschaft zum Vorteil von ArbeiterInnen und Frauen reformiert. Der öffentliche Sektor wurde stark erweitert, was neben anderen Dingen zu einjährigen Karenzurlauben und der Möglichkeit einer sechsjährigen öffentlichen Kinderbetreuung für alle Kinder führte. Diese Fürsorgemaßnahmen waren trotzdem beschränkt und eine Ausnahme im Kapitalismus. Seit Mitte der 1980er, kam es zu kontinuierlichem Sozialabbau auch während der letzten Jahre des wirtschaftlichen Aufschwungs und der Superprofite und mit der Sozialdemokratischen Partei an der Macht. Der Sozialabbau traf und trifft Frauen am härtesten. Sie, ihre Kinder und ImmigrantInnen sind von allen Einsparungen am meisten betroffen.

14. Fadimes Vater war Analphabet und von der schwedischen Gesellschaft ausgeschlossen. Eine andere schwedisch-kurdische Frau, Pela, die von ihrem Vater und ihrem Onkel ermordet wurde, hatte mehrmals versucht, von zuhause zu fliehen, doch sie musste immer wieder zurückkommen, weil sie sich keine eigene wirtschaftliche Grundlage schaffen konnte und sie sozial nicht abgesichert war. Alle PolitikerInnen vergossen Krokodilstränen über Fadimes Tod, ungeachtet dessen, dass sie durch ihre rechte Politik nicht unschuldig an ihrem Tod sind.

15. Das ist kein Einzelfall. Weltweit klebt das Blut zahlreicher Frauen an den Händen von SpitzenpolitikerInnen. Die Anzahl an Toten durch die Bombardierung Afghanistans durch George W. Bush und seinen Kampfgefährten Tony Blair werden wahrscheinlich nie bekannt werden. Zwanzig Jahre haben die afghanischen Frauen unter Krieg und der strengsten Geschlechterapartheid gelitten, ohne dass es Reaktionen aus dem Westen hervorgerufen hätte. Die Analphabetinnen-Rate unter afghanischen Mädchen liegt bei 90 Prozent. Da Frauen keine Gesundheitsversorgung bekommen, sterben täglich 45 Frauen an Ursachen, die mit ihrer Schwangerschaft zu tun haben. Afghanistan hat weiters die höchste Kindersterblichkeitsrate der Welt.

16. Nach den terroristischen Attacken des 11. Septembers hat Bush die Unterdrückung der Frauen durch die Taliban als Teil der Rechtfertigungen für das Bombardement des Landes verwendet. Aber durch den Krieg sind auch neue Flüchtlingswellen entstanden, deren überwältigende Mehrheit Frauen und Kinder ausmachen. Das neue Regime der ‚Nordallianz‘ und der Kriegsfürsten bedeutet, dass die Macht in den Händen des Militärs liegt, die während vergangener Kriege Massenvergewaltigungen durchgeführt haben. Nach Berichten von Hilfsorganisationen stieg dieses Jahr die Anzahl von Vergewaltigungen und anderen Verbrechen. Die Befreiung der afghanischen Frauen wird nicht in erster Linie an abgelegten Burqas gemessen werden, sondern an ihrem Zugang zu Nahrung, Wohnraum und Arbeit.

17. Wegen der ohnehin schon existierenden kämpferischen Stimmung gegen Imperialismus und Neoliberalismus, wurden die Bombardements sofort mit einer internationalen Anti-Kriegs-Bewegung beantwortet, einer Bewegung, in der Frauen die Mehrheit darstellen. Gleichzeitig wurde der 11. September zu einer erschreckenden Mahnung vor der zerstörerischen Wirkung des Terrorismus. Religiöser Fundamentalismus ist in keinster Weise fortschrittlich, sondern vielmehr ein Ausdruck für das Versagen der ArbeiterInnenbewegung, Alternativen anzubieten und Widerstand gegen die Ausbeutung des Imperialismus zu organisieren.

18. Der Imperialismus tötet Frauen nicht nur durch Kriege. Die erste Entscheidung, die George W. Bush nach Amtsantritt traf, war der ‚Mexico City Act‘. Dieser bedeutete, dass Organisationen außerhalb der USA, die Abtreibungen durchführen, für sichere und legale Abtreibungen arbeiten oder ausbilden und Frauen die abtreiben wollen, auf geeignete Kliniken hinweisen, keine wirtschaftliche Hilfe von Amerika erhalten. Das Weiße Haus hat den „Pro Life“-FanatikerInnen Unterstützung gewährt; jenen, die Videokameras außerhalb von Abtreibungskliniken installieren und Dinge sagen wie: „Diese mordlustige Mutter muss festgehalten werden, damit die Welt sie sehen kann.“

19. Bushs Politik wird zum Tod tausender Frauen führen, wenn diese versuchen, illegale unsichere Abtreibungen durchzuführen. Nach den Statistiken für 1999 ist Abtreibung nur in 50 Ländern, die 40% der Weltbevölkerung abdecken, völlig legal. Nur 500.000 von sechs Millionen Abtreibungen pro Jahr sind legal. Aber die Gesetzeslage allein garantiert nicht, dass Abtreibungen sicher werden. In Indien, wo Abtreibung seit 30 Jahren legal ist, fehlt es noch immer an ordentlichen Einrichtungen, das macht viele Abtreibungen gefährlich.

20. Fortschritte im Bereich der Medizin- und Gesundheitsversorgung werden nur all zu oft als Beleg für die Weiterentwicklung der Zivilisation angeführt, doch die traurige Wahrheit der letzten 20 Jahre zeigt, dass immer mehr Frauen bei der Geburt sterben. Ihre Zahl ist vergleichbar mit einem Flugzeugunglück, bei dem sechs voll gefüllte Jumbo Jets kollidieren und niemand überlebt. Das Recht einer Mutter zu leben ist auch eine Klassenfrage. Die Wahrscheinlichkeit für eine Frau, in Afrika in Zusammenhang mit einer Geburt zu sterben, ist 20 mal höher als in einem industrialisierten Land.

21. 2001 erlebte die antikapitalistische Bewegung in Europa einen bemerkenswerten Aufschwung. Der Höhepunkt wurde im Juli erreicht, als 300.000 Menschen durch Genua demonstrierten. Eine der Hauptforderungen an die G8 – die 7 reichsten Länder plus Russland – war die Schuldenstreichung für die ärmsten Länder. In Afrika wird vier mal so viel allein für die Zinsrückzahlungen an Banken ausgegeben wie für den Gesundheitsbereich.

22. In Ländern mit schrumpfendem Wirtschaftswachstum wird die Zeit wieder zurückgedreht: soziale und politische Errungenschaften, die von der ArbeiterInnenbewegung erkämpft wurden, werden ausgehöhlt und teils zerschlagen. Ausbeutung, Unterdrückung und Geschlechterdiskriminierung äußert sich immer unverschämter und die herrschenden Machtstrukturen verfestigen sich. In Osteuropa und der GUS führte die Wiedererrichtung des Kapitalismus zur Verarmung von 100 Millionen Menschen. Die wirtschaftlichen Veränderungen in Russland führten dazu, dass Frauen massiv aus dem Arbeitsmarkt gedrängt wurden. Ihre finanzielle Unabhängigkeit wird dadurch gefährdet und ihr Status in Familie und Gesellschaft geschwächt. Begleiterscheinungen dieses Prozesses sind eine erschreckende Zunahme von Gewalt gegen Frauen in der Familie, Prostitution und Pornographie. In Südafrika wird alle 26 Sekunden eine Frau vergewaltigt. 20% der Bevölkerung sind mit dem HIV-Virus infiziert. Erwachsene Männer vergewaltigen Kinder im Glauben, dass deren „Jungfräulichkeit“ davor schützt, AIDS zu bekommen. Derart absurde Vorstellungen werden unter anderem auch durch Personen wie Thabo Mbeki, dem Präsidenten, geschürt, der behauptet, es gäbe keinen Zusammenhang zwischen HIV und AIDS.

23. Die Welt ist reicher als jemals zuvor, aber die Kluft zwischen Reich und Arm ist so groß wie noch nie. Immer weniger Menschen sind bereit, diese Absurdität hin zu nehmen und beteiligen sich an den Demonstrationen gegen die Treffen der Reiche und Mächtigen. Besonders wichtig ist es für die anitkapitalistische Bewegung aufzuzeigen, auf welche Art und Weise Unternehmen versuchen, Produktionskosten zu senken. Es werden Subunternehmen eingesetzt, die SklavInnenlöhne zahlen und grauenhafte Arbeitsbedingungen einführen. Idealer Ansiedeplatz für derartige Unternehmen sind die sogenannten „freien Produktionszonen“ (FPZ) in der „dritten Welt“. Dort müssen Unternehmen keine Steuern zahlen und es werden noch weitere Anreize für Betriebsansiedelungen gesetzt, die die lokale Bevölkerung ausbeuten. 80% der in diesen Zonen Beschäftigten sind Frauen.

24. Die meisten und zugleich auch die schlimmsten dieser „freien Produktionszonen“ wurden in China errichtet. Laut ILO befinden sich 18 Mio. der weltweit 27 Mio. in FPZs Beschäftigten in China. Wang Xingjuang hat als Referentin an der Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking teilgenommen. Heute sagt sie: „Als die Volksrepublik 1949 gegründet, wurde hat Mao gesagt, dass die Hälfte des Himmels den Frauen gehört. Frauen hatten die Möglichkeit zu arbeiten. Viele von ihnen glaubten dadurch, dass sie gleichberechtigt seien. Wie auch immer, die Reformen der 80er haben zu schweren Rückschlägen geführt.“ Bei Rationalisierungen, wenn es den Unternehmen darum geht „gute Ergebnisse“ zu erzielen, sind 70% der Entlassenen Frauen.

25. Die Produktionskosten in China betragen lediglich ein Drittel jener Indiens. Dies bedeutet scharfe Konkurrenz seit im Jahr 2000 von 400 Produkten Handelsbeschränkungen beseitigt wurden. Das erfolgt im Namen des „Freihandels“, der von der Welthandelsorganisation (WTO) diktiert wird. Solcherart provozierter Wettbewerb führt nicht nur in China, sondern auch in Bangladesh und auf den Philippinen zu schweren Krisen im Exportsektor und hier vor allem in der Textilbranche, die eine klassische Frauendomäne ist. Seit 1995 wurden 70.000 Textilfabriken – mehr als 40% aller Fabriken – geschlossen. Dazu kommt noch der Rückgang bei der Auslagerung von Arbeit in die Heimarbeit: so wird Frauen eine andere Möglichkeit, zumindest ein minimales Einkommen zu erzielen, während sie zu Hause bei der Familie bleiben, genommen. Die vollständigen Auswirkungen und Folgen dieses Prozesses sind noch nicht absehbar.

26. Letztes Jahr berichteten Mitglieder der indischen Sektion des CWI, wie die tiefe Verunsicherung von TextilarbeiterInnen in Wut umschlug, als die Arbeitgeber ihnen untersagten, auf ihre Ersparnisse zuzugreifen, bevor sie das Pensionsalter erreicht haben. Am 24 Juli legten eine Handvoll ArbeiterInnen aus den Regionen Peenya und Bangalore ihre Arbeit nieder und marschierten protestierend zu den Büros der Arbeitgeber. Stündlich kamen mehr und mehr, um sich an der Demonstration zu beteiligen. Am Abend waren es dann bereits über 10.000, die an dem Protestumzug teilnahmen. Die Demonstration war zu einer kilometerlangen Prozession angewachsen, die sich von Bangalore bis Bombay zog. Es dauerte einen ganzen Tag , um das verursachte Verkehrschaos wieder zu regeln.

27. Ein weiters Ziel der Kritik von AntikapitalisInnen und SozialistInnen ist die Finanzspekulation – der Casino-Kapitalismus. Durch die Globalisierung wird der Kapitalismus noch parasitärer. Alles und jedes, das sich verkaufen läßt, ist auf der Börse willkommen, auch wenn es sich um Pornographie handelt. Mit den Zugangsmöglichkeiten zu „Risikokapital“ erreicht all das ein neues Level. Das Finanzmagazin „Forbes“ hat im Oktober 2001 Zwanzig der besten 200 Kleinunternehmen der Welt vorgestellt, die ihrer Meinung nach die Creme de la Creme sind. Unter ihnen war auch der Pornographiegigant „Private Media Group“. Ursprünglich sind sie durch ein anderes Unternehmen an die Börse gekommen, aber mittlerweile haben sie ihren eigenen Platz im NASDAQ. „Private“ hält Ausschau nach neuen Technologien und hat erst kürzlich einen Vertrag mit Altavista, der weltweit größten Suchmaschine abgeschlossen, der es ihnen ermöglichen wird, ihre Internetverkäufe zu verdreifachen.

28. Im Kapitalismus wird alles, wie schon Marx vor langer Zeit sagte, zur Ware. Der Handel mit Sex ist schon längst ein fixer Bestandteil der Wirtschaft geworden. Es ist kein Zufall, dass die Sexindustrie die erste war, die sich nach der Süd-Ost-Asienkrise 1997 bis 1998 erholte. Prostituierte in den Städten von Thailand senden jährlich einen Betrag von 300 Mio. US$ zu ihren Familien. Das ist weit mehr als irgendein Entwicklungsprogramm der Regierung ausmacht. In Westeuropa werden jedes Jahr eine halbe Million Frauen sprichwörtlich gehandelt. In Deutschland gibt es mehr Frauen, die als Prostituierte arbeiten bzw. arbeiten müssen als Lehrerinnen!

29. Die Kommerzialisierung findet keine Ende. Jeder Teil unseres Körpers, jeder Lebensprozess ist marktfähig geworden. Geschlechterstereotypen finden sich überall; in Mode, Spielzeug, Schönheitsprodukten, und der Unterhaltungsindustrie. Die Ausgaben für Werbung beliefen sich 1998 auf 435 Mrd. US$. Das entspricht einem Betrag der, laut United Nation Development Programme (UNDP), vier mal ausreichen würde um 1,200 Mio. Menschen die Versorgung mit frischem Wasser zu garantieren.

30. In der SchülerInnenbewegung in Europa, die in den letzten Jahren für die Verteidigung des Bildungssystems kämpften, spielten viele junge Frauen eine führende Rolle. In einigen Ländern hat die antikapitalistische Bewegung in Kämpfen von Frauen gegen Sexismus und Chauvinismus ihren Anfang gefunden. Naomi Klein ist darauf in ihrem Buch „No Logo“ und in ihrer Rede beim Weltsozialforum in Porto Alegre eingegangen. Bei all diesen Veranstaltungen waren 43% der TeilnehmerInnen Frauen, vor allem junge Frauen. Die Zahl ist bemerkenswert, denn für Frauen ist es auf Grund ihrer sozialen Verpflichtungen und allgemeinen Vorurteilen schwieriger, allein und unabhängig zu reisen. Wie schon voriges Jahr berichtet wurde, brachte der „Weltmarsch der Frauen – 2000“ 6.000 Organisationen aus 161 Ländern zusammen und es gab Demonstrationen und Umzüge von Frauen auf allen Kontinenten.

31. Der akademisch orientierte Feminismus tendiert zur selben Zeit zu einer liberaleren und individualistischen Sichtweise und sagt sich vom gemeinsamen Kampf los. SozialistInnen bekommen von anderen Frauenaktivistinnen (die sich selbst eventuell zur Linken zählen) oft zu hören, dass es ein Fehler sei, politische Themen aufzuwerfen, wenn es z.B. darum geht, sexuelle Belästigung zu bekämpfen. Ihrer Meinung nach sei das ein exklusives und ausschließliches Frauenthema. Aber diese Art der Begründung schwächt den Kampf von Frauen. Diese Art von Feminismus hat auf ideologischer Ebene versucht, Frauen von der Schlussfolgerung abzubringen, dass wir eine revolutionäre Veränderung brauchen, um Gleichberechtigung zu erreichen – stattdessen sehen sie als Ziel, so viel Gleichberechtigung wie möglich auf individueller Ebene zu erreichen.

32. Diese akademischen Feministinnen versuchen nicht, die neuen Schichten von Frauen, die in der antikapitalistischen Bewegung aktiv sind, zu erreichen und Frauenthemen in diesem Zusammenhang aufzuwerfen. Auch „linke“ Aktivistinnen haben es verabsäumt, Perspektiven zu entwickeln, die die spezielle Unterdrückung von Frauen im globalen Kapitalismus erkennt und ein Programm für den Widerstand dagegen anbietet. Bei der Demonstration in Götheborg z.B. haben es die SprecherInnen der Left Party (der ehemaligen Kommunistischen Partei) und von ATTAC vermieden, die Auswirkungen von Sparmaßnahmen im Sozialbereich auf Frauen zu erwähnen. Die Tumulte der AnarchistInnen drücken überhaupt nichts politisch aus!

33. In allen 35 Ländern, in denen das CWI aktiv ist, ob durch Sektionen oder Gruppen, haben wir immer an Kämpfen der Arbeiterinnen teilgenommen. „Organisieren und zurück schlagen“ war das Motto der Sozialistinnen und Theoretikerinnen der ersten Stunde, wie Eleonore Marx und Rosa Luxemburg. Wir sagen das selbe. CWI-Mitglieder sind bei Kampagnen gegen niedrige Bezahlung aktiv beteiligt und versuchen, Frauen für die Gewerkschaft zu gewinnen. Zugleich kämpfen wir dafür, dass die Gewerkschaften so werden, wie sie sein sollten: kämpferisch und demokratisch. Das sind auch die Grundvoraussetzungen für eine unabhängige Gewerkschaft, frei von Einflüssen der UnternehmerInnen und des Staates, der es ermöglicht, effektiv gegen Hungerlöhne, Privatisierungen, Schließungen und für eine Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohn zu kämpfen.

34. Wir kämpfen lokal, national und international gegen Kürzungen bei Bildung, Gesundheit und sozialer Sicherheit gemeinsam mit jenen, die in diesen Einrichtungen arbeiten oder deren Leistungen in Anspruch nehmen. Kämpfen zahlt sich aus. In England haben wir es geschafft, die Privatisierung von Wasser zu stoppen und die Einführung von Wassergebühren zu verhindern. Am Arbeitsplatz, in Gemeinden, Schulen und auf der Strasse bekämpfen wir sexuelle Belästigung und wir führen seit Jahren Kampagnen gegen Gewalt in der Familie. Fanatische AbtreibungsgegnerInnen und FaschistInnen dürfen keine Möglichkeit haben, ihre vergifteten Ideen zu verbreiten oder ungestört ihre Umzüge zu veranstalten. Wir zeigen diejenigen auf, die von der Pornoindustrie profitieren und klagen den Sexismus in der Modeindustrie an. Zusammen mit Hunderttausenden anderen beteiligen wir uns an Massenprotesten gegen den Krieg, Umweltzerstörung und Kapitalismus.

35. Es mag auf einer gewissen Ebene wahr sein, dass alle Männer von dem profitieren, was Friedrich Engels die „weltweite historische Niederlage der Frauen“ nannte. Auch die ärmsten Männer haben eine Machtposition in der Familie, die traditionellen Rollen erlauben es ihnen, zu vermeiden, Hausarbeit zu verrichten und mehr Freizeit zu haben. Es ist aber auch wahr, dass die überwiegende Mehrheit der Männer als Teil der ausgebeuteten Klasse nur wenig Kontrolle über ihr Leben haben. Unser gemeinsamer Feind – Neoliberalismuns, Kapitalismus und Imperalismus – ist stark. Sexismus zu tolerieren ist eine Schwäche, die sich die ArbeiterInnenbewegung nicht leisten kann. Schlußendlich ist es der gemeinsame Kampf von Frauen und Männern der ArbeiterInnenklasse und Teilen der Mittelklasse, die den Kapitalismus überwinden, und die Grundlage für eine neue gleichberechtigte Gesellschaft erkämpfen wird – kurz: eine sozialistische Gesellschaft.

36. Frauen sind 70% der von Armut betroffenen und 2/3 der Arbeit von Frauen ist unbezahlt. Diese Ausbeutung bildet das Fundament für die Klassengesellschaft so sehr mit, dass es unmöglich ist, Gerechtigkeit ohne revolutionäre Veränderung zu erreichen. Das CWI kämpft für eine weltweite sozialistische Gesellschaft, in der die materiellen Vorbedingungen – Arbeitsplatz, Wohnung, Kinderbetreunungseinrichtungen, freier Zugang zu Wasser- und Stromversorgung usw. – gegeben sind, um effektiv gegen Sexismus und Geschlechterstereotypen anzukämpfen. Es gibt ungeheuren Reichtum an Ressourcen in dieser Welt, er ist aber in Händen einer kleinen Elite. Um die demokratische Kontrolle dieser Ressourcen zu ermöglichen, müssen Unternehmen und Banken öffentliches Eigentum werden. Eine derart demokratisch sozialistische Welt hätte aber nichts mit der stalinistischen Diktatur in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion gemeinsam.

37. Sozialismus bedeutet, dass Frauen und Männer ihr Leben auf allen Ebenen selbst bestimmen können. Mit Freisetzung der Ressourcen würde die ökonomische Befreiung der Frau ermöglicht. Auf Basis von Kooperation und der Abschaffung von Ungleichheiten von Macht und Reichtum kann die sexuelle und kulturelle Unterdrückung der Frau ein Ende finden. Werde Teil unseres Kampfes für die Befreiung der Frau und den Sozialismus!

Internationales Büro des CWI,
London,
März 2002